Medien können Hoffnung machen!
Über gute Nachrichten und ermutigenden Journalismus
Gute Nachrichten inspirieren. Sie machen Mut und geben Hoffnung. Schlechte Nachrichten verbreiten Angst. Sie erzeugen Lähmung und Widerstand. Konstruktiver Journalismus will hier Abhilfe schaffen.
Von Fritz Lietsch, Chefredakteur forum Nachhaltig Wirtschaften
„Only bad news are good news" war ein ehernes Gesetz für quotenabhängige Medienmacher. Wir von ALTOP (All Love To Our Planet) sahen und sehen das anders: Wir brauchen gute Nachrichten, die inspirieren und ermutigen! Weil vor dreißig Jahren noch genüsslich die „bad news" zelebriert wurden und wir mit unserer Ansicht allein auf weiter Flur standen, gründeten wir als junges Team kurzerhand ein eigenes Verlagshaus, um gute Nachrichten und gesellschaftliche Alternativen vorzustellen. Uns aktivierten bahnbrechende Bücher wie „Die Grenzen des Wachstums". Uns begeisterten der Club of Rome und Zukunftsgestalter wie etwa Robert Jungk, der bereits 1948 in den USA den Pressedienst „Good News Bulletin" anbot.
Der Aufklärer und Visionär bekam 1986 den Alternativen Nobelpreis verliehen und veröffentlichte den „Katalog der Hoffnungen". Im gleichen Jahr erschien nach zwei Jahren Vorarbeit unser erstes „Alternatives Branchenbuch". Darin setzten wir nicht auf Negativmeldungen über Waldsterben, Umweltverschmutzung, Klimawandel und Ressourcenverschwendung, sondern auf positive Berichterstattung über Aufforstung, Kreislaufwirtschaft und nachhaltiges Handeln. Die aufgelisteten Bezugsquellen zeigten Alternativen zur herkömmlichen Wirtschaft auf und bald wurde das Buch zu einem unverzichtbaren Ratgeber für intelligente Einkäufer und bewusste Konsumenten. Gemeinsam mit unseren Lesern verhalfen wir den Bio-Produkten zum Siegeszug.
Schlechte Nachrichten – perfektes Umfeld für die Wunderwelt der Werbung?
Da stellt sich die Frage, warum die Medien noch immer auf schlechte Nachrichten setzen: Ob das gar Kalkül ist und Verbraucher bewusst und mit einer bestimmten Absicht einer Welt aus medialen Gegensätzen ausgesetzt werden sollen? Auf der einen Seite: das triste Grau und die schrecklichen Gräuel der Alltagsnachrichten. Auf der anderen Seite „die Rettung": fröhliche Reklamebotschaften, die eine heile Welt suggerieren, ...wenn man nur die richtigen Produkte konsumiert!
Aber immer mehr Menschen wollen die geballte Ladung von Katastrophenmeldungen, die verzerrte Darstellung unserer Realität und die Animation zu aberwitzigen Konsum nicht mehr aushalten und fragen: Was ist mit solcher Art journalistischer Aufklärung gewonnen, wenn sie das Gegenteil bewirkt? Abstumpfung statt Begeisterung, Ablenkung statt Aktion können und sollen nicht das Ziel von Medien sein! Zurück zu konstruktiver Berichterstattung: Unsere anfangs belächelte Vision, „Bio" aus der „Körnerecke" zu holen und Solarpaneele großflächig auf die Dächer zu bringen, gelang. Tausende von Unternehmen, die wie ALTOP gegründet wurden, um eine gesellschaftliche Änderung herbeizuführen, schrieben Erfolgsgeschichte. Aus den Bio-Pionieren von damals wurden erfolgreiche und vielfach ausgezeichnete Unternehmer.
Als zweiten Schritt wollten wir auch die konventionelle Wirtschaft zum Wandel und zu verantwortungsbewusstem Handeln ermutigen. Mit dem crossmedialen Medienprojekt forum nachhaltig Wirtschaften inspirieren und ermutigen wir seit 2007 Entscheidungsträger in Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft mit guten Beispielen zu innovativem, verantwortungsbewusstem Handeln. Damit blieben wir noch immer allein auf weiter Flur. Denn konservative Zeitungen haben nach wie vor wenig Interesse an der Verbreitung positiver Meldungen und eher linke Redaktionen fühlen sich der Kritik verpflichtet.
Gute Nachrichten auf dem Vormarsch
Dennoch wurde die Veränderung hin zu einem konstruktiven Journalismus bereits an verschiedenen Stellen spürbar. So erschienen 2009 und 2010 erstmals drei Sonderausgaben der taz mit ausschließlich positiven Projekten. Sie fanden reißenden Absatz – die erste mit dem Titel „Eine andere Welt wird sichtbar" wurde gar zur bestverkauften Ausgabe des Jahres. Doch dieses Experiment kam wohl dennoch zu früh und das engagierte Projekt um das Team von Ute Scheub und Annette Jensen wurde nicht fortgeführt. Zum Glück beginnt sich seit 2012 die Medienlandschaft zu wandeln – einigen Redaktionen ist das alte Spiel „only bad news are good news" zu blöde geworden. In den USA entstanden in den letzten Jahren Initiativen des „lösungsorientierten Journalismus", in Großbritannien, Spanien, Argentinien und anderen Ländern wurden Websites mit „Positive News" gegründet. Dänemarks Sender DR Danmark praktiziert „konstruktiven Journalismus" und TV2 News hat in seiner Nachtsendung „Yes We Can"-Stories integriert. In Österreich formierte sich die Mutmacherei, in der Schweiz berichtet der Zeitpunkt über konstruktive Alternativen, in Deutschland finden sich in forum Nachhaltig Wirtschaften, enorm oder brandeins Geschichten über engagierte Sozialunternehmen und positiv wirkende Betriebe und Menschen. Die Huffington Post experimentiert seit 2011 mit konstruktivem Journalismus und die Washington Post folgte 2014 mit einem „The Optimist" genannten Onlinebereich. Last but not least haben sich Harald Welzer und sein Berliner Team in der Stiftung Zukunftsfähigkeit der Veröffentlichung von Geschichten des Gelingens verschrieben, die im Zukunftsalmanach und auf der Website von FuturZwei verbreitet werden.
„If it succeeds, it leads"
Wie schätzen Journalisten selbst den „Negativjournalismus" unserer Zeit ein? Sind sie bereit für einen Wandel? Laut einer Umfrage des „constructive journalism projects", eines in London ansässigen Zusammenschlusses von Medien-Experten, fühlen sich viele Journalisten, nachdem sie die aktuelle Berichterstattung gelesen haben, hoffnungslos, traurig, überwältigt oder auch abgestumpft – was sich wiederum auf ihre eigene Berichterstattung auswirkt. Das Motto „if it bleeds, it leads" hat nicht nur negative Auswirkungen auf den Leser, sondern auf den Schreiber selbst. Journalisten wollen wieder mit Motivation und Begeisterung schreiben. Sie wollen bewegen, aktivieren und inspirieren und Konsumenten wollen lösungsorientierte und konstruktive Berichte lesen. Deswegen sollte der Slogan zukünftig heißen: „If it succeeds, it leads".
Aus meiner persönlichen Erfahrung sehe ich hier allerdings eine Herausforderung, die es zu bewältigen gilt: Geschichten des Gelingens bestehen vor allem aus der Beschreibung von Lösungsprozessen anstelle von tagesaktuellen News. Es geht nicht mehr nur darum, von Problemen und Konflikten zu berichten, sondern darum, wie man diese konstruktiv bearbeiten kann. Solche News drehen sich also nicht nur um Vergangenheitsbeschreibung, sondern auch um Projektionen in die Zukunft – das ist eine neue Dimension von Journalismus. Weil er nicht nur die Problemursachen ins Visier nimmt, sondern auch die neu entstehenden Ideen und Lösungsansätze vorstellt, die eine Gesellschaft auf einen besseren Weg führen, wird diese Art des Journalismus „konstruktiv" genannt. Er will zeigen, dass ein Wandel der Verhältnisse möglich ist und dazu ermutigen, selbst aktiv zu werden.
Für diese Art der Berichterstattung wurde ich oft von Chefredakteuren klassischer Medien mit dem Hinweis kritisiert, der Journalist sei nur der Wahrheit in der Berichterstattung verpflichtet und dürfe keine Partei ergreifen. Dem entgegne ich voller Überzeugung: Unsere Medienmaschinerie ergreift immer Partei und ist zusätzlich häufig dem Diktat der Profitmaximierung unterworfen. Somit ist es nur legitim, mit der Kraft der Medien nicht nur aktuelle Zustände zu beschreiben, sondern auch wünschenswerte „Zukünfte" zu skizzieren und deren Protagonisten eine Bühne zu geben. Und… ist ein Bericht mit einem größeren Ausschnitt der Realität – weil nicht nur zurück, sondern auch vorwärts gerichtet – der Wahrheit nicht deutlich näher?
www.futurzwei.org | www.enorm.de | www.brandeins.de | www.constructivejournalism.org | www.mutmacherei.at | www.zeitpunkt.ch
Diesen Beitrag finden Sie im aktuellen B.A.U.M.-Jahrbuch "Nachhaltigkeit glaubwürdig und wirksam kommunizieren".
Wirtschaft | Marketing & Kommunikation, 04.01.2016
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