Fairnünftig investieren

"Können Sie Ihrer Investition die Hand schütteln?"

"Können Sie Ihrer Investition die Hand schütteln?" Nicht jeder Investor kann hier mit dem Kopf nicken. Seit Jahren stelle ich diese Frage sowohl in meiner Funktion als Asset Manager wie auch meinen MBA-Studenten. Wenn es um Geldanlagen geht, sind die Denkmuster, Prozesse und Modelle oft sehr weit weg vom echten Leben. Die Infoplattform www.Microfinance.at sucht seit einiger Zeit nach Alternativen. Gemeinsam mit aktiven "Über-den Tellerrand-Schauern" aus ganz Europa, ich nenne sie "Sucher", brechen wir regelmäßig auf, um uns in der echten Welt nach Investition mit "Hand & Fuß" umzuschauen. Am "BoP" (Bottom of the Pyramid) werden wir fündig.

Microunternehmern vor der Haustüre der EU geben uns regelmäßig zwei Dinge. Erstens: Lektionen in gelebter Hoffnung, Demut vor dem Leben und unserer Mutter Erde, visionäres Denken und Solidarität (ja das gibt es im echten Leben wirklich noch). Zweitens: Man schüttelt uns mit Blick in die Augen die Hand - können das Ihre Investments auch?

Karger Boden, gutes Leben: Unerschrocken führt der kleine Artan die Kuh der Familie über die Weide. Ein Microkredit von 900 Euro ermöglichte den "Kuhhandel". Von den Erträgen ihres Käses kann die ganze Familie leben.
Foto: © Leopold Seiler
Was haben ein Zahnarzt aus München, ein Industrieller aus Hamburg, ein VWL-Professor aus Wien und einige Privatinvestoren gemeinsam? Im April waren alle sie alle in Moldawien Zeugen des bewegenden Beweises, dass man alles schaffen kann. Wir stehen im Abendrot von Dubasvarii Vechi, der ärmsten Gegend im ärmsten Land Europas. Rund 60 Prozent der Bevölkerung leben von weniger als 80 Euro-Cent pro Tag. Mit schwieligen Händen schenkt uns der Nebenerwerbslandwirt Iwan im wahrsten Sinne des Wortes "reinen Wein" ein. Selbstgemacht, schlicht und ehrlich. Uns zu Ehren stimmt er mit verschmitztem Lächeln auf seiner Violine Melodien von Mozart und Strauß an. Denn eigentlich ist er Musiklehrer an der Universität. Sein Gehalt hätte nicht gereicht, die Migration mit Frau und Kind war eine Option, ein Microkredit hingegen die bessere Alternative. Auf seinem Bauernhof klingt ein aufregender Reisetag aus. Wie hat er begonnen?

Kühl war es heute morgen in Chisinau, der Hauptstadt des ärmsten Landes Europas. Wir, eine Gruppe von 15 "Suchern" stehen vor dem Hotel und warten auf Igor, unseren Betreuer beim regionalen Microfinance-Institut, dem wir Investitionskapital zur Microfinanzierung zur Verfügung gestellt haben. Gemeinsam mit 5 Loan-Officern und Übersetzern werde ich heute meinen Investoren in Kleinstgruppen jeweils drei bis fünf Einzelunternehmer vorstellen. Wir bekommen so einen direkten Eindruck davon, welchen sozialen Nutzen und welche ökonomische Perspektive ein Kleinstkredit unmittelbar vor Europas Türschwelle haben kann. Investoren bekommen so in einer sonst denaturierten Weltwirtschaft die Chance, ihrer eigenen Investition die Hand zu schütteln.

Gelebte Nachbarschaftshilfe inklusive Ertrag

Selbstständigkeit ermöglichen: Leopold Seiler besucht "seine Investition". Dank eines Mikrokredits von 200 Euro konnte die alleinerziehende Mutter von drei Kindern Fäden, Wolle und Perlen erwerben, um die in Osteuropa beliebten Häkeldeckchen für Hochzeitszeremonien in Heimarbeit zu fertigen.
Foto: © Leopold Seiler
Wir biegen von der Landstraße in einen unbefestigte Straße, es hat heute nicht geregnet, so können wir bis zum Haus von Maria Simion fahren, ohne im Morast stecken zu bleiben. Donna Maria, wie sie hier genannt wird, betreibt einen kleinen Tante Emma-Laden, in dem Landwirte Gemüse verkaufen, wo aber auch Produkte aus der Stadt feilgeboten werden. Donna Maria ist die einzige Nahversorgungseinrichtung und macht gute Geschäfte. Begonnen hat alles mit einem Microkredit über rund 1.000 Euro, mit dem sie einen Marktstand errichtet hat, da wo heute dank ihres Fleißes ein gemauertes Waren-Haus steht. Sogar eine Getränketheke mit gekühlten Erfrischungen gibt es. Das erhöht die Besucherfrequenz und den Umsatz, erklärt uns Maria, weil die Kunden zum Tratsch auch gerne mal ein wenig länger bleiben. Donna Maria hat es dank eines Microkredites geschafft. Mittlerweile spart sie auf den Ankauf des Nachbargrundstückes. Dort will sie eine Autowerkstätte für ihre Söhne aufbauen. Sie legt den Grundstein für ihre Kinder, ein Leben in Eigenverantwortung zu meistern.

"Sieben aktive Finger ringen mir mehr Respekt ab als zwei Hände, die man in den Schoß legt!".Dieser Mann mit nur sieben Fingern ist in einem Schlosserbetrieb aktiv, der auf das Flechten und Herstellen von Zäunen spezialisiert ist.
Foto: © Leopold Seiler
An den vier Tagen unserer Moldawienreise erleben wir viele ähnliche Schicksale: Uni-Professoren als Nebenerwerbsbauern, Näherinnen, fahrende Händler, Optiker, aber auch Schuster, Tischler, Schlosser - denen trotz körperlicher Einschränkung eine Chance gegeben wird. Sieben aktive Finger ringen mir mehr Respekt ab als zwei Hände, die man in den Schoß legt! Die Liste an Kleinstbetrieben, die mit Microkrediten zwischen 500 und 5.000 Euro ins Leben gerufen wurden, ist bunt wie die Blumen der Händler am Hauptplatz, die selber meist Kleinstkreditnehmer sind.

Dual Return mit Herz und Hirn

Moldawien ist eine Destination, die ich als Asset Manager regelmäßig mit Investoren bereise, um den Beweis anzutreten, dass die Wirtschaftskrise eventuell nicht ganz so global ist, wie bisher angenommen. Denn rund 43 Prozent der Weltbevölkerung lebt von einem Tagesbudget zwischen einem und zwei Dollar. Weitere (!) 17 Prozent der Weltbevölkerung lebt von weniger als einem Dollar. Sie rechnen schon? Rechnen Sie mit dem Schlimmsten: 60 Prozent der Weltbevölkerung hat streng genommen keine Finanzen. Wie global kann die aktuelle Finanzkrise also wirklich sein? Als Asset Manager und Microfinance-Anbieter ist diese Frage für mich im doppelten Sinne spannend. Denn wenn tatsächlich rund 60 Prozent unserer Mitmenschen nicht systematisch integriert sind, bietet sich aus ökonomischer Sicht ein unglaublich großes Diversifikationspotenzial an.

Musiker mit Leib und Seele, Bauer zum Broterwerb. Statt - wie ein Viertel aller Moldawier - aus Armut das Land zu verlassen, sprach der Musikprofessor Iwan bei einer Bank vor, bat um Mittel für Glashäuser, Samen und Bewässerungsanlagen. Jetzt kann er seine Familie ernähren und weiter seiner Passion nachgehen.
Foto: © Leopold Seiler
Da Microfinance-Investments mit Herz und Hirn einen sogenannten Dual Return anstreben, gibt es neben einer soliden Wertschöpfung für europäische Investoren auch einen messbaren "social impact": Seit 2006 haben die Microfinance-Aktivitäten des einzigen "reinrassig" in Österreich verwalteten Microfinance-Fonds rund 300.000 Kreditnehmer in rund 20 Ländern befruchtet, einen Großteil davon in den angrenzenden Nachbarstaaten.

Gelebte Nachbarschaftshilfe inklusive Ertrag? Ja es geht! Investor sein und Gutes tun ist möglich, gleichzeitig! Schütteln Sie Ihrer Investition doch auch einmal die Hand, und begleiten Sie uns zu einer Reise zum Bottom of the Pyramid, einem Trip in unsere eigene Vergangenheit, in eine echte noch nicht gehebelte und damit denaturierte Wirtschaft, und in eine mögliche gemeinsame Zukunft menschlichen Wirtschaftens ohne Ausgrenzung.
 
 
Ein Reisebericht von Leopold Seiler
 
 
Nähere Infos zu Microfinance-Reisen und fairen Investments auf Augenhöhe finden Sie unter www.microfinance.at.





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