Ralph Thurm
Wirtschaft | Marketing & Kommunikation, 13.02.2013
Nachhaltigkeit gewinnt langsam Raum in unserem kollektiven Bewusstsein.
Leugnen zwecklos - Der T(h)urmblick
2012 war anders. Nicht nur, weil es das Jahr der vielen Jubiläen war: Die Publikation von Rachel Carsons Buch "The Silent Spring" jährte sich zum 50. Male; das bis heute meistverkaufte Buch zur Nachhaltigkeit, die "Grenzen des Wachstums" des Club of Rome, wurde 40; die legendäre 1992er Rio Konferenz wurde mit einer Folgekonferenz am selben Ort gefeiert.
War 2012 der Wendepunkt im Hinblick auf die Einsicht in die Unausweichlichkeit der Nachhaltigkeit als Blaupause für eine erfolgreiche Globalisierung? Für ein Möglichmachen des Überlebens der Menschen auf diesem Planeten, um es einmal wieder in des Lesers Erinnerung zu rufen? Ich meine ja, auch wenn es weiterhin viele gegenläufige Tendenzen gibt. Für den unaufhörlichen Optimisten in mir scheint die Frage "wie Nachhaltigkeit umsetzen?" nun endgültig über das "ob Nachhaltigkeit überhaupt umsetzen?" gesiegt zu haben. Die Energiewende ist unumkehrbar, die Daten zur Klimaveränderung sind unumstößlich und die Bilder eindringlich (Dürre und Sturm in den USA sind nur ein Beispiel). Führende Unternehmer übernehmen Rollen, die eigentlich der Politik zugeschrieben waren, einfach weil es qua Zeitpunkt und Geschäftsmodell die einzig übrig gebliebene Lösung ist. Drei weitere Aspekte tragen zu meinem Optimismus bei:
Optimismus ist das einzige, was wir uns noch leisten können
Rio +20 brachte uns zumindest einen Konsens: Die Weltwirtschaft kann langfristig nur grün und sozial integrativ erfolgreich sein. Zu den bestehenden Millennium Development Goals (MDG) kommen bis 2015 die noch zu erarbeitenden Sustainable Development Ziele (SDZ) ergänzend hinzu - oder integrieren die MDG in überarbeiteter Form. Eine unausweichliche Konsequenz: Dem quantitativen Wachstumsmodell wurde mit diesem Bekenntnis die Berechtigung entzogen. Die neuen Sustainable Development Ziele müssen zwei Funktionen übernehmen: einerseits Obergrenzen planetärer Verbräuche definieren; nicht ohne Grund hat z.B. der World Business Council on Sustainable Development (WBCSD) nun eine Partnerschaft mit dem Stockholm Resilience Institute geschlossen - man will kräftig mitwirken an deren Erstellung; außerdem sollen die SDZ nachprüfbare soziale Mindeststandards festlegen - als Vorbild dient das Ruggie Framework im Bereich Menschenrechte. Andererseits müssen hiermit aber auch Rahmenbedingungen eines neuen Kapitalismus festgelegt werden, in dem Märkte ihre vollen Kräfte entfalten können, aber diesmal in die richtige Richtung. Nachweislich nicht-nachhaltigem Wachstum muss dann die gesellschaftliche Akzeptanz versagt bleiben. Zu naiv gedacht? Kurzfristig vielleicht, aber was wäre außer erneutem Scheitern das Gegenmodell?
Die Schuld muss weg
2012 haben wir - so denke ich - grundsätzlich begriffen, dass Wachstum alter Schule und unbegrenzt Schuldenmachen in die Sackgasse führen: Wachsen wir weiter wie bisher, um unsere Schulden abzubauen, fliegt uns der Planet um die Ohren; wachsen wir nicht wie bisher, fliegen uns die Schulden um die Ohren. Eine Kombination aus qualitativem Wachstum und gleichzeitigem Schuldenschnitt erscheint unausweichlich und eröffnet neue Chancen. Interessant ist der Vorschlag aus der Occupy-Bewegung, durch Spendenaufrufe Geld zu sammeln, um Teile der Privatschuld aus dem Markt zu kaufen und einfach zu vergessen; schließlich haben Banken ja auch andere Schulden zu einem niedrigen Prozentsatz verkauft und den Rest abgeschrieben. Innovative Nivellierung ist noch allemal besser als eine (nicht auszuschließende) Währungsreform.
Unternehmen vereinen Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht
Integrierte Berichterstattung kommt, auch wenn noch viel Feinschliff nötig ist. GRI wird im Mai 2013 die G4 Guidelines veröffentlichen, die insbesondere qualitativ mehr von Firmen einfordern: Tatsächlicher Impact, Wesentlichkeit und Berichtsgrenzen rücken zusammen und somit in den Vordergrund des Berichts. Dies bildet die Brücke zu dem Ende 2013 erscheinenden Basis-Rahmenwerk zur integrierten Berichterstattung des IIRC. Mehr als 80 Pilotfirmen und ein Netzwerk an Investoren arbeiten daran. Interessanterweise laufen parallel auch verschiedene Aktivitäten, um die sektorspezifische Berichterstattung zu konsolidieren: In den USA ist das Sustainability Accounting Standards Board (www.sasb.org) damit beschäftigt, die Global Initiative for Sustainability Ratings (www.gisr.org) hat sich zum Ziel gesetzt, für Industriesektoren Indikatoren für Rater und Ranker zu entwickeln. Auch GRI hat parallel zur G4-Entwicklung einen ebensolchen Arbeitsprozess gestartet.
Dies sind nur drei Aspekte, die meinen Optimismus nähren. Sollte ich schnell noch erwähnen, dass Barack Obama das Thema Klimaschutz in seiner Siegesrede im November doch tatsächlich mit einem Nebensatz belegte. Die Hoffnung stirbt jedenfalls zuletzt. Auf ein gutes Jahr 2013!
Im Profil
Ralph Thurm ist Gründer und Managing Director von A|HEAD|ahead. Für forum schreibt er regelmäßig die Kolumne "Der T(h)urmblick".
Ralph Thurm ist Gründer und Managing Director von A|HEAD|ahead. Für forum schreibt er regelmäßig die Kolumne "Der T(h)urmblick".
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2013 - 300 Jahre Nachhaltigkeit in Deutschland erschienen.
Weitere Artikel von Ralph Thurm:
Der T(h)urmblick
Vom ‚integrierten’ zum ‚integralen’ Denken
Die dritte Jahreskonferenz der Reporting 3.0 Plattform hat, beginnend mit einem vorbereitenden online Thinktank, über die Konferenz bis hin zum Konferenzbericht ein faszinierendes Spektrum zur Weiterentwicklung der nachhaltigen und integrierten Berichterstattung aufgetan.
Vom ‚integrierten’ zum ‚integralen’ Denken
Die dritte Jahreskonferenz der Reporting 3.0 Plattform hat, beginnend mit einem vorbereitenden online Thinktank, über die Konferenz bis hin zum Konferenzbericht ein faszinierendes Spektrum zur Weiterentwicklung der nachhaltigen und integrierten Berichterstattung aufgetan.
Der T(h)urmblick
Die Sustainable Development Goals sind da - und jetzt?
Die UN General Assembly wird im September nach über zweijähriger Beratung die Sustainable De- velopment Goals (SDGs) auf den Weg gebracht haben. 17 Überziele und 169 Einzelziele.
Die Sustainable Development Goals sind da - und jetzt?
Die UN General Assembly wird im September nach über zweijähriger Beratung die Sustainable De- velopment Goals (SDGs) auf den Weg gebracht haben. 17 Überziele und 169 Einzelziele.
Der T(h)urmblick
Andere Führer braucht das Land!
Ralph Thurm gibt Einschätzungen über grundsätzliche gesellschaftliche Änderungen wieder, die sich bei ihm als Mitbegründer der ThriveAbility Foundation herauskristalliert haben.
Andere Führer braucht das Land!
Ralph Thurm gibt Einschätzungen über grundsätzliche gesellschaftliche Änderungen wieder, die sich bei ihm als Mitbegründer der ThriveAbility Foundation herauskristalliert haben.
Bringt 2015 die Entscheidung?
Stellen wir uns die richtigen Fragen über unsere Zukunft?
Weltweit werden im Jahr 2015 wichtige Beschlüsse gefasst, was das Thema Nachhaltigkeit angeht. Immerhin wurden in dieser Hinsicht schon viele Chancen auf Besserung verpasst und das soll sich nun ändern.
Stellen wir uns die richtigen Fragen über unsere Zukunft?
Weltweit werden im Jahr 2015 wichtige Beschlüsse gefasst, was das Thema Nachhaltigkeit angeht. Immerhin wurden in dieser Hinsicht schon viele Chancen auf Besserung verpasst und das soll sich nun ändern.
Achtsam arbeiten
Facebook, Apple und Google machen es schon. Andere Firmen ziehen nach und schicken ihre Mitarbeiter zu Achtsamkeits-Trainings. Denn die wachsende Anzahl von Burn-out-Fällen ist nicht nur tragisch, sie kostet auch Geld.
Dass Arbeit gelingt und Freude macht – davon träumen viele. Doch mittlerweile macht Burn-out in jedem Wirtschaftsmagazin Schlagzeilen. Ausgebrannte Manager und Angestellte, wer kennt keinen solchen Fall aus seinem Bekanntenkreis? Neben der menschlichen Tragödie verursachen psychische Belastungserkrankungen höhere Kosten, die Arbeitsleistung sinkt.
Facebook, Apple und Google machen es schon. Andere Firmen ziehen nach und schicken ihre Mitarbeiter zu Achtsamkeits-Trainings. Denn die wachsende Anzahl von Burn-out-Fällen ist nicht nur tragisch, sie kostet auch Geld.
Dass Arbeit gelingt und Freude macht – davon träumen viele. Doch mittlerweile macht Burn-out in jedem Wirtschaftsmagazin Schlagzeilen. Ausgebrannte Manager und Angestellte, wer kennt keinen solchen Fall aus seinem Bekanntenkreis? Neben der menschlichen Tragödie verursachen psychische Belastungserkrankungen höhere Kosten, die Arbeitsleistung sinkt.
forum future economy
forum Nachhaltig Wirtschaften heißt jetzt forum future economy.
- Mit diesem Schritt markiert der Verlag bewusst eine Zeitenwende – hin zu einer Wirtschaft, die Zukunft schafft, statt nur Probleme zu verwalten.
Kaufen...
Abonnieren...
09
DEZ
2025
DEZ
2025
Club of Rome Salon: Building the City of the Future (in English)
Cities, World Expos, and Stakeholders Driving Sustainability
10178 Berlin
Cities, World Expos, and Stakeholders Driving Sustainability
10178 Berlin
Anzeige
Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht
Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol
Megatrends
Wohlstandsverlust - und die Angst vor VeränderungChristoph Quarch stellt die Frage, welche Art von Wohlstand wir wirklich brauchen
Jetzt auf forum:
Schulen stärken Bildung für nachhaltige Entwicklung
Seit 15 Jahren: faire und umweltbewusste Beschaffung mit dem Kompass Nachhaltigkeit
The GREEN MONARCH Awards 2025 Verleihung in Berlin
forum Nachhaltig Wirtschaften heißt jetzt forum future economy
Wie Unternehmen mit regionaler Aufforstung ihre ESG-Ziele stärken















