Bei deutschen Arbeitgebern steigt das Familienbewusstsein - 1000stes Unternehmen zertifiziert
Aber: Spagat zwischen Beruf und Familie muss weiter verringert werden
Frankfurt am Main - Im März konnte die berufundfamilie gGmbH - eine Initiative der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung - den 1.000sten Arbeitgeber mit dem Zertifikat zum audit "berufundfamilie" auszeichnen. Das strategische Managementinstrument hält maßgeschneiderte Lösungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie bereit und gilt in der deutschen Wirtschaft als Qualitätssiegel für Familienbewusstsein.
Genau 1.018 Arbeitgeber befinden sich aktuell im berufundfamilie-Netzwerk. Darunter sind 892 Unternehmen und Institutionen sowie 126 Hochschulen. Sie alle haben das seit 1999 angebotene audit "berufundfamilie" bzw. das audit "familiengerechte hochschule" genutzt, um Unternehmensziele und Mitarbeiterinteressen in eine tragfähige, wirtschaftlich attraktive Balance zu bringen. Das audit steht unter der Schirmherrschaft der Bundesfamilienministerin und des Bundeswirtschaftsministers und wird von den führenden deutschen Wirtschaftsverbänden empfohlen. Insbesondere in den letzten drei Jahren hat die berufundfamilie gGmbH ein erhöhtes Interesse der Arbeitgeber an der Zertifizierung wahrgenommen. Ein Indikator dafür, dass das Thema "Familienbewusste Personalpolitik" in der Gesellschaft angekommen ist und in der Arbeitswelt zunehmend Umsetzung findet. Dennoch gibt es viel Luft nach oben - zwischen einer flächendeckenden profamiliären Unternehmenskultur und der betrieblichen Wirklichkeit klaffen weiterhin Lücken.
Präsenzkultur ist Leitbild von gestern
"Sowohl bei Beschäftigten als auch bei Arbeitgebern herrscht weiterhin Entweder-Oder-Mentalität: entweder Karriere oder Familie", beobachtet Stefan Becker, Geschäftsführer der berufundfamilie gGmbH. "Beschäftigte, die familienbewusste Maßnahmen nutzen, stellen häufig ihre Karriereambitionen hinten an. Umgekehrt missverstehen Arbeitgeber Familienförderung vielfach als 'Outsourcing' von Familienaufgaben. So wird zu sehr auf betriebliche Maßnahmen gesetzt, mit denen sich Familien wegorganisieren lassen und die Beschäftigten weiterhin zu 100 Prozent im Betrieb Präsenz zeigen können. Eine wirkliche Vereinbarkeit ist dies nicht. Denn so erhält man keine frei verfügbare Zeit mit der Familie."
Familienbewusste Maßnahmen, die den Beschäftigten bei der Familienarbeit unterstützen - wie beispielsweise betriebsinterne Kindergärten oder auch Einkaufsservices - sind wichtige Angebote, sie sind jedoch nicht das Allheilmittel. Wie zahlreiche Beispiele der zertifizierten Arbeitgeber zeigen, gibt es auch eine Reihe von Lösungen, die mehr Zeit für Familie schaffen und den Beschäftigten weiterhin Karriereperspektiven eröffnen: Langzeitkonten zur Flexibilisierung der Arbeitszeit, mobile Telearbeit, Freistellung aus familiären Anlässen, stufenweiser Aufbau der Arbeitszeit während und nach der Elternzeit, Planung und Durchführung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen unter Berücksichtigung familiärer Belange, Wiedereinstiegsprogramme.
Herausforderungen von morgen angehen
Die berufundfamilie gGmbH weist zudem darauf hin, dass sich deutsche Arbeitgeber schneller auf einschneidende demografische Entwicklungen einstellen müssen. Damit rückt vor allem das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Pflege in den Fokus. Betroffen davon sind vor allem Frauen, die nach der Kindererziehung oft gar nicht in den Beruf zurückkehren, sondern direkt in die Pflege der Angehörigen übergehen. Wie schwer sich die deutschen Arbeitgeber jedoch bei diesem Thema tun, zeigen die jüngsten Umfrageergebnisse der berufundfamilie gGmbH: 71 Prozent der deutschen Arbeitgeber kennen keine betrieblichen Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege. 62 Prozent haben sich bislang noch nicht einmal mit dem Thema beschäftigt.1 Stefan Becker weist darauf hin: "Wir sehen bei dem Thema Beruf und Pflege deutliche Parallelen zur Kinderbetreuung. Damals waren die Arbeitgeber mit konkreten betrieblichen Maßnahmen auch sehr zurückhaltend, die Wirtschaft lief dem Thema regelrecht hinterher. Heute sind die Maßnahmen auch wegen ihrer betriebswirtschaftlichen Vorteile durchweg anerkannt - dahin müssen wir auch mit der Pflege
kommen."
Familienbewusste Personalpolitik lässt sich nur über eine systematische Auseinandersetzung mit dem Thema Vereinbarkeit erreichen. Das audit berufundfamilie setzt genau da an, indem es den betrieblichen Bedarf und das spezifische Potential ermittelt. Daraus lassen sich dann maßgeschneiderte und praktische Lösungen entwickeln - viele davon kurzfristig, kostengünstig und ohne großen organisatorischen Aufwand.
Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung hat 1998 die berufundfamilie gGmbH gegründet, die seitdem alle Aktivitäten der Stiftung im gleichnamigen Themenfeld bündelt. Die berufundfamilie gGmbH gilt heute bundesweit als herausragender Kompetenzträger in Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sie ist der Ideen- und Impulsgeber in diesem Themenbereich und zentraler Akteur bei der Zertifizierung einer familienbewussten Personalpolitik. Das Bundesfamilienministerium fördert das audit berufundfamilie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft - BDA, BDI, DIHK und ZDH - empfehlen das audit. Die berufundfamilie gGmbH besitzt die europaweiten Markenrechte am audit. Sie entscheidet über die Vergabe der audit-Zertifikate. Zertifikate zum audit berufundfamilie wurden erstmals 1999 vergeben. Seit 2002 wird das audit auch Hochschulen als "audit familiengerechte hochschule" angeboten. Einsetzbar in allen Branchen und Betriebsgrößen, erfasst das audit den Status quo der bereits angebotenen Maßnahmen zur besseren Balance von Beruf und Familie, entwickelt systematisch das betriebsindividuelle Potenzial und sorgt mit verbindlichen Zielvereinbarungen dafür, dass Familienbewusstsein in der Unternehmenskultur verankert wird. Nach erfolgreichem Abschluss dieses Prozesses erhalten die Unternehmen und Institutionen das "Zertifikat zum audit berufundfamilie". Die praktische Umsetzung wird von der berufundfamilie gGmbH überprüft. Nach drei Jahren können im Rahmen einer Re-Auditierung weiterführende Ziele vereinbart werden. Nur bei erfolgreicher Re-Auditierung darf das Unternehmen das "Zertifikat zum audit berufundfamilie" unverändert weiterführen.
Kontakt: berufundfamilie gGmbH, Stefan Becker (Geschäftsführer)
S.Becker@beruf-und-familie.de | www.beruf-und-familie.de
Genau 1.018 Arbeitgeber befinden sich aktuell im berufundfamilie-Netzwerk. Darunter sind 892 Unternehmen und Institutionen sowie 126 Hochschulen. Sie alle haben das seit 1999 angebotene audit "berufundfamilie" bzw. das audit "familiengerechte hochschule" genutzt, um Unternehmensziele und Mitarbeiterinteressen in eine tragfähige, wirtschaftlich attraktive Balance zu bringen. Das audit steht unter der Schirmherrschaft der Bundesfamilienministerin und des Bundeswirtschaftsministers und wird von den führenden deutschen Wirtschaftsverbänden empfohlen. Insbesondere in den letzten drei Jahren hat die berufundfamilie gGmbH ein erhöhtes Interesse der Arbeitgeber an der Zertifizierung wahrgenommen. Ein Indikator dafür, dass das Thema "Familienbewusste Personalpolitik" in der Gesellschaft angekommen ist und in der Arbeitswelt zunehmend Umsetzung findet. Dennoch gibt es viel Luft nach oben - zwischen einer flächendeckenden profamiliären Unternehmenskultur und der betrieblichen Wirklichkeit klaffen weiterhin Lücken.
Präsenzkultur ist Leitbild von gestern
"Sowohl bei Beschäftigten als auch bei Arbeitgebern herrscht weiterhin Entweder-Oder-Mentalität: entweder Karriere oder Familie", beobachtet Stefan Becker, Geschäftsführer der berufundfamilie gGmbH. "Beschäftigte, die familienbewusste Maßnahmen nutzen, stellen häufig ihre Karriereambitionen hinten an. Umgekehrt missverstehen Arbeitgeber Familienförderung vielfach als 'Outsourcing' von Familienaufgaben. So wird zu sehr auf betriebliche Maßnahmen gesetzt, mit denen sich Familien wegorganisieren lassen und die Beschäftigten weiterhin zu 100 Prozent im Betrieb Präsenz zeigen können. Eine wirkliche Vereinbarkeit ist dies nicht. Denn so erhält man keine frei verfügbare Zeit mit der Familie."
Familienbewusste Maßnahmen, die den Beschäftigten bei der Familienarbeit unterstützen - wie beispielsweise betriebsinterne Kindergärten oder auch Einkaufsservices - sind wichtige Angebote, sie sind jedoch nicht das Allheilmittel. Wie zahlreiche Beispiele der zertifizierten Arbeitgeber zeigen, gibt es auch eine Reihe von Lösungen, die mehr Zeit für Familie schaffen und den Beschäftigten weiterhin Karriereperspektiven eröffnen: Langzeitkonten zur Flexibilisierung der Arbeitszeit, mobile Telearbeit, Freistellung aus familiären Anlässen, stufenweiser Aufbau der Arbeitszeit während und nach der Elternzeit, Planung und Durchführung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen unter Berücksichtigung familiärer Belange, Wiedereinstiegsprogramme.
Herausforderungen von morgen angehen
Die berufundfamilie gGmbH weist zudem darauf hin, dass sich deutsche Arbeitgeber schneller auf einschneidende demografische Entwicklungen einstellen müssen. Damit rückt vor allem das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Pflege in den Fokus. Betroffen davon sind vor allem Frauen, die nach der Kindererziehung oft gar nicht in den Beruf zurückkehren, sondern direkt in die Pflege der Angehörigen übergehen. Wie schwer sich die deutschen Arbeitgeber jedoch bei diesem Thema tun, zeigen die jüngsten Umfrageergebnisse der berufundfamilie gGmbH: 71 Prozent der deutschen Arbeitgeber kennen keine betrieblichen Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege. 62 Prozent haben sich bislang noch nicht einmal mit dem Thema beschäftigt.1 Stefan Becker weist darauf hin: "Wir sehen bei dem Thema Beruf und Pflege deutliche Parallelen zur Kinderbetreuung. Damals waren die Arbeitgeber mit konkreten betrieblichen Maßnahmen auch sehr zurückhaltend, die Wirtschaft lief dem Thema regelrecht hinterher. Heute sind die Maßnahmen auch wegen ihrer betriebswirtschaftlichen Vorteile durchweg anerkannt - dahin müssen wir auch mit der Pflege
kommen."
Familienbewusste Personalpolitik lässt sich nur über eine systematische Auseinandersetzung mit dem Thema Vereinbarkeit erreichen. Das audit berufundfamilie setzt genau da an, indem es den betrieblichen Bedarf und das spezifische Potential ermittelt. Daraus lassen sich dann maßgeschneiderte und praktische Lösungen entwickeln - viele davon kurzfristig, kostengünstig und ohne großen organisatorischen Aufwand.
Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung hat 1998 die berufundfamilie gGmbH gegründet, die seitdem alle Aktivitäten der Stiftung im gleichnamigen Themenfeld bündelt. Die berufundfamilie gGmbH gilt heute bundesweit als herausragender Kompetenzträger in Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sie ist der Ideen- und Impulsgeber in diesem Themenbereich und zentraler Akteur bei der Zertifizierung einer familienbewussten Personalpolitik. Das Bundesfamilienministerium fördert das audit berufundfamilie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft - BDA, BDI, DIHK und ZDH - empfehlen das audit. Die berufundfamilie gGmbH besitzt die europaweiten Markenrechte am audit. Sie entscheidet über die Vergabe der audit-Zertifikate. Zertifikate zum audit berufundfamilie wurden erstmals 1999 vergeben. Seit 2002 wird das audit auch Hochschulen als "audit familiengerechte hochschule" angeboten. Einsetzbar in allen Branchen und Betriebsgrößen, erfasst das audit den Status quo der bereits angebotenen Maßnahmen zur besseren Balance von Beruf und Familie, entwickelt systematisch das betriebsindividuelle Potenzial und sorgt mit verbindlichen Zielvereinbarungen dafür, dass Familienbewusstsein in der Unternehmenskultur verankert wird. Nach erfolgreichem Abschluss dieses Prozesses erhalten die Unternehmen und Institutionen das "Zertifikat zum audit berufundfamilie". Die praktische Umsetzung wird von der berufundfamilie gGmbH überprüft. Nach drei Jahren können im Rahmen einer Re-Auditierung weiterführende Ziele vereinbart werden. Nur bei erfolgreicher Re-Auditierung darf das Unternehmen das "Zertifikat zum audit berufundfamilie" unverändert weiterführen.
Kontakt: berufundfamilie gGmbH, Stefan Becker (Geschäftsführer)
S.Becker@beruf-und-familie.de | www.beruf-und-familie.de
Quelle:
Wirtschaft | CSR & Strategie, 17.04.2012
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