E-Racing
Von der Rennstrecke zum Kunden
Null-Nummer oder Spitzenreiter?
Andere Länder sind bereits weit voraus! In Norwegen liegt der Anteil an E-Fahrzeugen durch geeignete Maßnahmen der Regierung schon bei knapp 50 Prozent, und auch weitere, in denen die Autolobby weniger stark ist, berichten steigende Zulassungszahlen. Im Autobau liegt Deutschland nicht mehr unangefochten an der Weltspitze. Denn da ist beispielsweise dieser gehasste und dennoch geliebte US Hersteller, der fröhlich seine Luxus-Stromer verkauft, mit einem SUV den Markt bedient, demnächst einen Mittelklassewagen an den Start bringt und auch schon davon spricht, einen Kleintransporter und einen Supersportler in der Fahrzeugentwicklung zu berücksichtigen. Nebenbei baut dessen Chef, Elon Musk, in Kooperation mit Panasonic eine eigene Fabrik für Fahrzeugbatterien und Heimspeicher – die größte ihrer Art. Der Mann glaubt eben an seine Ideale und hat eine Vision, für die er offensichtlich das benötigte Kapital beschaffen kann. Während Tesla mit hervorragenden Kommunikationsmaßnahmen und Innovationen den Markt bespielt und dabei unzählige Jünger an sich bindet, kommen die etablier- ten Automarken nur langsam vom Bremspedal. Sie bieten wenige E-Fahrzeuge an, zudem schürt die noch fehlende Infrastruktur an Ladestationen bei den Verbrauchern Reichweitenängste. Auch die aktuellen Preise sind, trotz der im Mai 2016 beschlossenen Förderung von Elektrofahrzeugen, immer noch verhältnismäßig hoch. Aktuelle Zahlen belegen, dass das Förderangebot im Großen und Ganzen wenig Akzeptanz findet. Gut gedacht, schlecht gemacht! Hier waren bei der Entwicklung und Kommuni- kation der Fördermaßnahmen wohl keine geübten Beratungsunternehmen oder Markt- und Werbe-psychologen mit von der Partie. Tesla aber hat voll gepunktet. In den Vereinigten Staaten sind Elektro-fahrzeuge aus dem Supersportsegment ein Hit und Hollywood macht’s vor: Leonardo di Caprio war beispielsweise einer der ersten, die sich den Tesla Roadster, einen auf „elektro" umgebauten Lotus Elise, zugelegt hatten.
Von der Rennstrecke auf die Straße
Vielleicht können die europäischen Herstel- ler einen neuen Weg gehen, um Terrain zurückzugewinnen. Was bietet sich mehr an, als den bewährten Motorsport, als Zeugnis für Kompetenz, Mut zur Veränderung und Innovationsfähigkeit zu nutzen? Hier könn-ten die Player aus der Automobilindustrie vor einem breit gefächerten Publikum beweisen, was in ihren Technologien steckt und wohin der Weg gehen könnte. Von der Rennstrecke auf die Straße – das weckt Interesse, schafft Vertrauen, begeistert und unterstützt Kaufentscheidungen. Erste Schritte, hin zu internationalen Wettbewer- ben mit rein elektrisch angetriebenen Fahrzeugen, sind bereits getan. Einst noch mit Showläufen in konventionellen Renn-veranstaltungen eingebunden, geht der Elektro-Rennsport nun eigene Wege. Indoor-Kart-Bahnen sind bereits etabliert und wir staunen nicht schlecht: Es sind immer mehr Frauen – vom jungen Mädchen bis zur gestandenen Mutter – unter all denen, die sich hinter das Steuer eines E-Karts wagen. Nicht selten übertönen sie dabei kreischend vor Begeisterung und Freude über die eigene Geschwindigkeit das leise Summen der E-Motoren und die Abrollgeräusche der Reifen.
Zeigen, was geht
Ob auf vier oder zwei Rädern, ob auf der Straße oder als E-Crosser im Off-Road-Bereich – Elektrofahr- zeuge sind im Rennsport immer öfter zu finden. Die FIA (Fédération Internationale de l‘Automobile) ist bereits dabei, den Motorsport in neue Bahnen zu lenken. Die FIA Formula E hat sich mittlerweile einen Namen gemacht und startete am 9. Oktober in ihre dritte Saison. Mit diesen Rennen durch die Straßen von Weltmetropolen wird die Werbetrommel für den Technologiewechsel kräftig gerührt. Selbst auto- nom fahrende Vehikel, die Robocars, haben ab der Saison 2016/2017 beim sogenannten Roborace ihren Platz im Rahmenprogramm der Formel E gefunden. Namhafte Technologiepartner wollen in der Formel E dabei sein, denn wer sich auf der Rennstrecke durch zuverlässige Komponenten bewährt, wird im Automotivbereich zunehmenden Absatz finden. Schon 2009 wurde der TTXGP (Time Trials Extreme Grand Prix) als erster Wettbewerb für E-Motorräder ins Leben gerufen und fährt noch heute im Rahmen der Tourist Trophy auf der Isle of Man, einem der waghalsigsten Straßenrennen der Welt. Generell las- sen sich die Erkenntnisse hieraus zu einem großen Teil auch auf vierrädrige E-Fahrzeuge übertragen, da die einzelnen Komponenten im Gesamtsystem eines elektrifizierten Antriebsstranges auf ähnliche Wei- se zusammenarbeiten. Auch die FIM (Fédération Internationale de Motocyclisme), als Dachorganisation des Zweiradrennsports, hatte 2010 die Zeichen der Zeit erkannt und rief die FIM ePower ins Leben. Da aber bis 2013 das Starterfeld immer wieder zu klein ausfiel, hatte man sich kurzerhand dazu entschlos- sen, diese Rennserie auf Eis zu legen. Begraben wurde aber noch nichts. Die dritte Generation des E-Motorrad-Rennsports folgte 2014 mit der MotoE, der einzigen Europa-Rennserie. Die Ziele sind klar gesteckt: Entwicklungsarbeit wird vom Labor auf den Rundkurs gebracht. In der MotoE gehen insbesondere Universitäten mit ihren Prototypen an den Start und werden dabei von Technologie- unternehmen begleitet und unterstützt. Die MotoE fuhr in der Saison 2016 dreimal als sogenannte Support Class im Rahmen der Superbike IDM und der Deutschland-Lauf auf dem Schleizer Dreieck begeisterte knapp 30.000 Besucher, die nicht mehr aus dem Staunen kamen, als die E-Boliden spektakulär an ihnen vorbeizischten – kraftvoll, schnell und zuverlässig. Standing Ovation für alle Teams! E-Rennsport ist leise und findet deshalb immer mehr Akzeptanz bei neuen Zielgruppen. An der Strecke kann man verstehen, welche Informationen von den Streckensprechern gegeben werden, Gespräche mit Freunden oder Geschäftspartnern werden nicht von nahezu unerträglichem Lärm unmöglich gemacht und dennoch wird ein spannendes Spektakel geboten. E-Racing wird zum Happening für die ganze Familie.
Steigen nun auch die Großen ein?
Die Autohersteller wissen, dass die Renn- strecke ein geeignetes Werkzeug ist, um Laborergebnisse praxisnah zu testen, ein-gesetzte Komponenten zu evaluieren und dauerhaft weiter zu entwickeln – von der Markenpräsenz ganz zu schweigen. Renault, Jaguar, Audi und BMW engagieren sich bereits in der Formel E. Volkswagen zeigt Interesse daran, den Rallye-Sport mit Elek- trofahrzeugen zu revolutionieren und im Rahmen der FIA Formel E sollen die ersten E-Golfs in einer neuen Tourenwagen-Renn- serie ihre Runden drehen. Nicht zuletzt wird schon bald eine GT-Serie mit dem Tesla Model S eingeläutet. Und die Rennstrecken- betreiber? Es gibt erste Ansätze, Rundstreckenkurse auf einen nachhaltigen Betrieb umzustellen. Die Verantwortlichen der Natur-Rennstrecke Schleizer Dreieck haben den Trend bereits erkannt und wollen den Weg konsequent gehen. Ein riesiges Solarkraftwerk inmitten des Rundkurses schafft beste Voraussetzungen, kommende E-Rennen mit Sonnenenergie klimaneutral gestalten zu können. Die geeignete Infrastruktur in der Boxengasse wird gewiss nicht lange auf sich warten. Es wird also spannend und neue Player, wie Tesla Motors, Zongshen, BYD oder der italienische Batterie-Hersteller CRP wollen auf der Rennstrecke beweisen, dass es auch anders geht – eben rein elektrisch, gespeist aus der Kraft der Natur, ohne viel Lärm und vor Ort CO2-neutral.
www.fiaformulae.com | www.e-formel.de (Deutsch)
Die „German Angst"
Obwohl 80 Prozent der autofahrenden Bevölkerung im Durchschnitt nur knapp 40 Kilometer am Tag zurücklegen, herrscht landauf und landab die Reichweitenangst. Geeignete Elektroautos bieten durch- schnittliche Reichweiten ab circa 150 Kilometern. Das reicht meist für drei Tage und mehr, bevor das Fahrzeug daheim oder beim Arbeitgeber wieder an die Ladestation gehängt werden muss. Um die befürchtete Reichweitenangst der Endverbraucher beiseiteschaffen zu können, werden Hybridfahr- zeuge entwickelt. Verbrennungsmotoren dienen u.a. als Generatoren zum Laden der Fahrzeugbatterie und ermöglichen somit höhere Reichweiten.
Stephan Schnabelmaier ist glühender Verfechter der E-Mobilität, mit Fokus auf besucherstarke Veranstaltungen, wie den Elektro-Rennsport. Mit seiner Event- und Projektagentur „e-motors" engagiert er sich für die Umstellung konventioneller Mobilität auf Elektrofahrzeuge. Ziel ist es hierbei, den Paradigmenwechsel, hin zu klimafreundlichen Technologien, einem breit gefächerten Publikum zu präsentieren. Deshalb hat er auch die Deutschlandvertretung der MotoE (London) übernommen.
www.e-motors.de
Technik | Mobilität & Transport, 01.11.2016
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2016 - Klima, Krieg und gute Taten erschienen.
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