Nestlé: Ein Weltkonzern ...

... im Spagat zwischen regionaler Verantwortung und globaler Aufmerksamkeit

Kennen Sie die Geschichte vom Elefanten und den Schaulustigen?
Ein Elefant wurde zur Ausstellung bei Nacht in einen dunklen Raum gebracht. Die Menschen strömten in Scharen herbei. Da es dunkel war, konnten die Besucher den Elefanten nicht sehen, und so versuchten sie, seine Gestalt durch Betasten zu erfassen. Da der Elefant groß war, konnte jeder Besucher nur einen Teil des Tieres greifen und es nach seinem Tastbefund beschreiben. Einer der Besucher, der ein Bein des Elefanten erwischt hatte, erklärte, dass der Elefant wie eine starke Säule sei; ein zweiter, der die Stoßzähne berührte, beschrieb den Elefanten als spitzen Gegenstand; ein dritter, der das Ohr des Tieres ergriff, meinte, er sei einem Fächer nicht unähnlich; der vierte, der über den Rücken des Elefanten strich, behauptete, dass der Elefant so gerade und flach sei wie eine Liege. Jeder hatte eine andere Meinung.
Ein Blick in die 2007 eröffnete Nestlé Milchfabrik in Hailar, Innere Mongolei


Ähnlich könnte es einem ergehen, wenn man die Menschen nach ihrer Meinung zum globalen Lebensmittel-Elefanten Nestlé befragt. Der Schweizer Konzern Nestlé ist mit 456 Produktionsstätten sowie unzähligen Marken und Produkten der größte Lebensmittelhersteller der Welt und somit gerade in den Medien prädestiniert für die Rolle des Bösewichts "Global Player". Aber nicht nur die einschlägige Presse oder Globalisierungskritiker assoziieren häufig zunächst große Skandale mit dem Unternehmen. Für manche ist Nestlé die Attac-Stasi und für andere der Ausbeuter von natürlichen Wasserquellen. So geschehen im Naturpark Sao Lourenço in Brasilien wo Nestlé über Jahre hinweg Quellenwasser abgepumpt und entmineralisiert haben soll, was letzen Endes zur Austrocknung der Quelle geführt habe. Mit einem global verantwortlichen Unternehmen hat das eigentlich nichts zu tun, betrachtet sich Nestlé doch selbst als verantwortlich agierendes Unternehmen. "Gemeinsame Wertschöpfung" heißt das Zauberwort, welches als Kernprinzip der Geschäftsführung bezeichnet wird. Was bedeutet nun gemeinsame Wertschöpfung und kann dieser Ansatz das immer wieder historisch negativ geprägte Bild des Konzerns umkehren? Gleich vorweg: Nestlé ist nicht perfekt, das Unternehmen hat Fehler begangen und wird auch weiter Fehler begehen, aber es hat sich auf den Weg gemacht, aus Fehlern zu lernen und begreift diese Fehler als Chance für die Übernahme von Verantwortung.

Unternehmen und Gesellschaft

Nestlé hat, richtigerweise, erkannt, dass Unternehmen und Gesellschaft voneinander abhängig sind. Ein langfristiger Unternehmenserfolg von Nestlé geht demnach unabdingbar mit der Schaffung von Mehrwerten sowohl für Aktionäre wie auch für die Gesellschaft einher. Dieser gemeinsame Mehrwert für alle Stakeholder soll dabei auf jeder Stufe der Wertschöpfungskette geschaffen werden. Besteht dieses Vorhaben nur zum Schein oder wird es auch in die Tat umgesetzt?

Auf der Wertschöpfungsstufe der Beschaffung bemüht sich Nestlé um Lieferantenstandards und die Unterstützung von Bauern in den Produktionsländern. Der Konzern investiert in Infrastruktur und Bildung und stellt technische Geräte und Mikrokredite bereit. Die Maßnahmen helfen nicht nur den Bauern vor Ort, der Armut zu entfliehen, für Nestlé selbst bedeuten diese Investitionen eine zuverlässige Beschaffung von hochwertigen Produkten.

In der Produktion achtet Nestlé laut eigenen Aussagen auf einen schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen, Einsparungen im Energieverbrauch und den Einsatz von umweltfreundlichen Verpackungen. Darüber hinaus wird großen Wert auf die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter gelegt. Während die Gesellschaft vom Erhalt der natürlichen Ressourcen und von sicheren und hochwertigen Arbeitsplätzen profitiert, spart Nestlé Kosten in Produktion und Vertrieb ein und kann auf fitte und motivierte Mitarbeiter zurückgreifen.

Auch gegenüber ihren Konsumenten setzt Nestlé auf den Erfolgsfaktor Verantwortung: Das Thema Ernährung nimmt hierbei eine tragende Rolle ein. Als global agierendes Unternehmen hat sich Nestlé nicht nur um die Herausforderung der Überernährung sowie die optimale Versorgung älterer Menschen zu kümmern, sondern ebenso um die Fehlernährung von Millionen von Menschen - nicht nur in Entwicklungsländern. Den Menschen muss somit auf der einen Seite der Welt ein Zugang zu erschwinglichen und nahrhaften Produkten ermöglicht werden, während hierzulande ein gesteigertes Ernährungsbewusstsein unterstützt werden sollte. Nestlé selbst kann sich nur durch ein ehrliches Engagement neue Märkte erschließen, denn nur das schafft Anerkennung und Vertrauen bei Verbrauchern und differenziert vom Wettbewerb.

500.000 Franken Preisgeld

Der "Gemeinsamen Wertschöpfung" will Nestlé in Zukunft eine solch herausragende Bedeutung beimessen, dass sich der Schweizer Konzern diese Aufgabe nicht nur selbst auferlegt, sondern ebenso andere zum Mitmachen animieren möchte. Aus diesem Grund wird Nestlé im April 2010 erstmalig den Preis für "Gemeinsame Wertschöpfung" vergeben. Projekte in den Bereichen "gesunde Ernährung", "Entwicklung ländlicher Regionen" und "Wassermanagement", die von Nestlé selbst als die Schwerpunktthemen ihrer "Gemeinsamen Wertschöpfung" betrachtet werden, können den Wettstreit um ein Preisgeld in Höhe von 500.000 CHF antreten.

Wie wir feststellen konnten, wird Nestlés Vorhaben der "Gemeinsamen Wertschöpfung" in vielen Fällen tatsächlich in die Realität umgesetzt. Aber warum hat die Öffentlichkeit dann ein ganz anderes Bild von dem Unternehmen? .Lassen Sie uns nochmals zu der Geschichte mir dem Elefanten zurück kommen. Hier hat auch jeder Beobachter eine ganz unterschiedliche Meinung und Vorstellung. Im Detail hat auch jeder recht, aber im Ganzen liegen alle falsch. Der Elefant ist keine Säule, auch kein spitzer Gegenstand und schon gar nicht gleicht er einem Fächer oder einer flachen Liege. Diese Einschätzungen sind allesamt Momentaufnahmen, die ganzheitliche Sicht gerät dabei ins Abseits. Gerade bei so großen Dingen wie einem Elefanten oder einem global agierenden Unternehmen wie Nestlé ist diese ganzheitliche Sicht jedoch unabdingbar.

Nestle der Umweltvernichter?
Gemeinsam mit dem UNDP schulte Nestlé über 4000 Frauen in Pakistan in besseren Methoden zu Viehhaltung und Wassermanagement

Nestlé pauschal als Umweltvernichter oder Spitzelunternehmen zu bezeichnen wäre beschränkt. Vielmehr ist eine ganzheitliche Sicht gefragt. Ein globales Unternehmen wie Nestlé, das in über 80 Ländern vertreten ist und rund 283.000 Mitarbeiter beschäftigt, kann eigentlich nie genug für die Gesellschaft tun und läuft aber auch immer wieder Gefahr, Fehler zu begehen. In jeder Region muss es deshalb seiner gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen, immer an die jeweiligen Bedingungen angepasst. Dass dies ganz unterschiedliche Ansprüche und Notwendigkeiten mit sich bringt, kann man z.B. am beschriebenen Fall Unter- versus Überernährung sehen. Bei all den unzähligen Aktivitäten kann es immer wieder zu Problemfällen und Fehlentscheidungen kommen. Das heißt nicht, dass Schlechtes gut geredet werden soll, keineswegs, vielmehr sollte Nestlé Kritik als dringenden Ansporn verstehen, besser zu werden. Dass es positive Ansätze bei Nestlé gibt, zeigt z.B. der CSR- und Geschäftsbericht 2008. Dort wird nicht schön gemalt, sondern klar kommuniziert, welche gesellschaftlichen Unternehmensziele verfehlt oder nicht erreicht wurden. Beispielsweise heißt es: "2008 wurden gegen Nestlé Bußgelder für sieben Verstöße gegen Umweltrecht in Höhe von CHF 34.312 verhängt. Nestle bedauert diese Verstöße und hat Maßnahmen getroffen, um eine Wiederholung zu verhindern."

Der Kern von Verantwortung liegt aus unserer Sicht darin begründet, Fehler zu erkennen und Kritik zu akzeptieren, anzunehmen und daraus zu lernen. Es geht darum, durch Kritik wieder einen Schritt nach vorne zu mehr Verantwortung zu gehen. Die Vision vom global verantwortlichen Unternehmen ist dann Realität, wenn Nestlé dieses Ziel als Weg, als immer fortwährenden Prozess erkennt, der wahrscheinlich niemals ein Ende finden wird. Dennoch sollte ein Unternehmen wie Nestlé immer nach dem Maximum an Verantwortung streben, dadurch kommt es nicht vom Weg ab und verliert niemals sein Ziel aus den Augen.

Jerome Braun, Dennis Lotter

Konstruktive Kritik ist der beste Schlüssel zur Veränderung. Aus diesem Grunde möchte ich Sie einladen, diesen Beitrag zu kommentieren und mir Ihre Meinung zu und über Nestle zu senden. Durch Feedback möchten wir den Konzern unterstützen, sich seiner Verantwortung zu stellen. f.lietsch@forum-csr.net

Quelle:
Wirtschaft | CSR & Strategie, 28.10.2009
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2009 - Postfossil mobil erschienen.
     
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