Elektroautos und Energiewende gehen Hand in Hand!
10 Gegenargumente zu den Ausführungen des UPI-Instituts zu Elektroautos
Liebe LeserInnen,
der provozierende Beitrag des UPI-Instituts Elektroautos erhöhen die CO2-Emissionen und führen zu mehr Straßenverkehr, den wir Ihnen als Diskussionsbeitrag in der vergangenen Woche vorgestellt haben, hat seitens unserer Leser zu lauten Protesten und Kopfschütteln geführt.
Bernd Hoose, selber Fahrer eines Elektrofahrzeuges, hat sich die Mühe gemacht, die Diskussionen, die dazu bereits in einschlägigen Foren Wellen geschlagen hatten, zusammenzufassen: „Ich bewege mich schon lange im Umfeld der effizienten Energienutzung und Erneuerbaren Energien.
Dezentrale Energieversorgung elektrisch wie thermisch ist ein viel zu sehr unterschätzter Zukunftsmarkt, der uns als Gemeinschaft viel Nutzen bringen kann.
Leider ist die momentane Politik und die Großindustrie zu festgefahren in der Art, wie Geld zu verdienen ist, dass sie leider die zukünftigen Entwicklungen verschlafen und deshalb nur bremsen."
Gerne stellen wir Ihnen seine Gegenrede zu den Ausführungen der UPI-Autoren vor. Weitere Gegenargumente zum vorgenannten Artikel finden Sie im GoingElectric Elektroauto Forum, wo diese Studie ausführlich diskutiert und widerlegt wurde.
- Die Autoren rechnen den Anteil Erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung in Deutschland möglichst klein, auf S. 4 scheint der EE-Anteil nur bei knapp 15% zu liegen. In Wahrheit liegt der Anteil der Nettostromerzeugung 2015 bei 34% (Quelle: IWR http://www.iwr.de/news.php?id=29268), also mehr als doppelt so hoch wie suggeriert. Mit nur 10% der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien in Deutschland könnten heute schon 9,3 Millionen Elektroautos fahren.
- Sie setzen den Stromverbrauch von Elektroautos möglichst hoch an. Der von der zweifelhaften, in Kooperation mit der Schweizer Erdölvereinigung entstandenen THEKLA-Studio angegebene Durchschnittsverbrauch von 24,3 Kilowattstunden (kWh) pro 100 km (S. 7) ist absurd hoch. Kaum ein heute käufliches Elektroauto verbraucht im Schnitt mehr als 14-18 kWh/100 km. Im Stadtverkehr liegt der Verbrauch meist bei ca. 10-15 kWh/100 km.
Wenn man bei e-Autos den Verbrauch ab Stromherstellung rechnet, dann bitte so fair sein und die Energie zur Benzin-Herstellung berücksichtigen!
Das DOE (Department Of Energy) wurde 2009 gefragt: "Wie viel Energie wird verwendet, um ein Liter Benzin herzustellen?"Antwort: "6 kWh pro Gallone" (=1,585 kWh pro Liter).
Ein Golf braucht demnach pro 100km: 7,93 Liter + 12,5kWh Strom = 82 kWh Gesamtverbrauch.
Nur mit dem Strom eingesparten Strom wegen "Nicht hergestelltem Benzin" fährt ein BMW i3 = 78km fährt ein Tesla Roadster = 66km
Mit dem Gesamtverbrauch kommen diese so weit: BMW i3 = 512km, Tesla Roadster = 431km
Berechnungsgrundlagen:
1 Liter Benzin = 8,76kWh Heizwert
Verbrauch ab Steckdose pro 100km BMW i3 : ~16 kWh
Verbrauch ab Steckdose pro 100km Tesla Roadster : ~19 kWh
(https://www.youtube.com/watch?v=BQpX-9OyEr4) in Englisch erklärt
- Sie nehmen unvernünftiger Weise an, dass der Mehrverbrauch an Strom, der bei 1 Mio. Elektroautos bei etwa 0,5% des heutigen deutschen Stromverbrauchs liegen würde, vornehmlich per Kohleverstromung realisiert wird (S. 7 u. 8). Selbstverständlich ist der weitere allgemeine Ausbau der Erneuerbaren Energien zu berücksichtigen (in den letzten beiden Jahrzehnten haben die Erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung um 1,5 Prozentpunkte pro Jahr zugelegt. Nutzt man 1/10 des jährlichen Zuwachs bei der erneuerbaren Stromerzeugung (ca. 10 Mrd. kWh Zuwachs pro Jahr in den letzten Jahren), könnten Jahr für Jahr zusätzlich 500.000 Elektro-PKW mit Strom versorgt werden.
- Das Autoren-Tem rechnet eine eigene PV-Anlage zur Stromversorgung des Elektroautos mit ungünstigen Werten schlecht (S. 8 aus seinem alten Foliensatz); zum einen ist die CO2-Neutralität einer PV-Anlage bereits nach 2 Jahren, das ist etwa 3-5% ihrer Lebensdauer erreicht, so dass es nicht zu einem derart hohen CO2-Rucksack kommt; zum anderen gibt es im realen Betrieb durch das nunmehr restriktive EEG immer häufiger das Phänomen der Überschusserzeugung aus der eigenen PV-Dachanlage, welche wirtschaftlich nicht ins Netz eingespeist werden kann, und daher entweder weggeworfen (Wechselrichter speist weniger als solares Angebot ein), oder eben zum Aufladen des Elektroautos verwendet werden kann.
- Die Heidelberger Forscher unterschlagen die bereits heute vorhandene Möglichkeit aller Elektroautos zum stromlastabhängigen Laden - die aufgenommene Ladeleistung kann augenblicklich zwischen ca. 5% und 100% variiert werden, um der momentanen Stromerzeugung von Solar- oder Windkraftanlagen mit hoher Treue zu folgen. Die auf S. 6 aufgestellte These ist für regelbare Verbraucher wie Elektroautos daher nicht anwendbar.
- Sie unterschlagen die weit verbreitete Möglichkeit des Strombezugs von einem echten Ökostromhändler, wobei der Verbrauchskostenaufschlag bei in zusätzliche Erneuerbare Anlagen mündet. Hier gibt es bei jeder Betrachtung immer 100% CO2-freien Strom.
- Außerdem unterschlagen sie die Möglichkeit (eine nennenswerte Verbreitung von Elektrofahrzeugen vorausgesetzt), dass das Stromnetz durch die Akkus der Elektroautos gestützt werden kann. Elektroautos und Energiewende gehen Hand in Hand!
- Weiterhin unhaltbare Positionen sind:
- die "Schuld" der Elektrofahrzeuge an der von der Industrielobby gesteuerten Bundespolitik (S. 9-14) - gemäß seiner Logik darf man kein sparsames Auto kaufen, da dadurch weniger sparsame gefördert werden;
- es gibt eine steuerliche Ungleichbehandlung von Benzin und Elektrizität (S. 14), die ABER GENAU ANDERSHERUM ist, als er suggeriert: 1 kWh Strom ist mit ca. 15 Eurocent, 1 kWh Diesel mit ca 4 Eurocent Steuern & Abgaben belegt.
- angeblich durch eine US-Behörden Studie aus dem Jahr 2009 erwiesene Gefahren durch leise Elektrofahrzeuge (S. 16). Zum einen ist es unwahr, dass Elektrofahrzeuge bei unter 35 km/h kaum oder nicht zu hören sind - wie aktuelle Untersuchungen der Universität Duisburg-Essen gezeigt haben, sind reale Elektroautos (die im Jahr 2009 ohnehin noch nicht existent waren)- im Vergleich mit modernen Benzinern bei ebenfalls konstanter Geschwindigkeit bei 30 km/h - weder lauter noch leiser. Auf Basis ähnlicher Erkenntnisse dürften Länder mit größer Verbreitung von Elektrofahrzeugen (USA, Norwegen) bislang darauf verzichtet haben, Geräuschmodule verpflichtend vorzuschreiben.
- Die Statistik, dass der ÖPNV-Anteil bei Elektroautofahrern um 82% zurück gehen würde, ist doch Blödsinn (S. 16). Erstmal macht es freilich viel Spaß, mit dem Elektroauto zu fahren, genauso kann es aber sein, für Langsstrecken eher mal den Zug oder Fernbus zu nehmen. Gut, in der Stadt man nimmt schon deutlicher wahr, in einem lauten und stinkenen Dieselbus zu sitzen, und Diesel-Taxis wird man um so mehr ablehnen. Hier sind die Kommunen gefordert, so etwas zu unterbinden. Aber beim richtigen "elektrischen" ÖPNV wird es, sowohl bei den Elektro-affinen Elektroauto-Pionieren, und auch nachdem sich die der Marktanteil in normale Größenordnungen bewegt haben, keine Änderungen im Modal-Split geben.
- "Vergessen" werden bei den ganzen Berechnungen weitere Vorteile des Elektroautos:
- im Stadtbereich ist der Elektroantrieb insgesamt natürlich deutlich leiser, zwar nicht unbedingt leiser als jedes andere Auto bei konstanter, niedriger Geschwindigkeit und zurückhaltender Fahrweise, hier kann ein moderner Benziner sogar einmal etwas ruhiger als ein anderes Elektroautomodell sein (also mehr oder weniger genau so gefährlich). Aber sobald ein Verbrenner beschleunigen muss (was im Stadtverkehr öfter mal vorkommt, insbesondere an Straßenkreuzungen), oder wenn er nicht optimal mit niedrigen Drehzahlen wie auf dem Prüfstand gefahren wird, wird der Verbrenner natürlich deutlich lauter (auch zum Vergleich zu Stadtbussen mit Dieselmotor), als das Elektroauto, dessen Antrieb unabhängig vom Betriebszustand praktisch immer gleich leise - aber nicht lautlos - ist. S. 22 ist im Stadtverkehr unhaltbar!
- es entstehen lokal keine Abgase, kein Feinstaub (auch kein Bremsenabrieb wegen rekuperativem Bremsen!), keine Stickoxidemissionen (NOx), dessen Grenzwerte selbst von vielen modernen Euro-6 Dieselfahrzeugen im realen Stadtbetrieb um den Faktor 12 überschritten wird; Bei den Abgasen nur auf eine bestimmte Feinstaubpartikelgröße einzugehen (S. 19), die bei geschönten Euro-6-Verbrennertests schon recht günstig aussehen mögen, ist unredlich!
- bei Elektroautos entfällt das gerne vorgebrachte "Argument" von Autofahrern gegen Tempo 30 in den Städten, dass dies zu mehr Kraftstoffverbrauch (oder gar Lärm da im 2. Gang) führen würde, da dies beim Elektroantrieb schlicht nicht zutrifft
- bei Verbreitung von Elektroautos wäre die Chance auf ein Tempolimit auf Schnellstraßen viel eher gegeben, da hier der mit der Höchstgeschwindigkeit quadratisch ansteigende Verbrauch aufgrund des begrenzten Energiespeichers besonders zu spüren ist - beim Verbrenner macht es ja nichts, wenn mal 25 Liter/100 km durchgeblasen werden.
- Angesichts der für die nächsten Tage zu erwartenden tropischen Temperaturen immer wieder erwähnenswert: 10.000 Verbrenner-Kfz erzeugen im Stadtverkehr etwa 1 Gigawatt Abwärme, was sich durchaus auf das Stadtklima auswirkt. Würde man die Verbrenner-PKW durch 10.000 E-Autos ersetzen, wird die Stadt mit 0,9 Gigawatt weniger geheizt; die Sommerhitze sinkt um 1°C.
- gerade die Batterien der Elektroautos könnten den fluktierenend erzeugten Strom der Erneuerbare-Energien-Kraftwerke zwischenspeichern und bei Bedarf abgeben (wenn es Elektroautos mal im nennenswerten Umfang gibt)
- für die derzeitige Situation sollten Sie bedenken, dass alle Elektroautos in Deutschland zusammen mit dem winzigen Anteil von 0,033%, also 1/3000, der hiesigen Ökostromproduktion (Wind + Solar + Biomasse) auskommen. Auch wird derzeit ca. 2,2% der potentiellen Stromerzeugung durch Erneuerbare-Energien-Kraftwerke von den Netzbetreibern aktiv abgeregelt (also "weggeworfen"). Das sind etwa 4,1 Mrd. kWh im Jahr, ausreichend für über 1,9 Millionen Elektroautos.
- Was die UPI-Autoren bei ihrem US-Studienzitat über die angebliche Gefahr für Fußgänger verschweigen:
"The National Highway Traffic Safety Administration held a hearing in Washington DC June 23, 2007 to gather the facts and data. It turns out that in spite of having over 500,000 Prius in the USA starting from 2000, there is no accident data showing an unusual risk to pedestrians. "http://www.regulations.gov/, nach "NHTSA-2008-0108-0020" suchen, "Attachment (2)"
"The Prius was no more likely to be involved in a pedestrian death than the average passenger vehicle, accounting for 0.05 percent of registered vehicles and pedestrian deaths over this period. (The Prius was singled out here because it is the only model with large production volume that was produced solely as a hybrid.)"
"Over this period, pickup trucks were the vehicles most commonly involved in a blind pedestrian death"
Das forum-Team bedankt sich herzlich bei Bernd Hoose für seine konstruktive und aufschlussreiche Replik und lädt die Leser zu weiteren Anregungen, Kritik und Diskussionsbeiträgen ein.
Technik | Mobilität & Transport, 31.08.2015
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