Sicherheit in der Freiheit
Eine Genossenschaft für Selbstständige
Viele Menschen möchten ihr eigener Chef
sein. Doch die großen Risiken, von Zahlungsausfällen bis Krankheiten
und hohe Kosten für die Sozialversicherung legen den Selbstständigen oft
Steine in den Weg. Die Genossenschaft SMartDe eG hat ein Modell
entwickelt, welches die autonom Arbeitenden in diesen Aspekten
unterstützt.
Selbstbestimmtes Arbeiten – und am besten auch
noch unter Palmen – eine (realisierbare) Traumvorstellung. Es ist der
Traum von Flexibilität, Freiheit und Selbstverwirklichung. Kein Wunder,
dass immer mehr Menschen den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Die
langjährige Studie der IFB Uni Erlangen-Nürnberg beweist, dass sich der
Arbeitsmarkt seit Beginn der Aufzeichnungen 1992 rasant verändert hat:
Die Zahl der Selbstständigen steigt jährlich an und liegt mittlerweile
bei circa 1,5 Millionen. Das statistische Bundesamt geht dabei sogar von
2,2 Millionen so genannten Solo-Selbstständigen aus, die ohne
Angestellte tätig sind. Also 2,2 Millionen Menschen, die genau wissen,
wie es ist, wenn ein wichtiger Auftraggeber wegbricht oder
Krankenversicherung, Steuererklärung und Mahnwesen den letzten Nerv
rauben. Und dann kommen die Sorgen vor dem Einschlafen: „Wie komme ich
an neue Kunden? Wie schaffe ich allein die ganze Arbeit? Wie sichere ich
mich im Alter ab? …?" Hier möchte die SMartDE Genossenschaft eine
Lösung bieten.
Ziemlich smart – die SMartDe eG
„Viele SMartDe-Mitarbeitende haben jahrelang
in der Kultur- und Kreativwirtschaft gearbeitet, in der Selbstständige
immer wieder vor den gleichen Herausforderungen und Schwierigkeiten
stehen", erklärt Magdalena Ziomek, Geschäftsführerin und Vorstand von
SMartDe. Um eine Lösung für die prekäre Situation von Kultur- und
Kreativschaffenden zu bieten, gründete das Team eine Genossenschaft.
Ganz neu war die Idee nicht: Bereits seit 1998 existiert das
Vorbildmodell in Belgien, welches mittlerweile über 26.000 Mitglieder
zählt.
Schnell wurde deutlich, dass das Modell von
SMartDe nicht nur für die Selbstständigen im Kulturbereich attraktiv
ist, sondern für fast alle Anbieter von zulassungsfreien
Dienstleistungen. Das Spektrum reicht hier von Selbstständigen in der
Plattform-Ökonomie (Gig-Worker) über freie PR-Berater bis hin zu
Pizzalieferanten und Kurierfahrern. Für diese Zielgruppen bietet die
Genossenschaft zahlreiche Dienstleistungen. Somit erwirtschaftete
SMartDe im letzten Jahr bereits einen Umsatz von knapp zwei Millionen
Euro.
Ein Konzept für Demokratie, Zusammengehörigkeit und Solidarität
SMartDe hat ein Modell entwickelt, wo die
Mitglieder ihre Aufträge über die Genossenschaft abwickeln: SMartDe
stellt die Rechnung an die Kunden der Selbstständigen und die Mitglieder
werden auf Basis ihrer Einnahmen von der Genossenschaft angestellt. „Als sozialversicherungspflichtige Angestellte der Genossenschaft haben
die Genossen einen viel größeren sozialen Schutz als Selbstständige",
erklärt Alicja Möltner, Vorstand und stellvertretende Geschäftsführerin,
„denn über uns zahlen sie automatisch in die gesetzlichen Kranken-,
Pflege-, Renten-, Arbeitslosen- und Unfallversicherungen ein." So
gesehen ist die Genossenschaft Arbeitgeber für seine Mitglieder. Die
Mitglieder erwirtschaften mit ihren Aufträgen Geld, welches ihnen als
Gehalt inklusive der Lohnnebenkosten ausgezahlt wird. Ein Teil des
erwirtschafteten Geldes wird als Puffer für Zeiten von
Auftragseinbrüchen angespart.
Während sich die Mitglieder somit
verpflichten, Aufträge zu akquirieren und abzuwickeln, übernimmt SMartDe
das wirtschaftliche Risiko. Die Mitglieder können sich durch die
soziale Absicherung voll und ganz auf die Arbeit konzentrieren und durch
die Verstetigung der Aufträge ihre Umsätze langfristig steigern.
Kein einfacher Weg
Trotz gründlicher Überlegungen und bereits
gesammelter Erfahrungen begegnet auch SMartDe immer wieder
Komplikationen. Zum Beispiel: Wie verhält es sich mit der Umsatzsteuer
bei grenzüberschreitenden Leistungen der Mitglieder? Oder: Welcher
Status von angestellt, selbstständig bis hin zur Absicherung über die
Künstlersozialkasse (KSK) ist in welchem Fall vorteilhaft? Im Vergleich
zur KSK bietet SMartDe das Gesamtpaket eines gemeinschaftlichen
Unternehmens und auch den Schutz des Arbeitgebers. Wenn sich jemand
bewusst für die KSK entscheidet, begleitet SMartDe seine Mitglieder auch
auf diesem Weg. So können die Selbstständigen selber entscheiden, wie
sie fürs Alter vorsorgen.
Neben internen Herausforderungen und
kritischen Stimmen gibt es aber auch Probleme auf der politischen Ebene.
Es mangelt in den Augen der SMartDe-Geschäftsführerin Magdalena Ziomek
noch an politischer Unterstützung für kooperative Geschäftsmodelle und
der Schaffung eines Bewusstseins für faire Auftragsbedingungen in der
Wirtschaft. „Leider fehlt es uns – ebenso wie vielen anderen
Genossenschaften – immer noch an Anerkennung", klagt Magdalena Ziomek.
„Gerade wenn es um Förderprogramme oder die Kreditvergabe bei Banken
geht."
Dass Genossenschaften dennoch immer mehr
Anerkennung und Zulauf finden, zeigen auch andere Beispiele wie
Energiegenossenschaften, Fairbnb (eine Alternative in der
Ferienwohnungsvermittlung) oder die Produktiv-Genossenschaft Mondragón.
Alle Genossenschaften setzen auf Solidarität, Partnerschaftlichkeit und
Kooperationen. Denn nur durch Zusammenarbeit kann die Welt von morgen
gestaltet werden.
Lennart Zech ist Journalist und setzt sich mit
seinem Einzelunternehmen „Einblick in Welten Kommunikation" sowie als
neuer Redaktionsmitarbeiter bei forum ganzheitlich und nachhaltig für den Wandel ein.
Gesellschaft | WIR - Menschen im Wandel, 01.03.2021
Dieser Artikel ist in forum 01/2021 - SOS – Rettet unsere Böden! erschienen.
Pioniere der Hoffnung
forum 01/2025 ist erschienen
- Bodendegradation
- ESG-Ratings
- Nachhaltige Awards
- Next-Gen Materialien
Kaufen...
Abonnieren...
06
FEB
2025
FEB
2025
14. Kongress Klimaneutrale Kommunen 2025
Der Fachkongress für die kommunale Energiewende - Ticket-Rabatt für forum-Leser*innen!
79108 Messe Freiburg
Der Fachkongress für die kommunale Energiewende - Ticket-Rabatt für forum-Leser*innen!
79108 Messe Freiburg
06
FEB
2025
FEB
2025
Konferenz des guten Wirtschaftens 2025
Mission (im)possible: Wie Unternehmen das 1,5-Grad-Ziel erreichen
80737 München
Mission (im)possible: Wie Unternehmen das 1,5-Grad-Ziel erreichen
80737 München
11
FEB
2025
FEB
2025
Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht
Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol
Politik
Keine Zeit für Klimaschutz?Christoph Quarch erinnert zur COP29 daran, trotz Regierungskrise, Wirtschaftskrise, Inflation und Krieg in der Ukraine eine effiziente Klimapolitik zu verfolgen
Jetzt auf forum:
Fällt der Klimaschutz dem Wahlkampf zum Opfer?
Was erreicht man damit, wenn man eine Social-Media-Plattform boykottiert?
"Verantwortung übernehmen – für Produkte und Ressourcen"
Gemeinsam stark: Primono und Anker SOLIX
Die Geheimnisse der Papierindustrie
one WORLD - PFISTERER bündelt soziale Projekte unter einem Dach