Gesellschaft | Politik, 05.03.2025
Ein Staat kann nicht geführt werden wie ein Unternehmen
Christoph Quarch analysiert die aktuellen Entwicklungen in der US-Regierung
Gut sechs Wochen nach Beginn seiner Amtszeit hat US-Präsident Donald Trump vor dem Kongress gesprochen und sich dabei vor allem selbst gelobt. Seine Regierung habe schon jetzt mehr erreicht als frühere Regierungen in vier oder acht Jahren. Unabhängig davon, ob diese Behauptung zutrifft, ist vor allem strittig, ob die von seiner Regierung ergriffenen Maßnahmen wünschenswert sind oder nicht. Die Demokratischen Abgeordneten im Parlament gaben jedenfalls klar zu erkennen, dass sie mit dem Regierungskurs nicht einverstanden sind. Wie so viele andere auch. Aber warum eigentlich? Sind es nur Trumps rüdes Auftreten und sein moralisch fragwürdiger Kurs? Oder ist es seine ganze Denkweise? Darüber reden wir mit dem Philosophen Christoph Quarch.
Herr Quarch, können Sie uns erklären, wie Donald Trump tickt?
Naja, unter seine Schädeldecke kann ich auch nicht gucken, aber seine Äußerungen geben doch einiges zu erkennen. Eines seiner Lieblingswörter ist zum Beispiel "deal". Darin bekundet sich ein ökonomisches Mindset - die Idee, man könne das Land so führen wie ein Unternehmen. "Make America great again" heißt dann: "Make America rich again”. Und das erreicht man der gängigen Bussinessdenke zufolge erstens durch Expansion - Grönland besetzen zum Beispiel - zweitens durch Verschlankung der Administration - das ist die Sache von Elon Musk und seine DOGE-Truppe - und drittens durch Einsparung, etwa bei der Finanzierung internationaler Organisationen. Und dann natürlich durch gute Geschäfte. Ich fürchte, Trump hält diese Denkweise für rational und glaubt, dass Leute wie Putin genauso ticken. Aber das ist naiv.Aber es könnte doch sein, dass auch Putin gute Geschäfte machen möchte. Selbst Präsident Selenskyj hat zu verstehen gegeben, dass er an dem geplanten Rohstoff-Deal mit den USA festhalten möchte.
Klar, jeder möchte gerne gute Geschäfte machen. Aber ein Putin möchte noch sehr viel mehr. Sein Mindset ist nicht auf Profit geeicht, sondern auf Macht. Er denkt nicht in den Kategorien von guten Deals oder schlechten Deals, sondern von Krieg und Frieden. Und andere sind für ihn nicht Geschäftsfreunde und Konkurrenten, sondern Freunde oder Feinde. Darin denkt er in einem klassischen Sinne politisch. Zumindest wenn man Carl Schmitt folgt, einem wegen seiner Nazi-Vergangenheit zwar umstrittenen, trotzdem aber an diesem Punkt hilfreichen Denker. Für ihn ist das Politische genau dadurch definiert, dass man einen Feind identifizieren kann, den es abzuwehren gilt, weil er die eigene Existenz in Frage stellt. Dieses Denken ist in der russischen Kriegspropaganda überall gegenwärtig, wo vom Westen die Rede ist. Das heißt: Putin will den Westen besiegen. Einen Deal nimmt er dabei gerne mit.
Würden Sie sagen, dass die Europäer es besser machen als Trump. Immerhin scheinen sie Russland als "Feind" erkennt zu haben, gegen den man jetzt mit großem Aufwand aufrüsten muss.
Im Prinzip ja. Die Reaktion kommt zwar spät, aber immerhin, sie kommt - und mit 800 Milliarden Euro sogar ziemlich fett. Ich bin zwar kein Freund von Aufrüstung, aber man wird Putin nur beikommen, wenn man versteht, wie er dickt: Russland betrachtet westliche Demokratien als Feinde, Russland führt Krieg gegen ein demokratisches Land, also ist Russland unser Feind. Es ist nicht schön, aber es ist so. Man muss sich in diese Denkweise hineinversetzen, um ihr begegnen zu können; aber man darf sie sich nicht aneignen, denn dann würde man aufhören, demokratisch zu denken und hätte bereits verloren. Das heißt: Ja, Europa muss ernst nehmen, dass sich da einer im Osten als Feind positioniert, darf selbst aber nicht der Versuchung erliegen, dessen antiquiertes Freund-Feind zu übernehmen.
Dann wären wir ja wieder bei Trump, vielleicht ist dessen Business-Denke doch nicht so verkehrt?
Nein, damit kommt man nicht weiter, weil ein Staat eben kein Unternehmen ist, bei dem es nur um Profitmaximierung geht. Ein Staat sind allem voran die Bürgerinnen und Bürger, aus denen er besteht. Und diese Menschen haben Werte, die ihnen wichtig sind. Sie haben eine Idee davon, wie sie leben wollen. Und weil das von Mensch zu Mensch anders sein kann, gibt es demokratische Verfahren, die sicherstellen, dass man immer wieder einen Konsens findet, der ein friedliches Miteinander ermöglicht. Das sicherzustellen, ist - wenn man nicht Schmitt, sondern Hannah Arend folgt, die Aufgabe der Politik; und nur daran bemisst sich ihr Erfolg. Deals hin oder her: Vor diesem Hintergrund, macht Trump einen grottenschlechten Job.

Der Philosoph, Speaker und Bestseller-Autor Christoph Quarch begleitet Unternehmen, unterrichtet an verschiedenen Hochschulen und veranstaltet philosophische Reisen. In seinen Vorträgen und Büchern greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophie zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen. Gemeinsam mit seiner Frau Christine Teufel gründete er die Neue Platonische Akademie für eine geistige Erneuerung der Gesellschaft.
Aktuelle Bücher von ihm sind „Wacher Geist und fester Schritt. The Donkey School for Leadership" (2024), „Schönheit rettet die Welt” (2024) und "Der Club der alten Weisen" (2023).
Mehr zu ihm unter christophquarch.de und akademie-3.org
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