Hydrogen Dialogue 2024

Das öffentliche Auto

Neue Mobilitätskonzepte mit vernetzter Elektromobilität

E-Mobility-Pilotversuche belegen, dass die Testkunden vom elektrischen Fahren begeistert sind. Die Geräuschlosigkeit, die Kraftübertragung von Anfang an, aber auch die Bremskraftrückgewinnung werden immer wieder genannt, wenn es um die Faszination der E-Mobile geht. Doch wenn die Frage auf die Kaufbereitschaft kommt, ist es vorbei mit der Euphorie.

Dann werden all die unerfreulichen Unzulänglichkeiten angeführt: die beschränkte Reichweite, die lange Ladezeit, die Krux mit der energiezehrenden Heizung, der drohende Winter und so weiter. Bei allen Klagen schimmert der Vergleich mit dem konventionellen Universalauto durch. Zum K.O. führt schließlich der Preis. Elektroautos sind in der Anschaffung doppelt so teuer wie herkömmliche Autos. Der normale Käufer wird sich ein Elektroauto nicht leisten.

E-Mobile neu denken

Denken wir doch das Elektroauto mal ganz anders, nicht als das neue Universalauto. Lösen wir uns vom alten Vergleichsmaßstab. Denken wir es vernetzt. Vernetzt mit öffentlichen Verkehrsmitteln in einer integrierten Dienstleistung. Die könnte so funktionieren: Man hat ein Mobiltelefon oder eine Chipkarte und kann damit durchgängig alle Verkehrsmittel nutzen, auch das öffentliche E-Auto. Die "Intermodal-App" macht's möglich. Man fährt ohne nachzudenken und erst am Monatsende kommt die Rechnung. Das Auto ist Teil einer professionell gemanagten und öffentlich genutzten Verkehrsflotte.

E-Mobile im Flottenmanagement lassen sich gegenüber privat genutzten Fahrzeugen kontrolliert einsetzen, erreichen eine höhere Fahrleistung und sind effizienter. Entscheidend ist aber, dass sie bei Nichtgebrauch angestöpselt und mit dem Stromnetz vernetzt sind. So bilden sie eine zusätzliche Speicheroption, um die wachsende unregelmäßige Stromproduktion einzufangen, die mit dem Ausbau von Wind- und Solaranlagen verbunden ist. Vehicle to Grid (V2G) heißt das Geschäftsmodell, bei dem E-Fahrzeuge zu Puffern für überschüssigen regenerativen Strom werden, vorzugsweise in der Nacht und an nachfragearmen Wochenenden. Voraussetzung ist aber, dass die Fahrzeuge auch tatsächlich als verlässliche "Auffangbecken" zur Verfügung stehen. In Flotten wäre das der Fall.

E-Mobile als Teil erstens des öffentlichen Verkehrs und zweitens des Smart Grids funktionieren nur, wenn sie mit dem Internet verbunden sind. Das ist die dritte Vernetzung.

Abschied vom Privatauto

Diese mehrfach vernetzte E-Mobilität bedeutet den sukzessiven Ausstieg aus dem privaten Autoverkehr und die Verbreitung der gemeinschaftlichen Autonutzung, des Carsharing. Damit sind gleich mehrere Vorteile verbunden. Die Nutzung eines geteilten Elektroautos ist für den Einzelnen bezahlbar, er zahlt nur, wenn das Auto auch genutzt wird. Zudem passen die Streckenprofile von Autofahrten in städtischen Gebieten - täglich durchschnittlich unter 50 Kilometer - zur Reichweite des Elektroautos. Darüber hinaus steht ein kalkulierbarer Teil der Flotte für längere Intervalle an Stationen und kann als "Speicher und Kraftwerk auf Rädern" im Smart Grid fungieren. Flottenbetreiber profitieren nicht nur von günstigen Stromtarifen, sondern können in Zeiten erhöhter Nachfrage nach grünem Strom Einspeisevergütungen erhalten.

So utopisch wie es klingen mag, ist dieses Modell im Übrigen gar nicht. Im Rahmen des vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Modellvorhabens "BeMobility" in Berlin und Brandenburg wurde ein solches integriertes Mobilitätsangebot entwickelt (siehe www.bemobility.de) und im Sommer 2011 von über 1.500 Kunden getestet, die mit mehr als 30 verschiedenen E-Fahrzeugen über 250.000 Kilometer zurückgelegt haben. Das Angebot umfasste Zeitkarten für den öffentlichen Verkehr, ein variables Zeitkontingent für Carsharing-E-Autos sowie die Nutzung der öffentlichen Mieträder der Deutschen Bahn. Alles zusammen war deutlich preisgünstiger als die Summe der Einzelleistungen. Autos und Räder konnten bequem über ein App auf dem Smartphone gebucht werden. Ein zentrales Ergebnis war, dass die Teilnehmer des mehrmonatigen Versuchs ihr Privatauto immer weniger genutzt haben und gleichsam eine intermodale Verkehrspraxis "erlernt haben".

Mut zu Entscheidungen

Will man die Unverbindlichkeit von Pilotversuchen überwinden und tatsächlich zu attraktiven intermodalen Angeboten kommen, sind die Rahmenbedingungen dafür erst noch zu schaffen. Liebgewonnene Privilegien für das private Auto müssen fallen, der öffentliche Raum muss praktisch neu aufgeteilt und für Sharingkonzepte zugänglich gemacht werden. Öffentliche Autos und Fahrräder müssen überall dort abgestellt werden können, wo Platz ist. Bisher wird um jeden einzelnen Stellplatz gekämpft, während private Fahrzeuge im öffentlichen Raum umsonst oder mit Anwohnerplaketten kostengünstig parken dürfen. Darüber hinaus bedarf es ausreichend vieler Ladestationen und eines einheitlichen und einfachen Zugangs zu den unterschiedlichen Ladepunkten. Die Kommunen und Gebietskörperschaften müssen Farbe bekennen. Denn klar ist: Eine ernsthafte Förderung urbaner Intermodalität geht zu Lasten privat genutzter Verkehrsflächen. Das erlebt Paris mit seinem ehrgeizigen Velib- und Autolib-Programm, dort werden in großem Stil Straßen- und Parkflächen zu intermodalen Stationen umgewidmet. Auch London und New York stellen raren öffentlichen Raum für public-bike-Stationen zur Verfügung und verknappen damit den Platz für Privatautomobilisten. Ohne Mut zu unbequemen Entscheidungen wird es nicht gehen.

Weiterführende Literatur und mehr zum Konzept der vernetzten E-Mobilität:

Weert Canzler und Andreas Knie: Einfach aufladen. Mit Elektromobilität in eine saubere Zukunft, München: oekom Verlag 2011, 121 S., 9,95 Euro.
 
 
Von Weert Canzler und Andreas Knie

Quelle:
Technik | Mobilität & Transport, 04.01.2012

     
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