Jetzt reicht's
Lebensmittelverschwendung im Urlaub
Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zufolge werden jährlich weltweit rund ein Drittel aller Lebensmittel weggeworfen. Deutschland ist hier keine Ausnahme. Laut einer Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz landen in der Bundesrepublik allein jährlich elf Millionen Tonnen Lebensmittel im Abfall, davon entfallen etwa 6,7 Millionen Tonnen auf die Privathaushalte. Auch in Kantinen und gastronomischen Betrieben fallen viele Lebensmittelabfälle an: Gerade in Urlaubshotels fordert das weithin verbreitete „All-inclusive-Konzept" ein umfassendes Speisen- und Getränkeangebot, um dem Urlaubsgast jederzeit die volle Auswahl zu bieten. Die Folge: Allein in deutschen Hotels entstehen so jedes Jahr 200.000 Tonnen Lebensmittelabfälle. In Hotelbetrieben in der Türkei und auf den Kanaren ist die Wegwerfquote noch höher: Dort landen bis zu 60 Prozent der eingekauften Lebensmittel in der Tonne.
Diesem Problem widmen sich die Mitglieder von Futouris e.V. – der Nachhaltigkeitsinitiative der deutschen Tourismusbranche. Gemeinsam mit dem Projektpartner United Against Waste wurden 55 Wochen lang in insgesamt drei Ländern, sieben Hotels und elf Restaurants Lebensmittelabfälle unter die Lupe genommen. Die Messung der anfallenden Abfallmengen im Lager, bei der Speisenzubereitung, der Rückläufe vom Buffet und der Tellerreste erfolgte mit einem Abfall-Analyse-Tool, um damit „Schwachstellen" in den Prozessen der Hotels erkennen und Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.
Probieren und studieren
Die enge Zusammenarbeit mit dem Küchen- und Servicepersonal sowie dem Hotelmanagement ist besonders am Start sehr wichtig. Denn genau sie sind gefragt, um konkrete Maßnahmen mit dem Projektteam zu entwickeln und im Hotelalltag umzusetzen. Seien es verbesserte Kommunikationswege zwischen Restaurant und Küche, die Verwendung kleinerer Wärmebehälter am Buffet, kleinere Teller und Löffel, eine bessere Beschilderung der Speisen und die Einrichtung von Live-Cooking-Stationen. Die Menge an gemeinsamen Ideen ist groß und die Effekte sind bemerkenswert.
Nachdem jedes Pilothotel die selbst aufgestellten Maßnahmen über einen Zeitraum von 55 Wochen umgesetzt hat, werden die Abfälle erneut gemessen. „Wir sehen dann genau, wo und wie Abfälle im Hotel vermieden werden konnten", erklärt Lehners mit Blick auf die Zahlen am Monitor. „Das Ergebnis ist toll. Ein Hotel konnte beim Mittagessen die Lebensmittelabfälle um 69,5 Kilogramm pro Woche senken. Das entspricht einer Einsparung von 40 Prozent. Diese Ergebnisse bestärken uns in unserer Arbeit", erklärt Lehners. Gerechnet aufs Jahr liegen die eingesparten Lebensmittel in dem Testhotel bei Frühstück (83 kg), Mittagessen und Abendessen (289 kg) immerhin bei rund 20.000 Kilo. Nun sollten möglichst viele Hotels nachziehen. Für 2018 plant Futouris weitere Hotels mit ins Boot zu holen und der Lebensmittelverschwendung im Urlaub somit den Kampf anzusagen.
Verbesserte Kommunikation reduziert Verschwendung
Der Gast hat einen großen Einfluss darauf, mit seinem Verhalten die Lebensmittelverschwendung im Urlaub zu reduzieren. Wer kennt nicht die folgende Situation: Man ist in einem schönen Urlaubshotel, die Auswahl am Buffet ist riesig und die Neugier, die ansprechenden Speisen alle auszuprobieren ebenso. Schnell ist der Teller vollgeladen und am Ende bleibt die Hälfte davon auf dem Teller zurück. Die Gründe hierfür sind zahlreich: Sei es, dass der Appetit größer war als das tatsächliche Magenvolumen oder man beim Probieren festgestellt hat, dass der Salat Zutaten oder Gewürze enthält, die man nicht verträgt. Durch präzise Informationen und Beschriftungen der Speisen wäre ein Teil dieser Tellerrückläufe vermeidbar.
Gastronomische Betriebe stellen neben der Bezeichnung des Gerichts bisher meist keine Informationen zu Speisen und Getränken zur Verfügung. Das soll sich durch einen neuen Leitfaden zur Gästekommunikation ändern: Gastronomiebetriebe erhalten 14 Instrumente an die Hand, mit denen sie Gäste klar über die Produktherkunft und Inhaltstoffe der Speisen informieren können. Lebensmittelverschwendung kann somit reduziert werden und der Verzehr nachhaltiger und regionaler Speisen wird gefördert. Die Kommunikationsinstrumente sind im vergangenen Jahr unter Leitung der MODUL University Vienna in sieben Partnerhotels von Futouris-Mitgliedsunternehmen auf Gran Canaria und in der Türkei getestet worden. Die Forscher platzierten zum Beispiel Sprechblasen und Food-Picker auf dem Buffet, informative Tischaufsteller und Platzdeckchen am Gästetisch sowie große Banner am Restauranteingang. Bei der Auswertung galt es, die Konsumwerte der beschilderten Produkte und die Gesamtmenge der essbaren Tellerreste zu erfassen und mit den zuvor erhobenen Basiswerten zu vergleichen. Die Wirksamkeit wurde bestätigt: Der durch Tellerreste verursachte Lebensmittelabfall sank um 15 Prozent pro Gast.
Handbuch enthält Vorlagen zum direkten Download
Mit einem kostenfreien Handbuch zur Gästekommunikation in deutscher und englischer Sprache stellt Futouris die Projektergebnisse der gesamten Tourismusbranche zur Verfügung. Hotels weltweit können darauf zugreifen und den Gast über das eigene nachhaltige Speisenangebot anschaulich und leicht verständlich informieren.
„Jedes Instrument steht als druckfertige Vorlage zum Download im Handbuch zur Verfügung und kann für jeden Betrieb individuell angepasst werden. Außerdem wird Schritt für Schritt erklärt, wie die Instrumente einzusetzen sind", erklärt Prof. Dr. Dagmar Lund-Durlacher, Vorstand des Instituts für Tourismus und Service Management an der MODUL University Vienna. „Ich bin davon überzeugt, dass wir damit für gastronomische Betriebe einen echten Mehrwert geschaffen haben."
Zudem steht Urlaubshotels weltweit der Futouris Leitfaden „Sustainable Food" mit wertvollen Tipps zum nachhaltigen Einkauf, Erstellung und Präsentation nachhaltiger Menüs bis hin zum Abfallmanagement zur Verfügung. Auch CSR-Manager, Kantinenbetreiber und Kongressveranstalter können sich hier wertvolle Anregungen holen. www.futouris.org
von Anja Renner und Silke Schmidt
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2018 - Digital in die Zukunft? Tierische Geschäfte! erschienen.
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