Öl weiterverwenden statt wechseln

Ein neues Verfahren schont die wertvolle Ressource Öl und vermindert Entsorgungs-, Transport- und Kostenaufwand

Bohrinsel-Havarien, Tankerkatastrophen und immer riskantere Explorationen machen es heute mehr denn je deutlich: Die Ölreserven schwinden unwiderruflich, Förderung und Transport werden ständig gefährlicher. Der Preis für das Schwarze Gold, prognostizieren Fachleute, wird stetig steigen. Alle wissen längst, dass wir wesentlich schonender als bisher mit der begrenzten Ressource umgehen sollten, bis sie durch andere Energieformen ersetzt werden kann. Die "Öldialyse" könnte nun bei Fuhrparks und kommunalen Betrieben Furore machen: Das Verfahren schont gleichermaßen Ölreserven und knappe Budgets.

Öldialysemaschine in 3D: Das gebrauchte Öl wird abgesaugt, zwischengespeichert, erwärmt, nach Erreichen der richtigen Temperatur durch die Mikrofiltereinheit geleitet und voll schmierfähig in den Motor zurückgepumpt. Messfühler, Ventile und Überwachungstechnik garantieren den korrekten Ablauf.
Markus Kemper beschäftigt sich seit Jahren damit, wie der Ölverbrauch reduziert werden kann. Zusammen mit erfahrenen Wissenschaftlern, die sich mit Reibung, Schmierung, Verschleiß auseinandersetzen - sogenannten Tribologen - entwickelte er so eine bahnbrechende Technologie. Zu Beginn experimentierte er mit Nebenstromfiltern. Sie halten das Motoröl länger schmierfähig, was sich in einigen Mercedes-Modellen bis hin zum US-Militär schon vor Jahrzehnten bewährt hat.

Nun hat Kemper seine Technologie mit innovativen Zutaten flächendeckend nutzbar gemacht. Seine Firma IMT (Innovative Maschinentechnologie) nimmt die Reinigung außerhalb der Fahrzeuge vor. Das Motoröl wird in die Öldialyse-Maschine eingefüllt, erwärmt, mikrofiltriert und dann dem Motor wieder zugeführt. Im sachsen-anhaltinischen Dessau-Roßlau werden die kühlschrankgroßen Geräte seit Kurzem produziert.

"Das Verfahren ist ausgereift", sagt der Entwickler. Alle Teilchen, die die Schmierfähigkeit beeinträchtigen, zum Beispiel Metallabrieb, Staub, Ruß und Wasser größer als 1µ werden im Herzstück der Maschine, einem speziellen Mikrofiltersystem, entfernt. Verbleibende kleinste Teile von kolloidem Kohlenstoff (Graphit) sorgen zusätzlich für hervorragende Schmiereigenschaft.

"Wie das Blut eines nierenkranken Menschen nach der Dialyse ist das Öl danach wieder voll einsetzbar und erfüllt die Reinheitsklassen-Norm der Mineralöl-Hersteller", erklärt Kemper, der sich dieses Ergebnis auch in Hunderten von Laboranalysen bestätigen ließ. Die Additive bleiben indes weitestgehend erhalten und werden zudem durch die notwendige Nachfüllölmenge von etwa fünf Prozent zusätzlich aufgefrischt.

Die Ölreinigungsintervalle entsprechen den herkömmlichen Wechseln. Sie dauern nur 20 Minuten. Nach derzeitigem Stand empfiehlt IMT nach vier Öldialysen einen Austausch mit Frischöl. Dieser Zyklus soll sich durch Weiterentwicklung und ständige begleitende Analysen ausdehnen lassen.

Starteten Ende September die Produktion der Öldialyse-Maschinen: Reiner Haseloff, Wirtschaftsminister des Landes Sachsen-Anhalt und Förderer der Öldialyse, Markus Kemper, Geschäftsführer IMT und Entwickler und Alexander Pederzani, Vorsitzender der Geschäftsführung von EUROPART (v.l.)
Allein in Deutschland könnte man, so Kemper, mit dieser Methode rund 300.000 Tonnen jährlich anfallendes Altöl und dessen Entsorgung bzw. energieintensive Wiederaufbereitung vermeiden - sowie natürlich den Verbrauch des Frischöls samt Transport und Lagerung.

Neben den ökologischen Vorteilen lockt der Kostenfaktor. Die Öldialyse-Maschinen vertreibt der IMT-Partner EUROPART, größter europäischer Teilehändler im Nutzfahrzeugsektor. Auch ohne den Verdienst für das bei herkömmlichen Wechseln verkaufte Frischöl, rechnet EUROPART-Chef Alexander Pederzani für Lkw- und Bus-Werkstätten vor, erzielt die Öldialyse betriebswirtschaftlich ein Plus. Die Reinigung kann so problemlos günstiger als herkömmliche Ölwechsel kalkuliert werden. "Die Öldialyse ist eines der ganz wenigen umweltschonenden Verfahren, das nicht nur wenig kostet, sondern auch noch Geld verdient", betont Kemper.

Die beiden Unternehmer zielen mit ihrem Angebot auf Speditionen, kommunale Betriebe und größere Kfz-Werkstätten. Sie rechnen anfangs mit Gegenwind von Automobilherstellern und Mineralölindustrie, die mit den Kfz-Betrieben traditionell eng verwoben sind.

Keine Bedenken hat indes der Allianz-Konzern. Jeder Motor ist zwischen den Reinigungsintervallen durch den Assekuranzriesen voll versichert.

Der Oberbürgermeister der Stadt Dessau-Roßlau ließ bei seinen kommunalen Bussen und Lkw schon Öl reinigen statt wechseln. Klemens Koschig: "In Dessau-Roßlau wurden einst etwa von Prof. Hugo Junkers Innovationen geschaffen, die um die ganze Welt gingen. Daher haben wir die Entwicklung der Öldialyse von Anfang an unterstützt, zumal dies auch den Forderungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes entspricht, das die Abfallvermeidung in den Fokus des Handelns rückt. Wir können die Anwendung dieser ressourcenschonenden, umweltfreundlichen und zugleich kostensparenden Technologie in den Fuhrparks der öffentlichen und privaten Betriebe nur empfehlen. Wir hoffen, dass weitere Kommunen unserem Beispiel folgen werden."

Der Nutzfahrzeug-Bereich ist durch die Konzentration der Betriebe und die größeren Füllmengen mit Öldialysemaschinen logistisch anfangs leichter zu bedienen. Doch dabei soll es nicht bleiben: "Wir wollen perspektivisch natürlich auch den Pkw-Sektor bedienen. Ein Prototyp ist bereits fertig. Außerdem sind wir gerade dabei, den Bereich der Hydrauliköle zu erschließen", kündigt Kemper an.

Für Schiffe und Kraftwerke sei die Öldialyse ebenfalls einsetzbar. Dafür müssten lediglich größere Geräte entwickelt werden. Spannende Perspektiven, für Umwelt und Verbraucher.
 
 
Von Tina Teucher
 





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Quelle:
Umwelt | Ressourcen, 17.01.2011
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2011 - Green Building erschienen.
     
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