Herausfinden, was wichtig ist

Zen-Meditation im Führungsalltag


Weisheit aus Fernost für den Business-Trott: Die Zen-Meditation,
ein Sitzen in Stille, kann zu neuer innerer Klarheit führen.
© Dirk Ahlhaus
Arbeitsüberlastung, Zeitdruck, Terminstress - die wachsende Komplexität des Tagesgeschäfts verlangt Führungskräften viel ab. Und immer mehr Manager suchen ganz pragmatisch nach neuen Wegen, um diesen Herausforderungen konstruktiv begegnen zu können. Der Düsseldorfer Kommunikationsexperte Paul J. Kohtes und die niederländische Managementberaterin Brigitte van Baren, beide Zen-Lehrer mit langjähriger Erfahrung, zeigen mit "Zen for Leadership" einen neuen Weg auf, wie Führungskräfte mehr innere Klarheit entwickeln und so den Belastungen des Business leichter standhalten können.

Brigitte van Baren und Paul J. Kohtes gelingt mit ihrer Arbeit ein Brückenschlag zwischen den Anforderungen der Wirtschaftswelt und dem bei Führungskräften immer deutlicher werdenden Wunsch nach geistiger Orientierung. Es geht ihnen um einen pragmatischen Zugang zu in Jahrtausenden gereiften Weisheitstraditionen, ohne dabei deren Essenz zu verflachen. "Wer sich immer wieder Phasen der Stille gönnt, dem fällt es im hektischen Alltag leichter, zwischen Wichtigem und Unwichtigem zu unterscheiden", erklärt Brigitte van Baren, die in ihrem Buch "Zen in Leben und Arbeit - Von Achtsamkeit bis Zeitmanagement" zeigt, wie Zen den Berufsalltag bereichern kann.

Während klassische Zeitmanagement-Methoden sich darauf beschränken, Aufgaben besser zu organisieren oder zu delegieren, geht die Zen-Perspektive einen Schritt weiter. "Die Schulung der Konzentration, die ein positiver Nebeneffekt der Meditation ist, stärkt die Präsenz im Alltag. Wer sich nicht ständig von seinen Gedanken oder den noch ungelösten Aufgaben verunsichern lässt, arbeitet konzentrierter und damit wesentlich effektiver", sagt van Baren. "Wir leiten die Führungskräfte an, wie sie kleine Meditationspausen in den Führungsalltag einbauen können, beispielsweise durch eine kurze Phase der Stille in der Mittagspause", erklärt die Beraterin. "Dieses Innehalten erleichtert es, Abstand von den Turbulenzen des Businessalltags zu gewinnen und versetzt die Praktizierenden in die Lage, wesentlich pro-aktiver mit Herausforderungen umzugehen."

Auch wenn Führungskräfte häufig nicht offen darüber sprechen: Das Thema Spiritualität brennt vielen unter den Nägeln. So zeigte eine Studie der Personalberatung Spencer Stuart, dass viele Manager in ihrem beruflichen Wirken nicht nur äußerlichen Erfolg, sondern auch Sinn suchen und neben der Ratio vielfach den eigenen Glauben zur Basis beruflicher Entscheidungen machen. Eine Repräsentativbefragung der Düsseldorfer Identity Foundation, die Paul J. Kohtes 1998 gemeinsam mit seiner Frau Margret gründete, brachte zutage: In den höchsten Einkommensgruppen interessiert sich bereits jeder zehnte Befragte für Meditation, unter den Selbstständigen sind es sogar fast 20 Prozent. Diese große Resonanz hat nicht zuletzt praktische Gründe, denn für 11,2 Prozent der Befragten ist Spiritualität ein Gegenmittel bei Stress und Hektik und 6,7 Prozent fühlen sich durch spirituelle Praxis im Alltag leistungsfähiger.
Achtsamkeit und Meditation für Manager
Übungen von Brigitte van Baren und Paul J. Kohtes

Das richtige Handeln im rechten Augenblick
Der taoistische Begriff Wu Wei bedeutet so viel wie "Handeln im Nichthandeln" oder "das Richtige zur rechten Zeit tun". Es geht darum, eine Distanz zum eigenen Denken zu entwickeln, die einen Raum der Freiheit schafft. Machen Sie es sich zur Gewohnheit, Entscheidungen nicht im Eifer des Gefechts zu treffen. Lehnen Sie sich zurück, werden Sie sich Ihrer Antriebe bewusst. Aus der Rolle des Beobachters können Sie wahrnehmen, dass Ihr eigener Wille nicht immer maßgeblich ist. So durchbrechen Sie die Automatismen, die Sie oft per Autopilot durchs Leben gehen lassen, die Trennung zwischen Ich und Aufgabe verschwindet - und gerade dann zeigen sich oft Lösungen. Mal wird der Moment ein entschiedenes Handeln erfordern, mal ist vielleicht das Nichthandeln die bessere Option.

Gut ist gut genug
Häufig machen wir uns das Leben unnötig schwer, weil wir immer einer Vorstellung von Perfektion nachjagen. Entspricht eine Situation nicht unseren Wünschen, reagieren wir mit Ärger und Ablehnung - und verlieren in dieser Haltung viel Energie. Probieren Sie öfter einmal in solchen Situationen der inneren Rebellion, das, was gerade ist, einfach zu akzeptieren - sei es das mittägliche Angebot in der Kantine oder ein Arbeitsauftrag.

Die "Eine-Minute-Meditation"
Unterbrechen Sie einmal die scheinbare Selbstverständlichkeit von (Zeit-)Druck. Die Übung ist so simpel, dass Sie ihr vielleicht wenig Problemlösungskompetenz zutrauen. Versuchen Sie´s trotzdem mal für eine Woche. Dazu nehmen Sie sich mindestens vier Mal am Tag - während der Arbeitszeit (!) - eine Auszeit von nur einer Minute. Eine Minute, in der Sie nichts tun - außer sich anzusehen, was ist. Die Wirkung wird Sie verblüffen, wenn Sie die anfänglichen Widerstände gegen dieses "Nichts" überwunden haben.

Hinter den Ärger schauen
Wann haben Sie sich zum letzten Mal über jemanden geärgert? Denken Sie an ein beliebiges Ereignis, bei dem Sie wütend waren. Dann bleiben Sie einmal bei sich selbst, also nicht beim vermeintlichen Verursacher. Untersuchen Sie genau, warum Sie sich geärgert haben. Was sind Ihre Quellen für den Ärger? Vielleicht Ihr Leistungsdruck, Ihre Perfektionssehnsucht, Ihre Ängste? Machen Sie sich einmal frei davon, die Schuld für Ihren Ärger in anderen zu suchen. Denn das löst kein Problem, sondern verhindert nur eine konstruktive Atmosphäre. Jeder Ärger ist zunächst einmal Ihr Problem!



Alternative zur krampfhaften Lösungssuche

Für Paul J. Kohtes ist Zen ein möglicher Weg, um im bisweilen kräftezehrenden Tagesgeschäft nicht den Kopf - und sich selbst - zu verlieren. "Als Unternehmer steht man häufig unter Druck. Das gehört zum Business einfach dazu. Manager meinen ja, immer und am besten sofort für jedes Problem eine Lösung haben zu müssen. Die Zen-Praxis verhilft zu innerer Distanz von diesem Entscheidungsdruck und schafft gerade dadurch Raum für manchmal überraschend neue Perspektiven", sagt er.

Und neue Perspektiven hat die Wirtschaft in Anbetracht der gegenwärtigen Krise dringender nötig denn je. Durch Zen-Meditation machen viele Führungskräfte zum ersten Mal in ihrem Leben die Erfahrung, dass es nicht immer nur darum geht, anzupacken und auf Biegen und Brechen eine Lösung für ein Problem zu finden. "Im Zen geht es darum, das zu tun, was gerade dran ist. Und die Kunst ist es natürlich herauszufinden: Was ist wirklich dran? Wir sollten ergründen, was wirklich wichtig ist. Immer nur die Ärmel hochzukrempeln, ist eine recht einseitige Vorgehensweise, die auf Dauer nicht funktionieren kann", erklärt Paul J. Kohtes. Auch Brigitte van Baren warnt vor blindem Aktionismus: "Zen erleichtert es, sich zunächst einmal ganz bewusst mit den Dilemmata des Geschäftslebens auseinanderzusetzen und die bestehenden Spannungsverhältnisse überhaupt zu spüren."

Anpacken, die Dinge angehen und bewegen, das beherrschen die meisten Führungskräfte aus dem Effeff - und werden dabei nur allzu leicht blind dafür, dass Erfolgsmuster, die sich einmal in der Praxis bewährt haben, nicht für die Ewigkeit bestimmt sind. Obwohl das Platzen der Dotcom-Blase in der jüngeren Vergangenheit die Finanzmärkte schon einmal erschütterte und andeutete, dass es nicht ewig nur aufwärts gehen kann, hielten viele am Glauben an stetiges Wachstum fest. Als dann die zweite Blase platzte, waren schnell die Schuldigen gefunden: die gierigen Investmentbanker. "Die Häme, mit der hier einzelnen Berufsgruppen ihr Versagen vorgeworfen wird, ist völlig unangebracht, denn wir alle haben den Hang, bestimmten Mustern zu folgen", wirft Paul J. Kohtes ein. "Wir sollten uns fragen, wo diese Gier herkommt. Sie ist ja meistens das Resultat einer Angst, etwas zu verpassen oder nicht genug zu bekommen. Meditation ist ein wunderbares Instrument, mit dem man die eigene Angst betrachten kann. Tun wir das nicht, macht sie sich selbstständig und dominiert uns", so der Manager. Zen bietet hier keine Patentlösungen, ermöglicht aber Einsichten in die eigene Verstricktheit mit den großen Wirtschaftsprozessen. "Viele Führungskräfte sind wirklich erschüttert, weil sie merken, dass all ihre Berechnungen nicht aufgegangen sind. Und in einer solchen Phase der existenziellen Unsicherheit wird die eigene Angst zugänglich", sagt Brigitte van Baren.

Wach sein und Dinge anders denken

Doch was kann man im Zen lernen, das die besten Business Schools und MBA-Programme nicht vermitteln? "Wach zu sein", lautet die klare Antwort von Paul J. Kohtes. "Für die meisten Führungskräfte, die an unserem 'Zen for Leadership'-Programm teilnehmen, ist es eine überraschende Erfahrung, dass man auch anders denken darf, dass man die Dinge auch anders betrachten kann. Genau diese Unvoreingenommenheit fehlt im business as usual", so Kohtes.

Obwohl Meditation, wie die neuesten Studien der Neurowissenschaften eindrucksvoll belegen, die Konzentration und Kreativität fördert, bei Stress hilft und positive Wirkungen auf die Gesundheit hat, raten die Zen-Lehrer davon ab, die spirituelle Praxis zu instrumentalisieren und einfach als neues Tool im Selbstoptimierungsportfolio zu verstehen. "Wir sind natürlich in unserer Gesellschaft sehr darauf programmiert, immer gleich nach einem positiven Effekt zu suchen. Im Zen geht es um eine ganz grundsätzliche Qualität und damit um viel mehr als um Effektivität. Wenn man mit dieser inneren Qualität in Kontakt kommt und in die Tiefe geht, kann man letztlich erfolgreicher sein. Aber das ist nicht das vordergründige Ziel", sagt etwa Brigitte van Baren.

Wer sich mit dem Gedanken trägt, Meditation zu einem Teil seines (Arbeits-)Lebens zu machen, sollte den Dingen Zeit geben, sich zu entwickeln. "Für viele Manager ist es anfangs sehr schwer, 20 Minuten stillzusitzen", so die Erfahrung von Paul J. Kohtes. "Doch je mehr Übung man hat, umso leichter fällt es, einmal nichts zu tun, nichts zu entscheiden und nichts zu sagen. Und irgendwann kommt dann der Punkt, an dem man merkt, es tut gut", macht der PR-Manager Mut, die Klippen des Einstiegs mit Zuversicht zu umschiffen. Ganz ohne Disziplin funktioniert das freilich nicht. "Man muss schon wollen und ein ewig voller Terminkalender ist allenfalls eine Ausrede", so Kohtes.

Längst hat Zen den Beigeschmack des exotischen oder gar esoterischen in der Geschäftswelt verloren. Und immer mehr gestandene Manager sprechen inzwischen öffentlich über ihre persönlichen Erfahrungen und die positiven Wirkungen von Zen fürs Business. Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie in der Stille einen neuen Zugang zu dem gefunden haben, was gerade wirklich dran ist.

Weitere Informationen zu "Zen for Leadership":
www.zenforleadership.com
 
Von Nadja Rosmann


"Zen for Leadership"-Workshops

Die "Zen for Leadership"-Workshops mit Brigitte van Baren und Paul J. Kohtes finden drei Mal pro Jahr im Benediktushof in Holzkirchen bei Würzburg statt.

Die nächsten Termine:

20. bis 23. September 2009
21. bis 24. Februar 2010
13. bis 16. Juni 2010
5. bis 8. September 2010

www.benediktushof-holzkirchen.de








Im Profil

Brigitte van Baren studierte niederländisches Recht in Amsterdam. 1992 gründete sie die Inner Sense GmbH, ein Beratungsunternehmen, das auf Management Development und Executive Coaching spezialisiert ist. Brigitte van Baren Seikô-An ist langjährige Schülerin des Zen-Meisters Willigis Jäger und erhielt von ihm 2005 die Lehrerlaubnis in der Zen-Tradition der Sanbo Kyodan-Schule. Gemeinsam geben sie Zen-Trainings für Führungskräfte.

www.innersense.nl




Paul J. Kohtes gilt als einer der führenden Berater für Unternehmenskommunikation in Deutschland. 2006 wurde er als erster Deutscher in die "Hall of Fame" des Internationalen PR-Agenturen-Verbandes aufgenommen. Auf der Suche nach innerem Gleichgewicht entdeckte er vor 30 Jahren die Zen-Meditation für sich. Paul J. Kohtes leitet Seminare in Zen-Meditation und hat sich spezialisiert auf das Coachen von Führungskräften. 1998 gründete er gemeinsam mit seiner Frau Margret Kohtes die Identity Foundation, eine gemeinnützige Stiftung, die das Thema Identität wissenschaftlich erforscht.

www.identityfoundation.de


Quelle:
Wirtschaft | CSR & Strategie, 18.08.2009

     
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