Sven Focken-Kremer
Umwelt | Klima, 28.11.2025
Schlag ins Gesicht des globalen Südens
Ein Praktiker für Klimaschutz-Zertifikate hat die Doku „Verschollen“ gesehen und erklärt, woran man verlässliche Waldprojekte erkennen kann
Die kürzlich erschienene Dokumentation „Verschollen" enthüllt, wie skrupellos manche Firmen mit Klimaschutz-Claims Profit machen. Sven Focken-Kremer zeigt, woran man wirklich gute Wald- und Klimaschutzprojekte erkennt – und warum klare politische Regeln jetzt entscheidend sind, um Menschen im globalen Süden und seriöse Initiativen zu schützen.
Vergangene Woche erschien die Dokumentation „Verschollen - Schmutzige Geschäfte mit dem Klimaschutz" von Regisseur Daniel Harrich. Sie deckt das gewinngetriebene und verbrecherisch anmutende Handeln verflochtener Unternehmen und Handelsströmen auf. Ein Film, der zur Resignation führen könnte. Doch es ist ausgerechnet die offensichtliche Dreistigkeit der Akteure, die sowohl die Notwendigkeit von echtem Menschen- und Klimaschutz als auch von politischem Handeln sichtbar macht.Die Aufgabe ist drängender denn je. Wir brauchen guten Klimaschutz, nicht nur aus klimawissenschaftlichen Gründen und einer Verantwortung gegenüber den am stärksten vom Klimawandel betroffenen Menschen im globalen Süden. Wir brauchen ihn auch für die Gesellschaft und die Jugend. In einer vom Bundesumweltministerium geförderten aktuellen Studie des Umweltbundesamtes (UBA) gaben mehr als die Hälfte der Befragten an, sich durch den Klimawandel belastet zu fühlen.
Es gibt also viele Gründe, Menschen und ihren Lösungen eine Bühne zu geben, die täglich einen Mehrwert für das Klima leisten. Diese müssen wir endlich (!) auch durch politische Rahmenbedingungen schützen, statt begonnene Regularien unter fadenscheinigen Vorwänden zu verwässern. Einer der wenigen Kritikpunkte, die ich an den Regisseur Daniel Harrich richte, ist die vertane Chance, den Zuschauenden zur Selbstwirksamkeit zu verhelfen. Er zeigt zu Recht, was man lassen, jedoch zu wenig, was man tun sollte. Ich habe hohen Respekt vor all denjenigen, die nach der Doku noch in die Hände klatschen, wenn jemand im Bekanntenkreis den Klimaschutz unterstützt, statt müde zu sagen: „Das ändert doch nichts." Denn hierin liegt eine – große – Gefahr: Wir machen es den Nichtstuern zu leicht!
Wie man „gute" Projekte erkennt
Worauf sollte man also achten? Statt bei einem vordergründigen Klimaprojekt auf einen Waldwirtschaftsstandard wie den FSC zu setzen, sollte stets ein Klimaschutzstandard genutzt werden. Im besten Fall mit den höchsten Qualitätsanforderungen. Dazu gehört beispielsweise der Gold Standard. Oder der Plan Vivo Standard. Letzterer ist der älteste Standard zur Zertifizierung von Klimaschutzprojekten im Landnutzungsbereich.
Er wurde spezifisch entwickelt, um Kleinbauern, Indigenen und lokalen Gemeinschaften selbstgestalterisch Zugang zu CO2-Märkten und zur Klimafinanzierung zu ermöglichen. Ein hoher Stellenwert liegt auf Biodiversitätsaspekten wie der Förderung einheimischer Baumarten statt dem Anbau von Monokulturen. Der ganzheitliche Ansatz bekämpft auch die Armut und schafft Einkommensmöglichkeiten. Kurz: Er macht all das besser, was das Projekt in der Doku nicht macht.
Ein solches Projekt hätte demnach niemals die Chance auf eine Zertifizierung und eine Partnerschaft mit den vielen seriösen Anbietern in Deutschland.
Überprüfungsmerkmale glaubwürdiger Klimaschutzprojekte:
- Handelt es sich um hochwertige Klimaschutzzertifikate von unabhängigen Anbietern wie Gold Standard oder Plan Vivo?
- Werden globale Nachhaltigkeitsziele (SDGs) unterstützt?
- Wird mit der lokalen Bevölkerung von Anfang an zusammengearbeitet und was für einen Nutzen erhalten sie?
- Wurde das Projekt durch unabhängige Dritte (bspw. TÜV) geprüft?
- Ist der Anbieter profitorientiert oder eine gemeinnützige Organisation? Dies kann Interessenskonflikte vorbeugen.
- Gibt es langjährige Erfahrungen und Verbindungen vor Ort?
- Sind die Projektseiten umfassend, aktuell und transparent?
Ein wichtiger Hebel: Profitmöglichkeiten abschaffen
Wie können Menschen und Projekte geschützt werden, die diesen Kriterien bereits folgen? Mit einem robusten gesetzlichen Rahmen! Schafft die Profitmöglichkeiten von klima- und menschenschädigenden Verhalten ab! Alles andere wäre ein Schlag ins Gesicht für Menschen im globalen Süden. Für sie wäre eine Abkehr von hochwertigen Projekten existenzbedrohend. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass freiwillige Finanzströme diese Menschen weiterhin erreichen. Dafür können richtig gestaltete Projekte und CO2-Zertifikate einen Beitrag leisten.
Gesetzliche festgeschriebene Qualitätsstandards nötig
Deswegen ist es gut, dass der Film im Bundestag besprochen wurde! Richtlinien der EU wie die Green Claims Directive und die Empowering Consumers Directive (EmpCo) dürfen nicht (weiter) ausgebremst werden. Richtig umgesetzt, unterstützen sie die Unternehmen, die schon heute einen ambitionierten Klimaschutz verfolgen und unterbinden Aussagen, die mehr versprechen als sie halten.
Anderen Unternehmen, wie dem Stahlunternehmen aus der Doku, würde das Wasser so abgegraben werden, wie sie es derzeit bei der lokalen Bevölkerung mit ihren „Projekten" machen. Wir sprechen also auch über Marktgerechtigkeit.
Weiter müssen nun robuste Standards für CO2-Zertifikate und Klimaschutzprojekte vorgeschrieben werden. Besonders mit Blick auf die Roadmap der EU zum europäischen Klimaziel 2040: Bis zu fünf Prozent der geforderten Emissionsminderungen dürfen ab 2036 mit Klimazertifikaten erreicht werden. Würden hierfür Projekte wie diese Monokulturen zugelassen, ginge das zu Lasten des Klimaschutzes, der Biodiversität und der Menschenrechte.
Was wir aus der Dokumentation lernen sollten
Die Dokumentation fragt sich am Ende, ob auf der aktuellen Klimakonferenz COP30 die Politiker*innen den Mut haben werden, „echten" Klimaschutz zu ermöglichen. Offen bleibt, was „echt" ist. Die Antwort liegt auf der Hand: Es braucht sowohl Klimaschutzprojekte als auch Reduktionsmaßnahmen innerhalb eines regulierten hohen Qualitätsrahmens.
Auch die Science Based Targets initiative, kurz SBTi, kommt als weltweit führender Qualitätsstandard für unternehmerischen Klimaschutz zu diesem Schluss. Sie führt in Ihrem neuen Entwurf des zukünftigen Standards neben den verpflichtenden Reduktionszielen auch die gleichzeitige freiwillige Klimaschutzfinanzierung prominent auf. Man muss dem Regisseur Daniel Harrich danken, dass er den Handlungsbedarf in die Wohnzimmer der Gesellschaft und in den Bundestag gebracht hat. Nun sollten die richtigen Schlüsse gezogen und gehandelt werden. Es gibt viel zu gewinnen.
Sven Focken-Kremer ist Senior Projektleiter Public Affairs & Strategische Kommunikation von myclimate Er arbeitet seit über 15 Jahren im gemeinnützigen Bereich mit den Schwerpunkten Zivilgesellschaft und Klimaschutz.
Vollumfänglich zu empfehlende Zertifizierungsstandards für Waldprojekte:
- Plan Vivo Standard (International)
- Wald-Klimastandard (Deutschland)
Eingeschränkt zu empfehlen:
- Gold Standard (Monokulturen möglich)
- Verra – Verified Carbon Standard (VCS + CCB) sofern doppelt zertifiziert mit CCBA
Bei myclimate haben wir uns entschieden, für internationale Waldprojekte aktuell ausschließlich auf den Plan Vivo Standard zu setzen, da dieser die meisten unserer internen Selektionskriterien erfüllt. Er ist der einzige Standard, der einen Bottom-Up Prozess beinhaltet und eine faire Verteilung der Erlöse vorsieht. In Deutschland setzen wir auf den Wald-Klimastandard.
Einige vertrauenswürdige Waldprojekte:
- Kommunales Wiederaufforsten in Nicaragua
- Indigene schützen Regenwald auf den Salomon-Inseln
- Deutsches Klimaschutzprojekt: Klimaangepasster Waldumbau Herzfelde in Brandenburg, Deutschland
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