Sebastian Henkes
Technik | Energie, 01.05.2017
Die Energiewende spielerisch erfahren
forum besuchte die aktuelle Sonderausstellung des Deutschen Museums in München
Was hat ein jodelnder Flamingo mit der Energiewende zu tun? Und wie sieht eigentlich eine Supraleitung aus? Das können Besucher des Deutschen Museums in München bei der aktuellen Sonderausstellung energie.wenden erfahren. Das Besondere: Sie schlüpfen dabei in die Rolle eines Politikers – mit dem Auftrag, es in puncto Energiewende allen recht zu machen. Und das ist gar nicht so einfach …
Von den rund 2.800 Besuchern der Museumsinsel betreten täglich rund 1.000 einen dämmrigen und futuristischen Tunnel. Er schlängelt sich an der Außenwand des Deutschen Museums entlang. Darauf ist in großen Lettern ‚Auf zu großen Zielen‘ zu lesen. Am Ende des Tunnels: viel Licht, ein helles Gelb – und ein Blick in die Zukunft. energie.wenden, die aktuelle Sonderausstellung des Museums, bricht mit alten Traditionen. Hier erhält der Besucher nicht nur einen Blick in die Zukunft der Energienutzung, sondern erlebt auch in ein neues Ausstellungskonzept. Dieses verspricht mehr Interaktivität, eine stärkere politische Ausrichtung und eine attraktivere Gestaltung. Zeitreise durch die Energienutzung
Auf etwa 1.200 Quadratmetern erwarten den Besucher der Sonderausstellung 150 Exponate und neun Themenfelder zu wichtigen Bereichen der Energiewende. Eine Zeitreise führt zu Beginn entlang der zentralen Stationen der Energienutzung: Von den Anfängen mit Dampfmaschinen und fossilen Energieträgern geht es über die Hoffnung der 1960er-Jahre, die Kernkraft, bis hin zu den „grünen" Alternativen Solar-, Wind- und Wasserkraft. Doch da hört die Reise nicht auf. Auch Techniken der Zukunft, wie der Fusionsreaktor, werden gezeigt.
Interaktivität steht im Vordergrund
Mit jährlich rund 1,5 Millionen Besuchern ist das Deutsche Museum ein Dauerbrenner für Jung und Alt. Das Neue an der von den Kuratorinnen Sabine Gerber und Sarah Kellberg gestalteten Ausstellung energie.wenden ist die Interaktivität, mit der die Besucher zum Mitspieler der Ausstellung werden. An fast allen Stationen finden sich Elemente zum Anfassen, Ansehen, Anhören. Da gibt es sprechende Mülleimer, die über Recycling und den Cradle to Cradle-Ansatz informieren. Eine Modell-Stadt will vom Besucher per Dreh-Regler mit Energie versorgt werden – auf einem Bildschirm kann nachvollzogen werden, ob dabei Nutzungsengpässe entstehen. Deutsche Braunkohle oder kanadischer Ölsand erzählen dem Besucher, wie sie vor langer Zeit entstanden sind. Ein per Kurbel angetriebener Dynamo macht direkt erfahrbar, wie viel Energie nötig ist, um eine Energiesparlampe im Vergleich zu einer herkömmlichen Glühbirne zum Leuchten zu bringen. Diese interaktiven Elemente werden von den Besuchern gut angenommen – zu gut….. „Wir haben eine sehr aktive Ausstellung und sehr aktive Besucher. Dementsprechend geht schon mal was kaputt", erklärt dazu Kuratorin Sarah Kellberg.Besucher agieren als Politiker
Das Herzstück der Ausstellung und eine wirkliche Innovation ist ein interaktives Spiel, bei dem die Besucher in die Rolle eines Politikers schlüpfen können. Dazu bekommen sie eine Lochkarte in die Hand gedrückt – mit dem Auftrag, die „Energie zu wenden". Nun betreten sie einen Gang inmitten der Ausstellung, das „politische Parkett." Dort begegnen sie – auf Bildschirmen -- Menschen aus verschiedensten Bereichen der Energiebranche. Das Spektrum ist vielfältig: der Vertreter eines Autokonzerns, der Elektroautos verkaufen möchte; das Hausmeisterehepaar, das sich bei der energetischen Sanierung von Mietwohnungen alleine gelassen fühlt; bis hin zu einem Landwirt, der beim Anbau von Energiepflanzen unterstützt werden möchte.
Tritt der Besucher in seiner Rolle als Politiker an den jeweiligen Bildschirm heran, erwachen die Akteure zum Leben – und versuchen nun das Gegenüber von ihrem Standpunkt zu überzeugen. Danach geht es an den „Wahlautomaten". Hier hat der „Politiker" nun drei Alternativen und muss schwere Entscheidungen fällen. Beispiel Elektromobilität: Er kann eine bestimmte Quote an Elektroautos bei den Neuzulassungen festlegen, den Kauf von Elektroautos mit einer Prämie fördern oder aber stattdessen den ÖPNV ausbauen. Seine Entscheidung wird auf der Lochkarte vermerkt und anschließend von Interessensgruppen kommentiert. Nun heißt es „Lasse ich mich davon beeinflussen oder bleibe ich bei meinem Standpunkt?" Das Beispiel Elektromobilität zeigt: Nie werden alle zufrieden sein. Fördere ich E-Mobilität, freuen sich die Chemikerin, die an Batterien forscht und der Vertreter des Autokonzerns. Fördere ich hingegen den ÖPNV, sind beide wenig begeistert. Dafür freut sich dann das Hausmeisterehepaar.
Die Ausstellung ist für das Deutsche Museum ungewohnt politischKuriositäten
Neben allem gegebenen Ernst schafft es die Ausstellung, die Thematik anschaulich, attraktiv und humorvoll zu vermitteln. Dafür sorgt neben der angesprochenen Interaktivität das freundliche Gelb, das die Gestaltung der Ausstellungsräume dominiert. Zwischen den Exponaten finden sich immer wieder Kuriositäten, die den Besucher zum Schmunzeln bringen. An der Station „Gekauftes Glück" werden Gegenstände ausgestellt, die Besucher mitgebracht haben. Die dort gezeigten Gegenstände sind zwar charmant – aber vor allem sinnlos und damit im Grunde ein Sinnbild für die Verschwendung von Ressourcen. Wer braucht schon einen jodelnden Flamingo oder die batteriebetriebene Miniatur einer winkenden Queen Elizabeth?
Skurril mutet auch die letzte Station des Rundgangs an, die Energieforschung aus dem Jahr 3049. Aus der Perspektive eines Archäologen der fernen Zukunft werden hier mit einem Augenzwinkern für uns ganz alltägliche Gegenstände gezeigt. Zum Beispiel eine Lederhose. Der Begleittext dazu erklärt, dass das Oktoberfest bis 2052 als das größte Volksfest der Welt galt – obwohl Fernreisen nur bis in die 2030er-Jahre üblich waren. Oder etwa Einschlüsse im sogenannten Ethylen-Tetrafluorethylen-Copolymer (EFTE), einem durchsichtigen Kunststoff, der gewissermaßen als Bernstein der Zukunft den Forschern im 31. Jahrhundert unsere versunkene Epoche nahebringt.
So geht der Besucher am Ende nicht nur informiert aus der Ausstellung heraus, sondern mit dem Gefühl, dass in Sachen Energiewende noch nicht alles verloren ist. Er muss das Schicksal nur selbst in die Hand nehmen.
Sebastian Henkes
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2017 - Wie ernähren wir uns in Zukunft? erschienen.
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