"Ich zeige eine Welt, die verschwinden wird"
Interview mit Yann Arthus-Bertrand
Nach über 30 weltbekannten Fotobänden in Millionenauflage hat der Franzose Yann Arthus-Bertrand mit seinem Kinofilm "Home" der Schönheit der Erde 2009 ein Denkmal gesetzt. In seinem neuesten Dokumentarfilm "Planet Ocean", der erstmals beim Rio+20-Gipfel 2012 ausgestrahlt wurde, zeigt der Biologe die Fragilität unsere Ozeane aus der Luft und unter Wasser.
Herr Arthus-Bertrand, warum haben Sie Planet Ocean gemacht?
Seit zwei Milliarden Jahren gibt es Wasser auf unserem Planeten. Wir kommen aus dem Meer, genau wie alles Leben auf dem Planeten. Ich will darstellen, wo wir herkommen und wohin wir einmal zurückkehren werden. Ich will aber auch zeigen, was wir im Meer anrichten.
Was zum Beispiel?
Wir fischen die Ozeane leer. Vor kurzem habe ich mir selbst einen Eindruck über den industriellen Fischfang gemacht. Ich bestieg ein deutsches Boot, das jedes Jahr 60.000 Tonnen Fisch fängt. 60.000 Tonnen. Das muss man sich mal vorstellen. Auf dem Boot arbeiten 57 Fischer. Ein einziger Fischer zieht also 1.000 Tonnen Fisch aus dem Wasser. Sehen Sie den Unterschied zu dem kleinen Fischer, der jeden Morgen sein Netz auswirft?
Ist es nicht effizient, wenn wenig Menschen möglichst viel Fisch fangen?
Nein, denn auf diesem Boot waren von 4.000 Fischen 2.000 illegal, zu klein und verboten. Die "Industriefischer" mussten für eine Woche den Fang unterbrechen und eine Strafe zahlen. Danach ging es unverändert weiter. Aber auch andere Europäer, Chinesen, Koreaner und Japaner beuten die See aus. Als Konsumenten machen wir uns keine Gedanken, wo der Fisch, den wir im Supermarkt kaufen, herkommt oder ob er bedroht ist. Als Unternehmen und Nationen leeren wir die Meere, obwohl wir wissen, dass kommerzieller Fischfang im Jahr 2050 ein Ende haben wird, weil die Fischfanggründe ausgebeutet sein werden. Trotzdem hat die Europäische Kommission die industrielle Fischerei mit Millionen von Euro subventioniert. Das ist Wahnsinn.
Aber es gibt doch Initiativen für nachhaltigen Fischfang.
Stimmt. Die Fischer sagen: Wir betreiben nur nachhaltigen Fischfang. Aber komischerweise will trotzdem niemand, dass eine Kamera mit an Bord ist. Denn sie fangen alles, auch Fische, die verboten sind. Man fischt wortwörtlich im Verborgenen. Selbst bei den vorbildlichen Schweden ist es verboten, den Fischfang zu filmen. Ich versuche das jetzt schon seit zehn Jahren.
Was schlagen Sie vor?
Wir müssen endlich damit aufhören, industriellen Fischfang zu subventionieren. Wir brauchen geschützte Areale, sonst können sich die Bestände nicht erholen. Bislang ist nur ein Prozent des Ozeans Schutzgebiet. Es müssten 20 Prozent sein, darum geht es auch in meinem Film Planet Ocean. Wir alle sollten etwas unternehmen. Ich für meinen Teil setze ich mich besonders für die Bekämpfung des menschgemachten Klimawandels ein. Wir wissen, dass wir wesentlich mehr CO2 emittieren, als wir uns in Kopenhagen und den vielen anderen Konferenzen vorgenommen haben, aber trotzdem machen wir weiter. Wir fahren Auto, fliegen, verschwenden Energie, als ob uns egal wäre, was mit dem Klima ist.
Woran liegt das nach Ihrer Ansicht?
Unsere Zivilisation will immer mehr. Mehr haben, mehr kaufen, mehr besitzen. Aber vor allem werden wir immer mehr. Als ich geboren wurde, gab es zwei Milliarden Menschen. Heute sind es sieben. Wir sollten lernen, mit weniger umzugehen, denn wir beuten die Ressourcen der Erde aus. Als ich für Planet Ocean in Shanghai war, habe ich nur gestaunt. Riesige Schiffe, Häfen, Industrie. Was das an Energie kostet. Das können wir uns mit endlichen Ressourcen wie Öl nicht ewig leisten. Die Zahlen, die den Klimawandel belegen, sind schrecklich. Trotzdem akzeptieren wir einen Temperaturanstieg von zwei bis sogar sechs Grad am Ende dieses Jahrhunderts. Wie wollen wir auf diesem Planeten weiterleben?
Deprimiert Sie das nicht?
Ich akzeptiere das und auch dass ich eines Tages sterben werde. Sonst kann ich das Leben nicht genießen. Aber ich habe Enkel, die es viel schwerer haben werden als ich und das macht mich unglücklich. Ich hasse es, Kindern Planet Ocean zu zeigen. Denn ich zeige ihnen eine Welt, die verschwinden wird. Ich kann ihnen nur sagen, seht her, was wir getan haben. Kopenhagen, Rio, Cancun haben nichts geändert. Es gibt immer noch keine Global Governance für die Meere. Nicht einmal die UNO konnte dies bisher erreichen. Die See gehört jedem und jeder kann sie ausbeuten. Also tue ich mein Bestes, um mit meinen Filmen und Fotographien ein anderes Bewusstsein zu schaffen.
Was ist Ihr nächstes Projekt?
Mein nächstes Projekt ist HUMAN. Der Film wird eine Komposition aus Interviews mit Menschen aus allen Schichten, mit unterschiedlichstem Hintergrund und aus mehr als 45 Ländern sein. Wenn ich diesen Film vollendet habe, werde ich nie wieder ein Flugzeug besteigen.
Yann Arthus Bertrand rüttelt auf mit seinem Film "Planet Ocean". |
Seit zwei Milliarden Jahren gibt es Wasser auf unserem Planeten. Wir kommen aus dem Meer, genau wie alles Leben auf dem Planeten. Ich will darstellen, wo wir herkommen und wohin wir einmal zurückkehren werden. Ich will aber auch zeigen, was wir im Meer anrichten.
Was zum Beispiel?
Wir fischen die Ozeane leer. Vor kurzem habe ich mir selbst einen Eindruck über den industriellen Fischfang gemacht. Ich bestieg ein deutsches Boot, das jedes Jahr 60.000 Tonnen Fisch fängt. 60.000 Tonnen. Das muss man sich mal vorstellen. Auf dem Boot arbeiten 57 Fischer. Ein einziger Fischer zieht also 1.000 Tonnen Fisch aus dem Wasser. Sehen Sie den Unterschied zu dem kleinen Fischer, der jeden Morgen sein Netz auswirft?
Ist es nicht effizient, wenn wenig Menschen möglichst viel Fisch fangen?
Nein, denn auf diesem Boot waren von 4.000 Fischen 2.000 illegal, zu klein und verboten. Die "Industriefischer" mussten für eine Woche den Fang unterbrechen und eine Strafe zahlen. Danach ging es unverändert weiter. Aber auch andere Europäer, Chinesen, Koreaner und Japaner beuten die See aus. Als Konsumenten machen wir uns keine Gedanken, wo der Fisch, den wir im Supermarkt kaufen, herkommt oder ob er bedroht ist. Als Unternehmen und Nationen leeren wir die Meere, obwohl wir wissen, dass kommerzieller Fischfang im Jahr 2050 ein Ende haben wird, weil die Fischfanggründe ausgebeutet sein werden. Trotzdem hat die Europäische Kommission die industrielle Fischerei mit Millionen von Euro subventioniert. Das ist Wahnsinn.
Aber es gibt doch Initiativen für nachhaltigen Fischfang.
Stimmt. Die Fischer sagen: Wir betreiben nur nachhaltigen Fischfang. Aber komischerweise will trotzdem niemand, dass eine Kamera mit an Bord ist. Denn sie fangen alles, auch Fische, die verboten sind. Man fischt wortwörtlich im Verborgenen. Selbst bei den vorbildlichen Schweden ist es verboten, den Fischfang zu filmen. Ich versuche das jetzt schon seit zehn Jahren.
Was schlagen Sie vor?
Wir müssen endlich damit aufhören, industriellen Fischfang zu subventionieren. Wir brauchen geschützte Areale, sonst können sich die Bestände nicht erholen. Bislang ist nur ein Prozent des Ozeans Schutzgebiet. Es müssten 20 Prozent sein, darum geht es auch in meinem Film Planet Ocean. Wir alle sollten etwas unternehmen. Ich für meinen Teil setze ich mich besonders für die Bekämpfung des menschgemachten Klimawandels ein. Wir wissen, dass wir wesentlich mehr CO2 emittieren, als wir uns in Kopenhagen und den vielen anderen Konferenzen vorgenommen haben, aber trotzdem machen wir weiter. Wir fahren Auto, fliegen, verschwenden Energie, als ob uns egal wäre, was mit dem Klima ist.
Woran liegt das nach Ihrer Ansicht?
Unsere Zivilisation will immer mehr. Mehr haben, mehr kaufen, mehr besitzen. Aber vor allem werden wir immer mehr. Als ich geboren wurde, gab es zwei Milliarden Menschen. Heute sind es sieben. Wir sollten lernen, mit weniger umzugehen, denn wir beuten die Ressourcen der Erde aus. Als ich für Planet Ocean in Shanghai war, habe ich nur gestaunt. Riesige Schiffe, Häfen, Industrie. Was das an Energie kostet. Das können wir uns mit endlichen Ressourcen wie Öl nicht ewig leisten. Die Zahlen, die den Klimawandel belegen, sind schrecklich. Trotzdem akzeptieren wir einen Temperaturanstieg von zwei bis sogar sechs Grad am Ende dieses Jahrhunderts. Wie wollen wir auf diesem Planeten weiterleben?
Deprimiert Sie das nicht?
Ich akzeptiere das und auch dass ich eines Tages sterben werde. Sonst kann ich das Leben nicht genießen. Aber ich habe Enkel, die es viel schwerer haben werden als ich und das macht mich unglücklich. Ich hasse es, Kindern Planet Ocean zu zeigen. Denn ich zeige ihnen eine Welt, die verschwinden wird. Ich kann ihnen nur sagen, seht her, was wir getan haben. Kopenhagen, Rio, Cancun haben nichts geändert. Es gibt immer noch keine Global Governance für die Meere. Nicht einmal die UNO konnte dies bisher erreichen. Die See gehört jedem und jeder kann sie ausbeuten. Also tue ich mein Bestes, um mit meinen Filmen und Fotographien ein anderes Bewusstsein zu schaffen.
Was ist Ihr nächstes Projekt?
Mein nächstes Projekt ist HUMAN. Der Film wird eine Komposition aus Interviews mit Menschen aus allen Schichten, mit unterschiedlichstem Hintergrund und aus mehr als 45 Ländern sein. Wenn ich diesen Film vollendet habe, werde ich nie wieder ein Flugzeug besteigen.
Ein Interview von Fritz Lietsch
Welches Fangschiff, ist bereit, Yann Arthus Bertrand an Bord filmen zu lassen? redaktion@forum-csr.net
Filmtipp Planet Ocean zeigt in herausragenden Luft- und Unterwasseraufnahmen, die in über 20 Ländern gedreht wurden, die Schönheit unserer Weltmeere - aber auch die Probleme, die der Mensch den marinen Ökosystemen mit seiner Bewirtschaftung bereiten. http://ocean.goodplanet.org |
Weiterlesen:
- forum-Artikel "Die neue EU-Fischereipolitik: Ein Ende der Überfischung?"
Das Ergebnis der Gemeinsamen Fischereipolitik der Europäischen Union in den vergangenen 30 Jahren ist: desaströs. Ändert die jüngste Reform der EU etwas
daran? Anna Holl vom WWF bezweifelt das.
- forum-Artikel "Da tickt eine Zeitbombe"
Die CO2-Konzentration lässt unsere Meere langsam versauern. Was heißt das für das Leben unter Wasser? Welche Küsten sind vom steigenden Meeresspiegel besonders bedroht? Meteorologe Mojib Latif im Gespräch.
Quelle:
Umwelt | Umweltschutz, 17.10.2013
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2013 - Hallo Klimawandel erschienen.
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