Naturkapital

Unternehmen geben der Natur einen Preis

Firmen wie Coca-Cola, Disney oder Nike beginnen damit, natürlichen Ressourcen einen ökonomischen Wert zu geben. Das sichert ihre Wirtschaftsgrundlage und ist gut fürs Geschäft.

Um seinen Wasserbedarf zu sichern, investiert "FEMSA", der größte Getränkehersteller Mexikos, in Wasserfonds in ganz Lateinamerika. Das Bild zeigt die Iguazú-Fälle in Argentinen.
Foto: © R_K_by_Bildpixel_pixelio.de

Zarte 30 Jahre war Jochen Zeitz, als er 1993 den Vorstandsvorsitz bei der Puma AG übernahm. Damit ist er der jüngste CEO, der je auf dem Chefsessel eines deutschen börsennotierten Unternehmens Platz genommen hat. Was ihn außerdem bekannt machte: Unter seiner Ägide gab der Sportartikelhersteller die erste ökologische Gewinn- und Verlustrechnung heraus.

Puma berechnete also, was neben Gummi, Leder und Farbe noch in seinen Turnschuhen steckt. Heraus kam: jede Menge Treibhausgasemissionen, Wasser und das Land, auf dem die Tiere für die Lederproduktion des Konzerns grasen. Diese Umweltkosten, auch Externalitäten genannt, bezifferte der Konzern auf 145 Millionen Euro.

Damit hat Zeitz, der den Vorstandsvorsitz mittlerweile abgegeben hat, Revolutionäres geleistet. Denn bis dahin galt die Natur zwar als wertvolles Gut. Weil ihre Ökosystemleistungen, wie frisches Wasser, saubere Luft, Bestäubung, oder Klimaregulierung nichts kosteten, kümmerte ihr Verbrauch jedoch wenig.

Doch schon der selige Milton Friedman wusste: There is no such thing as a free lunch. Auch die Natur und ihre Ressourcen sind kein all-you-can-eat-Buffet. Nur sind die Kosten für Umweltschäden häufig nicht sichtbar und bleiben so am Steuerzahler kleben. Was der Raubbau an der Natur die Gesellschaft tatsächlich kostet, zeigt eine aktuelle Studie der Britischen Unternehmensberatung Trucost im Auftrag der Natural Capital Coalition. Sie schätzt die Top-100-Umwelteffekte von Unternehmen auf 4.700 Milliarden US-Dollar pro Jahr.


Der Erhalt der Natur wird zur Existenzgrundlage

Dazu zählen die Autoren Wasser- und Bodennutzung, Treibhausgasemissionen, Abfall sowie Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung. Kohlekraftwerke in Ostasien und die Rinderzucht in Südamerika verursachen die größten Schäden. Würde man auf die durchschnittliche Gewinnmarge die Kosten für Naturkapital vor Steuern aufrechnen, wäre keiner der 20 wichtigsten Wirtschafts-Sektoren profitabel, konstatiert die Studie.

Knappe Öko-Ressource Wasser: Versiegt sie, so wie hier in Namibia, geht es bald auch Unternehmen an die Existenz.
Foto: © Tony Heald - Nature Picture Library

Dennoch folgen immer mehr Firmen dem Beispiel von Puma und beginnen damit, Naturgütern einen ökonomischen Wert zuzuschreiben. Aus ökologischen Ressourcen wird "Naturkapital". Warum wollen Unternehmen jenseits von Imagegründen aufzeigen, welche Kosten ihre Produkte wirklich verursachen? "Unternehmen geht es um ihre Existenzgrundlage", sagt Marion Hammerl, die Präsidentin des Global Nature Fund.

Naturkapital wie Wälder, die CO2 kompensieren und die gleichzeitig die für die Pharmaindustrie wichtigen Pflanzen sowie Mikroorganismen lieferten, sei nun einmal begrenzt. "Ihnen wird zunehmend bewusst, dass sie ihre Wirtschaftsgrundlage schützen müssen". So gibt es für Greg Koch, Leiter der Global Water Stewardship-Initiative, die Coca-Cola gemeinsam mit dem World Wildlife Fund (WWF) durchführt, "wirklich kein wichtigeres Thema, als sicherzustellen, dass die Wasserressourcen der Welt für unser Geschäft gesichert werden". Damit Firmen kalkulieren können, was Schutzmaßnahmen im Vergleich zu Nicht-Handeln kosten, geben sie den Dienstleistungen der Natur ein Preisschild.

Ein weiterer Grund, weshalb Unternehmen den Wert ihrer Kernressource kennen und ihren Erhalt sichern sollten, ist Risikomanagement in Bezug auf Investoren und politische Entscheidungen. Die nationale Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung peilt die "verstärkte Berücksichtigung der biologischen Vielfalt bei Umweltmanagement- und Zertifizierungssystemen" an.

In diese Richtung bewegt sich auch die Europäische Kommission. In ihrem Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa heißt es: "Neue politische Strategien sollten dazu beitragen, die Preise von Ressourcen wie Wasser, saubere Luft, Ökosysteme, Biodiversität und Meeresressourcen, deren Wert auf dem Markt nicht angemessen berücksichtigt wird, anzupassen." Zudem arbeitet die Kommission derzeit an einer Direktive, die Unternehmen ab einer bestimmten Größe verpflichtet, neben den finanziellen künftig auch über soziale und ökologische Kennzahlen zu berichten. Ein Thema, dass auch die Grünen in ihrem letzten Wahlkampfprogramm aufgenommen haben.

Zudem befassen sich immer mehr Kreditinstitute und Versicherungen damit, wie gut Firmen auf Umweltrisiken und daraus resultierende politische Reformen vorbereitet sind. "Unternehmen, die Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen bewerten und in ihre Strategie integrieren, sind am besten auf die Zukunft vorbereitet", sagt Andrew Liveris, der CEO von Dow. Wohl dem also, der den Wert der Natur kennt.


Warum die Natur in Geldwerten beschreiben?

Von Tobias Hartmann

Die monetäre Bewertung von Natur hilft Unternehmen, wirtschaftlichere Entscheidungen zu treffen, etwa bei der Wahl zwischen unterschiedlichen Produktionstechnologien oder bei der Abwägung zwischen technischen und ökologischen Lösungen für den Umweltschutz. Dow Chemical beispielsweise vergleicht so, welche Maßnahme besser ist, um Wasserknappheit entgegenzuwirken. Auch ist die Naturkapitalbilanzierung ein Instrument, um Schwerpunkte zu bestimmen. Sie bringt unterschiedlichste Umweltauswirkungen wie Luftemissionen oder Landverbrauch auf einen Nenner und macht sie so vergleichbar. Initiativen, die Schadwirkungen mindern, können dann gezielt auf den größten Nachhaltigkeitseffekt ausgerichtet werden. Als Resultat will die Puma SE daher die Lieferkette für Leder optimieren. 90 Prozent des Leders in PUMA-Produkten stammt aus Gerbereien, die von der "Leather Working Group" zertifiziert wurden. Denn der Konzern hat herausgefunden, dass seine Lederproduktion der größte Umweltsünder in der Wertschöpfungskette ist.

Beim World Business Council for Sustainable Development (WBCSD), der im Jahr 2011 ein Handbuch zur unternehmerischen Bewertung von Ökosystemleistungen veröffentlicht hat, finden Firmen Unterstützung. 14 Unternehmen, von Hitachi über Rio Tinto bis Veolia, haben es bislang genutzt. Für Unternehmen ist die Bewertung auch deshalb attraktiv, weil sie die berechneten Werte in Instrumente wie die Kosten-Nutzen-Analyse integrieren und so externe Umweltkosten bei einer Investitionsentscheidung auf einer Ebene mit anderen Kosten wie Zinszahlungen oder Arbeitskosten diskutieren können.

Allerdings stecken die derzeit angewandten Methoden noch in den Kinderschuhen. Dies führt dazu, dass Unternehmen verschiedenste Monetarisierungs-Ansätze verfolgen und unterschiedliche Werte für die gleichen Ökosystemdienstleistungen ansetzen. Es ist also (noch) nicht möglich, die Nachhaltigkeitsperformance von Unternehmen zu vergleichen. Eine Harmonisierung bei der Erfassung von Umweltauswirkungen und ihrer monetären Bewertung tut daher Not, sowohl im Hinblick auf ihre Kraft als Entscheidungshilfe, als auch für die Bilanzierung.

Mehr dazu unter www.naturkapitalbilanzierung.de

Von Anna Gauto

Quelle:
Umwelt | Biodiversität, 20.01.2014
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2014 - Smarte Produkte erschienen.
     
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