BIP-Wachstum bedeutet nicht gleich mehr Glück
Warum uns unsere wirtschaftliche Entwicklung nicht automatisch glücklicher macht
Ob IWF-Chefin Christine Lagarde, MIT-Professor Erik Brynjolfsson, Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz oder Kanzlerin Angela Merkel – immer mehr führende Meinungsbildner und Intellektuelle scheinen sich einig zu sein: BIP-Wachstum eignet sich nicht zur Beschreibung der wirtschaftlichen Leistung einer Volkswirtschaft, und schon gar nicht als Maß für gesellschaftliches Wohlergehen.
In den vergangen 70 Jahren wurde die Welt von einem zentralen Paradigma bestimmt: Wachstum bedeutet Entwicklung. Und der beste Indikator zur Quantifizierung von Fortschritt in diesem Kontext ist das Bruttoinlandsprodukt eines Landes – sein BIP. Als Gesamtwert der im Inland erzeugten Waren und Dienstleistungen war BIP-Wachstum gleichbedeutend mit mehr Jobs, mehr Geld, mehr Wohlergehen, mehr Entwicklung.
Doch bereits in den 1930er Jahren warnte Simon Kuznets als Erfinder davor, dass das BIP nicht als geeignetes Maß für die Entwicklung eines Landes diene. BIP-Wachstum und gesellschaftliche Wohlfahrt seien sogar zwei Variablen, die sich durchaus in entgegengesetzte Richtung verändern könnten.
Das bringt uns in die Gegenwart und zum eigentlichen Problem: Das Paradigma funktioniert nicht. Seit 1980 ist die Weltwirtschaft um 380 Prozent gewachsen, während die Anzahl der in Armut bzw. von weniger als fünf US-Dollar am Tag lebenden Menschen um mehr als 1,1 Milliarden angestiegen ist. Das ist mehr als jeder siebte Mensch auf diesem Planeten – so viel zum Trickle-Down-Effekt und allgemeinem Wohlstand.
Schlimmer noch: Erst kürzlich veröffentlichte Oxfam einen Bericht, nach welchem die 62 reichsten Menschen so wohlhabend sind wie die ärmsten 3,6 Milliarden. Und der enorme Abstand wächst weiter. Gleichzeitig verbrauchen wir schon heute 50 Prozent mehr Naturressourcen, als die Erde uns langfristig zur Verfügung stellen kann. Auch hier ist die Tenden steigend.
Ob Klimawandel, Ressourcenverknappung oder Verlust von Biodiversität – die Auswirkungen menschlichen Handelns auf den Planeten und seine Ökosysteme sind allgegenwärtig und höchst alarmierend. In Anbetracht der zugrundeliegenden sozialen Ungleichheiten und größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich müssen wir uns deshalb zwangsläufig die Frage stellen, was das für unser Wachstumsparadigma bedeutet.
Mein Vorschlag: Stellen wir das BIP-Wachstum hinten an und konzentrieren uns fortan auf Glück. Wir brauchen ein alternatives Fortschrittsmodell, welches vor allem die Nachhaltigkeit und Qualität von Entwicklung bewertet und damit Menschen und Erde gleichermaßen an oberste Stelle setzt.
Beim Blick auf erste Konzepte zur Messung von Glück und allgemeinem Wohlbefinden zeigt sich ein interessantes Bild: Mehrere Entwicklungsländer belegen die vorderen Plätze – und das ganz ohne ein Pro-Kopf-BIP von 50.000 US-Dollar. Beispielsweise der Happy Planet Index listet Länder entsprechend ihrem empfundenen Wohlbefinden, der Lebenserwartung sowie dem ökologischen Fußabdruck. Mit gerade mal einem Viertel des durchschnittlichen Einkommens der USA findet sich Costa Rica neben weiteren Staaten Lateinamerikas am oberen Ende der Liste wieder.
Zwar verfügen Staaten wie Dänemark und die Schweiz über höhere Werte bei empfundenem Wohlbefinden, doch zerschießen die enormen ökologischen Fußabdrücke die Gesamtbilanz. Und nicht erst seit COP21 wissen wir, dass der Überkonsum des Globalen Nordens unseren Planeten in Gefahr bringt.
Laut Verbraucheruntersuchungen teilen 70 Prozent der Menschen in Ländern mit mittlerem bis hohem Einkommen diese Meinung über die besorgniserregenden Implikationen ihres Konsumverhaltens. Eine ähnlich große Mehrheit ist sich dabei sicher, dass es keinen Einfluss auf das persönliche Glücksempfinden hätte, würden sie weniger einkaufen oder besitzen.
Die Sharing Economy hat hier großes Potenzial, durch einen intelligenteren, weil bewussteren Konsum die Koordinaten des Wirtschaftssystems nachhaltig zu verändern. Kürzere Arbeitszeitmodelle und bedingungslose Grundeinkommen sind weitere stark diskutierte Ansätze, die unser Leben vermeintlich glücklicher und gleichzeitig weniger konsumorientiert gestalten können.
Neue Technologien offenbaren eine bisher noch nicht da gewesene Geschwindigkeit und Tiefe von möglichen Veränderungen, welche fundamentale Auswirkungen auf das „was" und „wie" unserer Produktions- und Konsumgewohnheiten haben. Und da sich unsere Welt deart schneller zu verändern scheint, sollten sich auch wandeln, wie wir diese Veränderungen messen. Es bedarf deshalb einer Abkehr von rein wirtschaftlichen Indikatoren und Hinwendung zu Aspekten der Sicherheit, Gleichheit, Gesundheit und Lebensqualität, als auch ökologischen Nachhaltigkeit.
In den vergangen 70 Jahren wurde die Welt von einem zentralen Paradigma bestimmt: Wachstum bedeutet Entwicklung. Und der beste Indikator zur Quantifizierung von Fortschritt in diesem Kontext ist das Bruttoinlandsprodukt eines Landes – sein BIP. Als Gesamtwert der im Inland erzeugten Waren und Dienstleistungen war BIP-Wachstum gleichbedeutend mit mehr Jobs, mehr Geld, mehr Wohlergehen, mehr Entwicklung.
Doch bereits in den 1930er Jahren warnte Simon Kuznets als Erfinder davor, dass das BIP nicht als geeignetes Maß für die Entwicklung eines Landes diene. BIP-Wachstum und gesellschaftliche Wohlfahrt seien sogar zwei Variablen, die sich durchaus in entgegengesetzte Richtung verändern könnten.
Das bringt uns in die Gegenwart und zum eigentlichen Problem: Das Paradigma funktioniert nicht. Seit 1980 ist die Weltwirtschaft um 380 Prozent gewachsen, während die Anzahl der in Armut bzw. von weniger als fünf US-Dollar am Tag lebenden Menschen um mehr als 1,1 Milliarden angestiegen ist. Das ist mehr als jeder siebte Mensch auf diesem Planeten – so viel zum Trickle-Down-Effekt und allgemeinem Wohlstand.
Schlimmer noch: Erst kürzlich veröffentlichte Oxfam einen Bericht, nach welchem die 62 reichsten Menschen so wohlhabend sind wie die ärmsten 3,6 Milliarden. Und der enorme Abstand wächst weiter. Gleichzeitig verbrauchen wir schon heute 50 Prozent mehr Naturressourcen, als die Erde uns langfristig zur Verfügung stellen kann. Auch hier ist die Tenden steigend.
Ob Klimawandel, Ressourcenverknappung oder Verlust von Biodiversität – die Auswirkungen menschlichen Handelns auf den Planeten und seine Ökosysteme sind allgegenwärtig und höchst alarmierend. In Anbetracht der zugrundeliegenden sozialen Ungleichheiten und größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich müssen wir uns deshalb zwangsläufig die Frage stellen, was das für unser Wachstumsparadigma bedeutet.
Mein Vorschlag: Stellen wir das BIP-Wachstum hinten an und konzentrieren uns fortan auf Glück. Wir brauchen ein alternatives Fortschrittsmodell, welches vor allem die Nachhaltigkeit und Qualität von Entwicklung bewertet und damit Menschen und Erde gleichermaßen an oberste Stelle setzt.
Beim Blick auf erste Konzepte zur Messung von Glück und allgemeinem Wohlbefinden zeigt sich ein interessantes Bild: Mehrere Entwicklungsländer belegen die vorderen Plätze – und das ganz ohne ein Pro-Kopf-BIP von 50.000 US-Dollar. Beispielsweise der Happy Planet Index listet Länder entsprechend ihrem empfundenen Wohlbefinden, der Lebenserwartung sowie dem ökologischen Fußabdruck. Mit gerade mal einem Viertel des durchschnittlichen Einkommens der USA findet sich Costa Rica neben weiteren Staaten Lateinamerikas am oberen Ende der Liste wieder.
Zwar verfügen Staaten wie Dänemark und die Schweiz über höhere Werte bei empfundenem Wohlbefinden, doch zerschießen die enormen ökologischen Fußabdrücke die Gesamtbilanz. Und nicht erst seit COP21 wissen wir, dass der Überkonsum des Globalen Nordens unseren Planeten in Gefahr bringt.
Laut Verbraucheruntersuchungen teilen 70 Prozent der Menschen in Ländern mit mittlerem bis hohem Einkommen diese Meinung über die besorgniserregenden Implikationen ihres Konsumverhaltens. Eine ähnlich große Mehrheit ist sich dabei sicher, dass es keinen Einfluss auf das persönliche Glücksempfinden hätte, würden sie weniger einkaufen oder besitzen.
Die Sharing Economy hat hier großes Potenzial, durch einen intelligenteren, weil bewussteren Konsum die Koordinaten des Wirtschaftssystems nachhaltig zu verändern. Kürzere Arbeitszeitmodelle und bedingungslose Grundeinkommen sind weitere stark diskutierte Ansätze, die unser Leben vermeintlich glücklicher und gleichzeitig weniger konsumorientiert gestalten können.
Neue Technologien offenbaren eine bisher noch nicht da gewesene Geschwindigkeit und Tiefe von möglichen Veränderungen, welche fundamentale Auswirkungen auf das „was" und „wie" unserer Produktions- und Konsumgewohnheiten haben. Und da sich unsere Welt deart schneller zu verändern scheint, sollten sich auch wandeln, wie wir diese Veränderungen messen. Es bedarf deshalb einer Abkehr von rein wirtschaftlichen Indikatoren und Hinwendung zu Aspekten der Sicherheit, Gleichheit, Gesundheit und Lebensqualität, als auch ökologischen Nachhaltigkeit.
Denn unter dem Strich bleibt Folgendes: Was wir messen, bestimmt was wir tun. Und wenn wir weiterhin lediglich auf das BIP-Wachstum schauen, werden wir auch zukünftig das Falsche tun – zum Leidwesen der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit. Herman E. Daly und Joshua Farley beschreiben dieses Dilemma in ihrem Buch Ecological Economics recht passend: Auch wenn wir niemals Zufriedenheit oder Glück so präzise wie BIP quantifizieren können, so ist es doch vielleicht besser ungefähr richtig zu liegen, als genau falsch.
Daniel Anthes ist Nachhaltigkeitsaktivist und –Blogger, zur Zeit Projektmanager, Autor und Referent beim Zukunftsinstitut und seit letztem Jahr stellv. Vorstandsvorsitzender des Vereins ShoutOutLoud e.V., einem sich in Frankfurt a.M. u.a. im Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung engagierenden Verein.
Gesellschaft | Pioniere & Visionen, 29.02.2016
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