Klimawandel in der Daily Soap?

Wie Nachhaltigkeitsthemen in die Massenmedien kommen

Wie lässt sich die breite Masse mit Nachhaltigkeitsthemen über die Medien erreichen? Themen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit, Artensterben, ungesunde Ernährungsgewohnheiten und mangelnde Sozialstandards finden zwar immer mehr Einzug in die Medien, jedoch richten sich die Formate bisher in erster Linie an die "Bildungselite" und den sogenannten LOHAS, einen neuen Konsumententyp, der ethisch und nachhaltig konsumieren will. Was fehlt, sind langfristige Lösungen und Strategien zur Integration von nachhaltigen Themen in massentaugliche Medienformate, die von breiten Bevölkerungsschichten (Mainstreamkonsumenten) angenommen werden und zu einem umweltfreundlicheren und sozialen Lebensstil anregen. Medien aus dem Bereich Unterhaltungs-TV, Print und Online können dabei eine zentrale Rolle einnehmen.

Paradebeispiel für Ecotainment: In der neuseeländischen Serie WA$TED! Save your Planet, save your Cash zeigen Francesca Price und Tristan Glendinning vielfältige Möglichkeiten, den Alltag nachhaltig zu gestalten.
Foto: © WA$TED / Jae Frew
In einer neuen Studie hat das UNEP/Wuppertal Institute Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP) jetzt gemeinsam mit Kooperationspartnern die mögliche Integration von Nachhaltigkeitsthemen in die Massenmedien untersucht. Das Ergebnis: Die Nutzer von Massenmedien stammen in der Regel aus mittleren bis niedrigen sozio-ökonomischen Schichten und erwarten, Informationen auf emotionale und affektive Weise übermittelt zu bekommen. Sie wünschen sich außerdem Berichte, die auf ihre persönliche Lebenssituation Bezug nehmen und alltagstauglich sind.

Zwar ist die Gruppe der Mainstreamkonsumenten recht heterogen, doch existieren bestimmte Vorlieben und Rezeptionsmuster. So weisen wissenschaftliche Untersuchungen darauf hin, dass Mainstreammediennutzer das Gesehene auf ihren Alltag übertragen können (z.B. Darstellungen von Nachhaltigkeitsinhalten in Doku-Soaps, Seifenopern, Reality Shows oder Infotainment-Formaten), wenn Informationen in unterhaltsame Geschichten eingebettet werden. Eine vielversprechende Strategie hierzu ist das Entertainment-Education (Edutainment), welches (1) die Einbettung von nachhaltigen Botschaften in Unterhaltungsformate fördert, (2) partizipative Anschlusskommunikation (in Form von Online Chats, Diskussionsveranstaltungen etc.) für die Mediennutzer begleitend zum Format anbietet und (3) diese Aktivitäten mit Forschung begleitet.

Vom Faktenwissen zum Entertainment
Entertainment-Education spricht Menschen vor dem Fernsehen, dem Radio oder im Theater an und vermittelt ihnen ein gesundes und umweltbewusstes Verhalten. Durch Entertainment-Education können ebenso soziale Probleme in Gemeinschaften (Familie, Freundeskreis oder Dorfgemeinde) thematisiert und Lösungen aufgezeigt werden. Die Idee, Unterhaltung und Bildung zu verbinden, ist nicht neu. Sie geht auf die Ursprünge der Menschheit zurück, in der Weisheit und Moral durch die Kunst des Geschichtenerzählens vermittelt wurden. Seit vielen Jahrhunderten nutzen Gesellschaften dramatische Darbietungen, Gesang oder Tanz, um Menschen zu unterhalten und gleichzeitig Wissen zu vermitteln, soziale Veränderungsprozesse aufzuzeigen und womöglich auch herbeizuführen. Die bewusste und wissenschaftlich erforschte Kombination von unterhaltenden und bildenden Botschaften jedoch ist ein Phänomen der letzten 25 Jahre.

Wie kommen komplexe Themen wie Nachhaltigkeit in eine Reality Show?
Im Rahmen der soeben erschienenen Studie wurden Best-Practice-Beispiele untersucht, welche zielgruppenspezifisch Nachhaltigkeitsthemen in Entertainment Formaten aufgreifen. Ein erfolgreiches Beispiel aus dem TV-Bereich sei im Folgenden vorgestellt:

Echt Elly ist eine Reality-Show zum Thema Nachhaltigkeit, die vom niederländischen regionalen Bildungskanal ETV.nl entwickelt und ausgestrahlt wurde. Echt Elly war die erste Reality-Show in den Niederlanden, die auf eine Kooperation mit Regierungsvertretern setzte, um nachhaltiges Konsumverhalten zu fördern (z.B. den Umgang mit Treibstoff, Wasser, Abfall, Strom sowie allgemein mit Gütern und Dienstleistungen).

2007 entwickelten TV-Produzenten von ETV.nl die Idee einer Reality-Show zum Thema "nachhaltiger Konsum". Zielgruppe sollten Menschen mit schwächerem sozio-ökonomischem Hintergrund sein, die in einer bestimmten niederländischen Region (vergleichbar mit der deutschen Bundesländerebene) leben, in der ETV.nl ausgestrahlt wird und die mit einem solchen Format sehr gut erreicht werden könnten. Der Sender engagierte freie Autoren und es kristallisierte sich die Idee heraus, eine Prominenten-Reality-Show mit der bei dieser Zielgruppe sehr beliebten Elly Lockhorst zu produzieren. Elly Lockhorst erklärte sich bereit, bei der Sendung entsprechend mitzuwirken, um authentisch darzustellen, wie sie ihre Konsumgewohnheiten hin zu mehr Nachhaltigkeit umstellt und auf welche Hürden und Erfolgserlebnisse sie dabei trifft. Das Publikum wird in das Geschehen einbezogen: Welche nachhaltigen Produkte und Dienstleistungen Elly Lockhorst einkauft, wie sie mit Wasser und Strom umgeht, ihren Abfall recycelt und welche Verkehrsmittel sie nutzt. Eine Botschaft der Sendung lautet "Ressourcen und Geld sparen und dabei stylish sein wie Elly Lockhorst".

Was waren die Erfolgsfaktoren, die dieses TV-Format so erfolgreich werden ließen?
  • Nachhaltigkeitsexpertise: Der Sender arbeitete mit Regierungsexperten aus dem Nachhaltigkeitsbereich zusammen, die wertvolle Ratschläge und Feedback gaben, aber auch Hintergrundwissen zu Nachhaltigkeit, um die Sendung erfolgreich zu machen.

  • Zielgruppe: Die Zielgruppe des Formates wurde klar definiert.

  • Personalisierte Emotionen: Die Betonung der Nachhaltigkeitsbotschaften lag auf personalisierten Emotionen.

  • Alltagsnahe, authentische Darstellung: Die Alltagsnähe der Inhalte (positive wie auch negative) machte die Botschaften authentisch und führte dazu, dass die Zuschauer/-innen sich offen zeigten, Informationen und Alltagstipps zu nachhaltigem Konsum anzunehmen.

  • Prominente Person: Durch die Entscheidung, eine prominente Person (Testimonial) einzusetzen, die bei der Zielgruppe einen hohen Grad an Popularität genießt, steigerte das Format die Identifikation für Nachhaltigkeitsbotschaften, die somit als verlässlich akzeptiert wurden.

  • Anschlusskommunikation: Damit die Zuschauer Hilfestellung für einen nachhaltigeren Lebensstil bekamen, stellten die Projektverantwortlichen Lernmaterialien im Internet zur Verfügung, und organisierten z.B. Veranstaltungen, an denen Elly Lockhorst teilnahm und für nachhaltiges Verhalten warb.

  • Forschung: Eine begleitende Evaluationsforschung garantierte verlässliche Aussagen über die tatsächliche Wirkung. Zentrales Ergebnis war, dass die Zuschauer/-innen aus der Show gelernt haben und bereit waren, ihr Verhalten zu ändern.

Maßnahmen für erfolgreiches Nachhaltigkeits-Agendasetting
Um Entertainment-Education-Formate wie Echt Elly erfolgreich umzusetzen, bedarf es laut der Studie des CSCP einer engen Kooperation zwischen den Akteuren, die an der Schnittstelle Nachhaltigkeitsthemen und deren Umsetzung in (Unterhaltungs-) Medien arbeiten: Journalisten, Zuschauern, NGOs, Politik und Medienunternehmen. Die Autoren der Studie entwickelten vier zentrale Handlungsfelder mit entsprechenden Maßnahmen (vgl. Abbildung):

1. Informationsaustausch zum Thema Nachhaltigkeit anregen: Ein z.B. webbasiertes Kompetenzzentrum bündelt Informationen rund um Nachhaltigkeit, das den Dialog fördert und zu dem Journalisten unkompliziert Zugang finden.

2. Lernen & Bildung fördern: Diverse Weiterbildungs- und Schulungsangebote, die es derzeit in der Breite noch nicht gibt, sensibilisieren Journalisten/Medienmacher und vermitteln gezielt Wissen zum Thema.

3. Finanzielle Unterstützung: Die Studie regt konkrete finanzielle Unterstützung zum Thema Medien und Nachhaltigkeit an.

4. Forschung und Entwicklung fördern: Nachhaltige Medienformate können nur dann gefördert und verbessert werden, wenn Aussagen über die Reichweite und das Potenzial von Veränderungsprozessen getroffen werden können. Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen für nachhaltige Medienformate sehen die Autoren der Studie daher in der Praxis als wichtigen Indikator und Beschleuniger für Bewusstseins- und Verhaltensänderungen an.
 
 
Von Nadine Pratt, Sarah Lubjuhn und Martina Hoffhaus
 
 
 
Die Studie "Wie kommen Nachhaltigkeitsthemen verstärkt in die Medien" wurde vom UNEP/Wuppertal Institute Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production in Kooperation mit messagepool - Agentur für Nachhaltigkeitskommuniaktion, dem Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Duisburg-Essen und der Forschungsgruppe "Nachhaltiges Produzieren und Konsumieren" des Wuppertal Instituts durchgeführt. Weiterführende Ergebnisse und Literatur zur Studie können unter http://www.scp-centre.org abgerufen werden. Unter der Rubrik "Publications" kann die Studie in deutscher und englicher Sprache heruntergeladen werden.





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Quelle:
Gesellschaft | Bildung, 12.08.2010

     
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