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2014 müssen Zahlen auf den Tisch

Klimakonferenzen können nicht mehr ergebnislos enden

Internationale Klimaverhandlungen erinnern an ein ewiges Schachspiel mit Pattsituationen. Wie realistisch ist eine Einigung bei der nächsten Konferenz?

Foto: © dimasobko - Fotolia.com
Die Weltklimakonferenz in Warschau rückt näher. Im November müssen die Diplomaten bei der nächsten Zusammenkunft des United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) zu klaren Beschlüssen kommen. Sonst wird es eng für den Zeitplan, 2015 in Paris einen Nachfolger für das Kyoto-Abkommen zustande zu bringen. Ob die vergangene Konferenz in Bonn eine gute Vorbereitung für Warschau war, hängt von der Perspektive ab und davon, welchen der Konferenzstränge man betrachtet.

Ein Desaster war der Verhandlungsabbruch im Subsidiary Body for Implementation (SBI), der Organisation des Kyoto-Protokolls, in der die Länder Umsetzungsfragen verhandeln. Russland, die Ukraine und Weißrussland hatten schon die Annahme der Tagesordnung blockiert, Verhandlungen fanden nicht statt. Als Grund gaben die drei Länder an, der Vorsitzende der letzten Konferenz in Doha habe ihre Meldungen am Ende der Konferenz mit Absicht übersehen, um das Abschlussdokument durchzupeitschen. Dies hat Tradition bei Klimakonferenzen: In einer legendären Nachtsitzung begrub der Vorsitzende die Widerspruchsversuche der Teilnehmer unter seinem niedersausenden Hammer, sonst wäre das Kyto-Protokoll 1997 nicht zustande gekommen. Doch die Wirtschaft der drei Blockiererländer ist abhängig von Kohle, Öl und Gas. Da kam die Verletzung des Konsensprinzips im UNFCCC gerade recht.

Ausgleich für Entwicklungsländer bisher leere Versprechen

Zum Glück ist der SBI nicht so wichtig für das oberste Ziel der Klimakonferenzen, die Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen. Ein Problem bringt der Abbruch der Verhandlungen aber für die armen Ländern. Denn auf der Tagesordnung stand neben vielen Kontrollfragen, für die der SBI zuständig ist, auch der für die Entwicklungsländer enorm wichtige Punkt "Loss and Damage". Das sind die Ausgleichsmaßnahmen für Verluste und Schäden durch den Klimawandel. Die reichen Länder hatten die Hilfen bereits zugesagt, es gibt aber weder einen Fahrplan noch konkrete Finanzzusagen.

"Wir hoffen, dass die UNFCCC kein United Nations Framework on Conversation wird. Was wir brauchen, sind Beschlüsse", kommentierte Meena Raman vom Third World Network die Verzögerung bei "Loss and Damage". Es sei der einzige Hoffnungsschimmer in Doha gewesen, der nun blockiert wurde. Meena Ramans Aussage steht stellvertretend für viele bittere Stimmen aus den am wenigsten entwickelten Staaten, den "Least Developed Countries" (LCD-Gruppe) oder dem sogenannten AOSIS-Bündnis der kleinen Inselstaaten.

Kyoto-Nachfolge-Gremium ist bisher ein Debattierclub

Das wichtigste Ziel, die Reduktion der Klimagase, besprachen die Diplomaten in Bonn in einem zweiten Verhandlungsstrang, der Ad Hoc Working Group on the Durban Platform for Enhanced Action (ADP). Die ADP arbeitet am Kyoto-Nachfolger, in dem sich alle Staaten der Erde zu einer verbindlichen Reduktion des Kohlendioxidausstoßes ab 2020 verpflichten. Herausgearbeitet sind die Positionen, wie man die Reduk?tionsziele für die Zeit nach 2020 bewertet, damit sie wirklich fair und ausgeglichen sind. Die Entwicklungsländer fordern, diese Kriterien vorher festzulegen, weil die Ziele wohl nicht ausreichen werden, um das globale Zwei-Grad-Ziel zu erreichen.

Vier Gesichtspunkte müsste der Kyoto-Nachfolger nach bisherigem Stand der Debatte berücksichtigen: Erstens den historischen Gesamtausstoß pro Kopf eines Landes, zweitens das Wohlstandsniveau pro Kopf, gemessen etwa am Bruttosozialprodukt, drittens den Entwicklungsbedarf (betrifft nur ärmere Länder). Viertens müsste man alle geleisteten Reduktionsversprechen mit den nötigen Gesamtreduktionen abgleichen, um die Größe der Lücke zu berechnen.

Allerdings ist der ADP bisher ein Debattierclub. Die Stunde der Wahrheit schlägt 2014, wenn laut Beschlüssen vorheriger Konferenzen die Reduktionsziele neu angeschaut werden und Zahlen auf den Tisch kommen müssen. "Nicht einmal die Europäische Union ist bereit, ihr bisheriges Klimaschutzziel von 20 Prozent Reduktion bis 2020 auf 30 Prozent anzuheben", sagt Jan Kowalzig von Oxfam. "Die Europäische Union und die übrigen Industrieländer gefährden damit das wichtige Ziel, die globale Erwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen." Auch hier sind es die Kohleländer wie Polen, die ein stärkeres Engagement blockieren.

Wir steuern auf vier Grad Erwärmung zu

Tatsächlich muss es bei den Selbstverpflichtungen bis 2015 gewaltige Fortschritte geben. Wenn man nämlich alle bisher von den Ländern zugesagten Reduktionsziele in Betracht zieht, steuert die Erde auf eine Erwärmung von vier Grad zu. Davor hatten die Internationale Energieagentur und die Weltbank kürzlich gewarnt.

Dennoch antworteten die Vertreter der EU bei der Bonner Konferenz ausweichend auf die Frage nach ihrer Selbstverpflichtung: "Das 30-Prozent-Ziel liegt noch auf dem Tisch. Wir haben gesagt, dass wir es einlösen, wenn andere vergleichbare Anstrengungen unternehmen", sagte etwa David Walsh aus Irland. "Ein 20-Prozent-Ziel bei internationalen Verhandlungen bedeutet ja nicht, dass man zu Hause nicht mehr macht", sagte Delegationsleiter Jürgen Lefevere. Nur zur Erinnerung: Die EU hat bis heute schon eine Reduktion von genau 18,4 Prozent gegenüber 1990 erreicht. Für 2030 sind nur 40 Prozent im Gespräch, Greenpeace beispielsweise fordert mindestens 55 Prozent.

Ban Ki Moon lässt Regierungschefs antreten

Doch bald werden die Industriestaaten Farbe bekennen müssen, wie weit ihr Engagement für den Klimaschutz wirklich geht - wahrscheinlich schon im September 2014 bei einem Zwischengipfel auf Einladung von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Er hatte 2012 angekündigt, die Regierungschefs zusammenzurufen, "um den politischen Willen für einen neuen Klimavertrag zu mobilisieren". Spätestens bei der übernächsten Klimakonferenz Ende 2014 in Lima müssen Zahlen auf den Tisch, damit die Diplomaten das neue Klimaabkommen ein Jahr später in Paris verabschieden können.

Christiana Figueres, die Generalsekretärin der UNFCCC, versuchte den Rückschlag im SBI positiv zu sehen und nannte es eine Herausforderung, in Warschau innerhalb einer Woche den Rückstand von zwei Wochen in Bonn aufzuholen. Doch der Prozess der Klimaverhandlungen bleibt schwerfällig, ganz besonders jetzt, wo Russland auf die strikte Einhaltung des Konsensprinzips pocht.

Zeit ist Luxus

Für die Reduktion der Klimagase gibt es noch zwei weitere hoffnungsvoll stimmende Initiativen abseits des UNFCCC-Parketts. Die USA und China kamen im Juli überein, die Emission von Klimagasen zu reduzieren. Präsident Obama hat sich dazu auf Maßnahmen besonnen, für die er die Zustimmung der Republikaner im Kongress nicht braucht. So finanziert die staatliche Exim Bank, einer der weltgrößten Geldgeber für Kohlekraftwerke, Projekte im Ausland künftig nur noch in Ausnahmefällen. Die USA und China wollen außerdem die klimaschädlichen HTC-Gase reduzieren, die man einst als Ersatz für die die Ozonschicht gefährdenden FCKW einführte. China hat selbst ein großes Interesse, die Luftverschmutzung durch Kohleverbrennung in den Griff zu bekommen.

Vielleicht bringt auch der Club der Erneuerbaren, den der deutsche Umweltminister im Sommer gründete, den Prozess voran. Peter Altmaier hatte im Sommer neun Länder mit vorbildlichem Engagement in der Energiepolitik um sich geschart. Nicht ausgeschlossen, dass sie eine neue Dynamik im weltweiten Engagement für erneuerbare Energien entfalten. Allerdings treffen sich die Clubmitglieder erst wieder im Januar 2014. Die Zeit, die noch bleibt, um die Klimaziele zu erreichen, schwindet. Und dazu sagte Ronny Jumeau, Klimawandel-Botschafter der Seychellen, bei der Bonner Konferenz treffend: Zeit ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können.

 
 

Ist das 2-Grad-Ziel noch zu erreichen?

Wächst der CO2-Ausstoß weiter wie bisher (business as usual), wird er im Jahr 2020 rund 56 Gigatonnen jährlich betragen. Zum Vergleich: Im Jahr 2011 betrug der weltweite Ausstoß 34 Gigatonnen.

Nach dem aktuellen Verhandlungsstand ergeben alle bisherigen Zusagen zur Kohlendioxid-Reduktion zusammen bis 2020 eine maximale Minderung von sieben Gigatonnen. Darin sind allerdings auch mögliche, vertraglich nicht bindende, Reduktionen enthalten.

Bindende Verpflichtungen ergeben sich bisher allein aus dem Kyoto-Protokoll. Es sieht eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes in den Industrienationen (den so genannten Annex-I-Staaten) vor - von 2008 bis 2012 um fünf Prozent gegenüber 1990. Im zweiten Geltungszeitraum von 2013 bis 2020 haben sich diese Staaten zu einer Reduktion um 18 Prozent verpflichtet.

Allerdings hat der heute zweitgrößte Emittent von CO2, die USA, das Abkommen nie ratifiziert. China, der weltgrößte Emittent, ist kein Annex-1-Land, es bestehen also keine Reduktionsverpflichtungen aus dem Kyoto-Vertrag.

Aus allen addierten Zusagen (verpflichtende und nicht-verpflich?tende) käme man also laut UNEP im günstigsten Fall weltweit auf eine Ausstoßmenge von 49 Gigatonnen (56 minus 7) im Jahr 2020.

Um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, dürfen es aber nur 44 Gigatonnen sein, es wären also zusätzlich mindestens 5 Gigatonnen mehr Reduktionen notwendig.

Ob das realistisch ist, wird von vielen Seiten bezweifelt. Auf jeden Fall muss es auch nach 2020 weitere Reduktionen geben, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Die UNEP geht von einer durchschnittlichen Rate von minus drei Prozent pro Jahr aus. Sie muss umso größer sein, je höher die Emissionen vor 2020 waren. Im Jahr 2050 müsste der CO2-Ausstoß dann um 50 bis 60 Prozent unter dem Niveau von 1990 liegen.

Mehr Informationen gibt es im UNEP Emissions Gap Report online unter www.unep.org.
 
 
Von Susanne Ehlerding
 
 

Zum Weiterlesen:



So schützen Unternehmen das Klima

Umweltminister a.D. Klaus Töpfer zum Klimaschutz: "Wir können beim besten Willen nicht zufrieden sein"

Der Weg zur Klima-Stadt

Quelle:
Umwelt | Klima, 16.10.2013
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2013 - Hallo Klimawandel erschienen.
     
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