Volker Weber

Beflügelt die EU wirklich...

...grüne Investments und nachhaltiges Wachstum?

Ein Masterplan zur Förderung einer nachhaltigen Finanzbranche wurde lange erwartet. 2018 hat die EU nun endlich einen solchen vorgelegt. Bringt er die erhoffte Wende in der Finanzwirtschaft?

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Die Ausgangslage: Mit einem Marktanteil von drei Prozent ist der Anteil nachhaltiger Fonds und Mandate in Deutschland noch stark ausbaufähig. In Österreich liegt deren Anteil bereits bei 8,3 Prozent des Gesamtmarktes und ist damit unter den deutschsprachigen Ländern führend. Doch für beide Länder gilt: Trotz des anhaltenden Wachstums von 27 Prozent in Deutschland und 23 Prozent in Österreich wird der Anteil am Gesamtmarkt aufgrund der geringen Ausgangsniveaus nicht ausreichend wachsen.

Nachhaltigkeitskriterien müssen verbindlicher Bestandteil der Investmentberatung werden. Nur dann haben Anleger und Anlageentscheidungen einen direkten Einfluss auf das Verhalten von Unternehmen. © shutterstockNachhaltigkeitskriterien müssen verbindlicher Bestandteil der Investmentberatung werden. Nur dann haben Anleger und Anlageentscheidungen einen direkten Einfluss auf das Verhalten von Unternehmen. © shutterstock
Das Ziel: Mit der Veröffentlichung des EU-Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums (COM(2018) 97 final) legte die EU Kommission im Januar 2018 endlich einen umfassenden Maßnahmenkatalog zur Lenkung von Kapitalflüssen in Richtung nachhaltiger Investments vor. Diese Maßnahmen können einen signifikanten Beitrag zur Finanzierung der klimapolitischen Ziele von Paris und der nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals) leisten. Gleichzeitig sollen sie zur Finanzmarktstabilität beitragen, indem sie Nachhaltigkeitsaspekte in das Risikomana­gement einbeziehen. Und in der Tat ist eine Umlenkung der Kapitalströme zu nachhaltigen Geldanlagen angesichts der klimabedingten Herausforderungen in einem weitaus größeren Umfang dringend notwendig. Die Umsetzung des EU-Aktions­plans (siehe Kasten) könnte hier durchaus die richtigen Weichen stellen. Doch es gibt auch Bedenken …

Droht die grüne Überregulierung?
 Es gilt: Geld regiert die Welt! © shutterstock Es gilt: Geld regiert die Welt! © shutterstock
Ein zu eng gefasster Regulierungsrahmen könnte zu wenig Spielraum in der Umsetzung der Vorhaben lassen. Befürchtet wird insbesondere eine Überregulierung jener Akteure, die bereits seit Jahren im Bereich nachhaltiger Investments tätig sind. Dies sind die auf Nachhaltigkeit spezialisierten Banken (Kirchen und Umweltbanken), die ein deutsches Spezifikum sind. In Österreich sind es besonders die auf Nachhaltigkeit spezialisierten Vorsorgekassen, die in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt werden. Auch die auf diesen Themenbereich ausgerichteten Ratingagenturen finden in den Vorschlägen kaum Beachtung, da in allen anderen Ländern die großen Kreditratingagenturen nahezu alleine agieren. Es gilt nun, die Vielfalt und Innovationskraft der Pioniere zu erhalten und zu stärken, und gleichzeitig die Mainstream-Akteure zu einer Integration von Nachhaltigkeitsgesichtspunkten anzuhalten.

Kritisiert wird auch, dass die erst kürzlich eingeführten Richtlinien wie die CSR-Richtlinie, MiFID II sowie andere Regulierungen, die den Gesamtmarkt betreffen, immer noch der Überarbeitung bedürften und zur Verunsicherung vieler Finanzmarktakteure führten. Gerade kleinere und mittlere Häuser kommen durch die Regulierungsanforderungen an ihre Kapazitätsgrenzen. Nicht alle haben die Ressourcen für eigene gut ausgestattete Nachhaltigkeitsabteilung.

Liegt die Nachhaltigkeit im Auge des Betrachters?
Die zehn Ziele des EU-Aktionsplans
zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums
  1. Einführung eines Bewertungssystems für nachhaltige Vermögenswerte
  2. Im Rahmen ihrer Treuhänder- und Investorenpflichten sollen institutionelle Anleger und Vermögensverwalter dazu angehalten werden, Nachhaltigkeitsaspekte in den Entscheidungsprozess für Investitionen einzubeziehen und den Endanlegern gegenüber transparenter darzulegen
  3. Einführung eines EU-weiten Green Bond Standards
  4. Förderung nachhaltiger Infrastrukturprojekte
  5. Wertpapierfirmen und Versicherungsvertreiber sollen zukünftig dazu verpflichtet werden, die Kunden nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen
  6. Verbesserung der Transparenz von Methoden und Merkmalen von Klimazielen
  7. Aufnahme von Nachhaltigkeitsaspekten in ESG-Ratings und Analysen
  8. Berücksichtigung von Nachhaltigkeit in Aufsichtsvorschriften: Prüfung, ob Risiken, die mit Klima- und Umweltfaktoren verbunden sind, in die Risikomanagementstrategien der Versicherungsgesellschaften und Pensionsfonds einbezogen werden können
  9. Erhöhte Transparenz und Überarbeitung der CSR-Richtlinie
  10. Nachhaltige Unternehmensführung mittels langfristiger, strategischer Planung
Ein Streitpunkt ist auch die verpflichtende Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen von Kunden, die sich zur Geldanlage beraten lassen, wie es das Forum für Nachhaltige Geldanlagen schon seit Jahren fordert. Kritiker entgegnen, dass die ohnehin vorhandene Komplexität im Beratungsgespräch dadurch erhöht und der Kunde überfordert werde. Häufig wird das Argument des mündigen Bürgers, der selbst aktiv werden sollte, angebracht, da vor allem die Nachhaltigkeit im Auge des Betrachters liege und von jedem unterschiedlich definiert werde. Dieses Argument ist leicht zu entkräften, denn für nachhaltige Banken und Akteure ist eine mit dem Kunden erarbeitete und auf den Kunden zugeschnittene Nachhaltigkeitsdefinition schon längst eine problemlose Selbstverständlichkeit. Und was ebenfalls für das Ansprechen des Themas Nachhaltigkeit in der Kundenberatung spricht, ist die Tatsache, dass spezialisierte Nachhaltigkeitsbanken kontinuierliche Zuwachsraten erfahren (die durchschnittliche Wachstumsrate beträgt seit 2010 neun Prozent).

Erhöht Nachhaltigkeit das Risiko?
Kritisiert wird auch der Green Supporting Faktor, der erleichterte Eigenkapitalanforderungen für grüne Finanzierungen vorsieht. Gemäß Bundesbankvorstand Andreas Dombret sei aber weder die Benachteiligung klimaschädlicher Anlagen, noch die Bevorzugung grüner Finanzaktiva zielführend, denn die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren gehe nicht immer mit einem verminderten Risiko einher. Deshalb sollten sich nach seiner Ansicht Finanzaufsichtsbehörden in erster Linie auf ihre Kernaufgabe besinnen und allein den Faktor Risiko beurteilen. Auch andere Finanzmarkt-Akteure sehen eine Bevorzugung grüner Finanzaktiva kritisch, da dies einen Bumerang-Effekt auslösen und das Risiko erhöhen könnte. Aus Sicht des FNG ist jedoch die verpflichtende Integration von Nachhaltigkeits- und Klimarisiken in die klassische Finanz­analyse eine Voraussetzung, um sie angemessen zu bewerten und letztlich zu monetarisieren. Stranding Assets werden damit frühzeitig erkannt.

Können Labels für Durchblick sorgen?
Der EU-Aktionsplan sieht weiter vor, einen GreenBond Standard sowie ein Eco-Label einzuführen. Dies bereitet noch Probleme, denn aktuell gibt es in Europa 22 verschiedene Labelsysteme, die vor allem nationale Spezifika berücksichtigen und unterschiedliche Ansätze und Methodiken bieten. Hier erachten wir als extrem wichtig für den Erfolg, dass sich die neu entwickelten Standards an bereits Bestehenden orientieren und ein entsprechendes Rahmenwerk setzen.

Auch die Nachhaltigkeitssystematik, die aktuell von der Technical Expert Group entwickelt wird, hinkt hinterher. Erster Ansatzpunkt sind die Umweltfaktoren und erst zu einem späteren Zeitpunkt, d.h. realistischerweise in 2-3 Jahren werden andere Bereiche folgen. Dies ist gerade für etablierte Nachhaltigkeitsakteure schwer nachzuvollziehen, da sie seit Jahren einen ganzheitlicheren Nachhaltigkeitsbegriff verwenden. Hier muss gewährleistet werden, dass Anbieter von Finanzprodukten mit ganzheitlichem Nachhaltigkeitsbegriff in der Zwischenzeit nicht benachteiligt werden, denn sonst wären die bereits existierenden Ansätze, die E (Environment-Umwelt), S (Social – Soziales) und G (Governance-Gute Unternehmensführung) umfassen, gravierend benachteiligt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der EU-Aktionsplan eine Vielzahl positiver Vorschläge enthält. Bei deren Umsetzung ist jedoch zu beachten, dass der regulatorische Rahmen den betroffenen Finanzakteuren ausreichenden Spielraum zur Umsetzung lässt. Maßgeblich für den inhaltlichen Erfolg des Aktionsplans wird es sein, dass er nicht nur diejenigen Akteure reguliert, die im Nachhaltigkeitsbereich bereits etabliert sind, sondern vor allem den Mainstream-Finanzmarkt in Sachen Klima- und Nachhaltigkeitskriterien aktiv an die Kandare nimmt.
 
Volker Weber arbeitete nach seinem betriebswirtschaftlichen Studium für verschiedene Banken und Fonds. Seit 2007 ist er Vorsitzender des Forums Nachhaltige Geldanlagen mit Sitz in Berlin.

Das FNG – Forum Nachhaltige Geldanlagen e.V. ist der Fachverband für Nachhaltige Geldanlagen in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz und repräsentiert über 180 Mitglieder, die sich für mehr Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft einsetzen. Das FNG vergibt das Transparenzlogo für nachhaltige Publikumsfonds, ist Herausgeber des FNG-Nachhaltigkeitsprofils und Initiator des FNG-Siegels. www.forum-ng.org.


Die EU als Treiber oder Bremser?

Wir fragen den Experten Markus Zeilinger von fair-finance

Was müsste am EU-Aktionsplan geändert werden, um Ihre Vorsorge­­kasse fair-finance zu beflügeln und Ihre Nachhaltigkeitsleistung noch weiter zu verbessern?

© Christoph Hemmerich© Christoph Hemmerich
Derzeit leiden wir darunter, dass Nachhaltigkeit, die über Best-In-Class und somit über das Risikomanagement hinausgeht, streng genommen dem gesetzlichen Treuhandauftrag, dem wir als Vorsorgekasse unterliegen, widerspricht. Ausschlusskriterien können Risiko erhöhen und Rendite kosten. Ebenso Impactinvestments, die bestimmte Themen oder Geschäftsfelder der Nachhaltigkeit fokussieren. Weiters haben wir derzeit Veranlagungsgrenzen und vorgegebene Assetklassen, die unsere Möglichkeiten stark einschränken. So dürfen Vorsorgekassen nur 5 Prozent des Gesamtvermögens in Alternative Investmentfonds (AIF´s) investieren. Impactinvestments wie Infrastruktur, Alternative Energie, Sustainable Private Debt, usw. sind in der Regel in Form von AIF´s organisiert. Wir dürfen auch nicht in Mikrofinanzfonds investieren, Darlehen vergeben oder Beteiligungen eingehen. Immobilen sind mit 10 Prozent des Gesamtvermögens gedeckelt, obwohl dies eine sehr attraktive Assetklasse ist, die zudem für 40 Prozent des Energieverbrauchs und 36 Prozent der CO2-Emissio­nen innerhalb der EU verantwortlich ist. Nachhaltige Investments in Immobilien würden somit sofort messbare Klimaverbesserungen zeigen. Würde der EU-Aktionsplan die bestehenden Restriktionen aufheben oder zumindest reduzieren, wäre das auch für uns eine echte Verbesserung, die entsprechend dem Red-Bull-Slogan „Flügel verleiht".

Lesen Sie dazu auch das ausführliche Interview.

Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2018 - Frauen bewegen die Welt erschienen.

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