Die Hüter der Erde
Lehren, was moderne Zivilisation zu lernen hat
Die Kogi haben es sich zur Aufgabe gemacht, uns, ihren „kleinen Brüdern", zu zeigen, wie wir mit der Erde umgehen sollten. Um ihre Botschaft begreifbar zu machen, haben sie das Projekt CAFÉ KOGI initiiert. Am Beispiel des Anbaus von Kaffee wollen Sie uns zeigen, wie nachhaltige Landwirtschaft bei ihnen funktioniert – und dass diese immer auch eine wichtige spirituelle Komponente hat, ohne die es nicht geht.
Eine fremde Welt

Die Geschichte der Kogi
Die Kogi sind die Nachfahren der Tairona, einer uralten südamerikanischen Kultur, über die wenig bekannt ist. Niemand weiß, woher das im Norden Kolumbiens an der Karibikküste lebende Volk der Tairona kam, es hatte keine Schrift. Hier, wo tropischer Regenwald auf heiße, trockene Wüste, schneebedeckte Berge und karibisches Meer aufeinander treffen, lebten sie mindestens ab dem 2. Jahrhundert v.Chr.
Ab etwa 900 n. Chr. zogen sie sich mehr und mehr in die Berge auf Höhen um die 1.000 Meter zurück, wo sie aufwendige Terrassenstädte errichteten. Die sagenumwobene ehemalige Hauptstadt Ciudad Perdida, die „verlorene Stadt", ist eine davon. Die Kogi empören sich noch heute über diesen Namen der Eroberer. Sie erzählen, dass sie sich damals in echtem Gold kleideten und dass sie alle uralt wurden. Erst als Kolumbus kam, änderte sich dies. Neue Krankheiten kamen. Sie wurden in ihrer spirituellen Arbeit gehindert. Als die Spanier nach 1500 diesen Teil Kolumbiens eroberten, leisteten die Kogi erbitterten Widerstand, mussten sich jedoch der Übermacht beugen. Gold und Land wurde ihnen geraubt, viele von ihnen starben. Die Überlebenden zogen sich immer höher in die Berge zurück.
Die Hüter der Erde

Bunkwamaku – Reisender im Auftrag von Mutter Erde
Vor etwa 100 Jahren fand eine große Versammlung der Mámas und Würdenträger der Kogi statt. Damals beschlossen sie, dass sie sich nicht länger in den Bergen verstecken dürften. Und so machten sie sich auf, die tieferliegenden Gebiete wieder zu bewohnen. Manches Land war zwischenzeitlich von den Weißen aufgegeben worden, anderes war besitzerlos, wieder anderes erhielten sie von Stiftungen und Staat zurück. Vielerorts stießen sie aber auch auf Widerstand und auf die Missionare, die sie bekehren wollten. Dann, irgendwann im Jahre 1938 wurde in der Sierra Nevada de Santa Marta ein Baby geboren. Wie bei den Kogi üblich, gehen die Mámas nach der Geburt in Kontakt mit Aluna, dem göttlichen Prinzip, und fragen nach der Bestimmung des Kindes. Sie erhielten die Antwort, dass Bunkwamaku dazu auserwählt sei, den Kontakt zu den „Kleinen Brüdern" zu pflegen. Die Kleinen Brüder sind wir Weißen. Wir sind in den Augen der Kogi wie kleine Kinder, die nicht hören wollen, nichts als Unfug treiben und in den Tag hinein leben, als gäbe es kein Morgen. Die Kogi sind die erstgeborenen, nachsichtigen älteren Brüder, die auf uns aufpassen und vieles wieder ausbügeln müssen, was die kleinen ausge- fressen haben. Sie ärgern sich darüber, wie naiv die Kleinen Brüder mit der Erde umgehen. Aber sie lieben ihre Brüder auch und möchten ihnen helfen.
Kalashe schickt eine Botschaft
Auf dem Land, das die Kogi sich nach und nach wieder aneigneten, trafen sie auf Kaffeebäume. Teilweise schon alt, waren diese dort von Kaffeepflanzern einmal kultiviert und irgendwann wieder aufgegeben worden. Der Wald hatte sich ihrer ermächtigt und so wuchsen sie im Einklang mit vielen anderen Pflanzen für viele Jahre. Einige Kogi ernteten die Kirschen und verarbeiteten sie mehr schlecht als recht. Die Koyoten genannten, mit Maultieren durch die Berge ziehenden Händler tauschten den Kaffee gegen Töpfe, Schnickschnack und auch Alkohol. Doch eines Tages vor vielleicht sechs Jahren sprach der Gott des Waldes und der Bäume Kalashe zu einem Máma, als der sich in einer Meditation befand: „Siehe die alten Kaffeebäume auf Eurem Land in den Wäldern. Ihr erntet manchmal den Kaffee und verkauft ihn an fahrende Händler für wenig Geld. Diese Kaffeebohnen reisen um die ganze Welt. Kolumbianischer Kaffee ist hoch geschätzt und wird in Amerika, Europa, Asien überall getrunken. Stellt Euch vor, dass die Bohnen sprechen könnten. Wäre es nicht gut, wenn Sie die Botschaft der Kogi auf der Welt verbreiten?" Dieser Máma verstand schnell, was Kalashe ihm sagen wollte. Der Kaffee der Kogi konnte ein Mittel sein, die Menschen auf der ganzen Welt so zu verbinden, dass sie die Botschaft der Kogi hören.
Bunkwamaku – der Botschafter mit dem Kaffee

Das agrarökologische System der Kogi ist komplex und nicht generalisierbar. Was es einzigartig macht, ist die von unserer Kultur unbeeinflusste Art, die wertvolles Wissen für uns in sich birgt. Der Rohkaffee „Café Teyuna" wird in Höhen von 800 bis 1.700 Metern angebaut. Etwa 1.600 Familien haben Kaffee auf ihrem Land. Die Ernte jeder Familie beträgt im Schnitt nur wenige Säcke. Der Anbau von CAFÉ KOGI basiert auf vier fundamentalen Prinzipien, die die Kogi auch von ihren Partnern akzeptiert sehen wollen.
Weiterbildung
Das Wissen über den Umgang mit den Kaffeebäumen und der Natur erlernt bereits jedes Kind. Beeindruckend ist, wie professionell die Kogi sich Hilfe suchen für Bereiche, in denen sie sich verbessern wollen. So wurden eine Handvoll Kogi durch einen amerikanischen Kaffeespezialisten darin ausgebildet, wie und wann die Kaffeekirschen von ihrem Fruchtfleisch befreit werden sollten. Sie lernten, dass Qualität und Geschmack davon abhängen, wie lange und bei welchen Temperaturen die Bohnen in einem Bottich voll Wasser fermentieren. Heute wird jeder einzelne Kogi, der beim Projekt CAFÉ KOGI mitmacht, von den anderen im Einzelunterricht ausgebildet. Dies hat dazu geführt, dass sich CAFÉ KOGI in die Riege der Spezialitätenkaffees einordnen kann.
Die Zukunft

Die Botschaft der Großen Brüder
„Wir sind da, um dieses Gebirge zu beschützen,
denn so beschützen wir die Erde und die Welt.
Alle Gebirge liegen im Sterben,
denn der Kleine Bruder zerstört sie,
indem er Kohle und Öl daraus hervorholt und die Erde überwärmt.
Wir sind dafür nicht verantwortlich, aber wir leiden darunter.
Wir sind die Großen Brüder, es liegt in unserer Verantwortung,
über die Erde und die Welt zu wachen.
Wir müssen das Gleichgewicht bewahren,
und wir führen dafür die ganze spirituelle und geistige Arbeit aus.
Wir sind traurig, zu sehen,
dass nicht alle Menschengruppen das tun, was sie tun sollten,
um die Erde zu achten.
Wir brauchen den Kleinen Bruder, damit er uns hilft.
Ihr müsst die Erde und die Welt verstehen lernen.
Der Kleine Bruder muss uns helfen,
unsere Erde wieder zurückzuerhalten.
Helft uns, das Herz der Welt zu schützen!"
Weitere Informationen:
Blog: www.cafe-kogi.com
Shop: www.urwaldkaffee.de
Unterstützerseite: http://blacklineinitiative.org/
Oliver Driver
ist Geschäftsführer der URWALDKAFFEE GmbH, Bauingenieur, Coach und Autor. Nach einer Karriere in der Immobilienwirtschaft setzt er seit 2013 all seine Energie in das Projekt CAFÉ KOGI, da ihn die Weisheit und Zielstrebigkeit der Kogi begeistert hat.
Gesellschaft | WIR - Menschen im Wandel, 01.10.2015
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2015 - Ertrinken wir in Plastik? erschienen.

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