Die deutsche Wirtschaft profitiert vom Klimaschutz
Neue EWG-Studie zeigt bahnbrechende Erkenntnisse
Deutschland kletterte 2023 auf Platz drei der größten Wirtschaftsnationen und legte trotz globaler Krisen ein solides Wachstum vor. Eine neue Studie der Energy Watch Group zeigt: Der Ausbau Erneuerbarer Energien steigert Einkommen und Wirtschaftskraft erheblich. Der Weg zur CO2-Neutralität ist nicht nur klimafreundlich, sondern auch ein wirtschaftlicher Gewinn. Ein Kommentar von forum-Kurator Hans-Josef Fell.

Die Medien sind voll von substanzlosen polemischen Attacken aus der Union, vor allem gegen den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck und gegen die zurückliegende Ampelregierung allgemein. Der CDU-Vorsitzende Merz griff im Bundestag Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) scharf an: „Sie sind das Gesicht der Wirtschaftskrise in Deutschland." Genauso schimpfte Söder auf dem Parteitag der Jungen Union: Habeck sei „das Gesicht der Krise".
Deutschland ist wieder die drittgrößte Wirtschaftsnation vor Japan
Da ist die Frage schon erlaubt: Welche Wirtschaftskrise der Ampelkoalition meinen denn die führenden Köpfe der Union?
Schon Ende 2023 ist Deutschland im weltweiten Vergleich der größten Wirtschaftsnationen wieder auf den dritten Platz hinter den USA und China geklettert und verdrängte Japan auf den vierten Platz. Ein großer Erfolg der deutschen Wirtschaftspolitik, was umso bemerkenswerter ist, da Deutschland ja mit etwa 80 Millionen Einwohnern viel kleiner als Japan mit seinen etwa 120 Millionen Einwohner ist.
Bemerkenswert ist: Deutschland setzte unter der Ampel auf die Vollendung des Atomausstiegs und eine Wiederbelebung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien. Japan dagegen hat nichts aus der Fukushima Katastrophe gelernt und setzt stark auf die Wiederbelebung der Atomkraft, wie es auch Söder, Merz, Weidel fordern und ebenfalls auf fossile Energien. Dies hat unter Anderem Japans Wirtschaft dezimiert und Deutschland das Überholen ermöglicht. Erneuerbare Energien und andere saubere Technologieentwicklungen spielen in Japan weiterhin eine untergeordnete Rolle.
So kam es, dass Japans Wirtschaft schrumpfte und Deutschland diese wieder überflügeln konnte.
Das Wirtschaftswachstum Deutschlands unter der Ampel ist sogar geringfügig besser als unter den vorherigen 4 Jahren Merkelregierung
In den letzten 4 Jahren der großen Koalition (CDU/CSU/SPD) 2017-2021, also unter Kanzlerin Merkel, wuchs das BIP in Deutschland inflationsbereinigt um 0,30 % jährlich. Unter der Ampel wuchs es 2022-2024 um 0,4 % jährlich. Dies als von der Ampel verursachte Wirtschaftskrise zu bezeichnen, ist schon dreist. Somit wäre ja die Leistung der GROKO auch ein Wirtschaftsdesaster gewesen. Natürlich hatte die GROKO die Coronakrise zu meistern, wobei es jedoch auch Kritik an manchen wirtschaftlich relevanten Lockdown-Entscheidungen der damaligen Bundesregierung gab.
Andererseits hatte die Ampel die wirtschaftlichen Herausforderungen durch den russischen Angriffskrieg zu meistern, bei dem die konventionellen fossilen Energiepreise in die Höhe schossen, eine starke Inflation verursachten und die Wirtschaft unter Druck setzten. Den Ukrainekrieg sowie den Stopp von russischem Erdgas und Erdöl hatte nicht Habeck, sondern Putin verursacht.
Dennoch ist das preisbereinigte BIP-Wachstum unter den Jahren der Ampelregierung sogar leicht höher als unter den letzten vier Jahren der unionsgeführten Bundesregierung. Angesichts dieser Zahlen ist es schon höchst unredlich, der Ampel die Verursachung einer Wirtschaftskrise zu unterstellen und Habeck als Gesicht dieser Krise hinzustellen. Die preisbereinigten BIP-Zahlen bis 2024 beruhen auf den Basisdaten des Statistischen Bundesamtes.
Neue Studie der EWG zeigt: die Umstellung Deutschlands auf CO2-Neutralität wird Deutschlands Wirtschaft befördern und nicht schmälern, wie die Union behauptet
Auch in Zukunft wird die deutsche Wirtschaft massiv profitieren, wenn sich grüne Klimaschutz-Politik verwirklichen lässt.
In einer viel beachteten neuen Studie der Energy Watch Group (EWG) wurde klar aufgezeigt, dass sich Klimaschutz in der Gesamtwirkung nicht nur positiv auf das Erdklima, sondern auch auf die Wirtschaft auswirkt. Erstmals wurde ökonomisch durchgerechnet, welche Auswirkungen eine Umstellung auf 100 % Erneuerbare Energien und andere emissionsfreie Technologien in Deutschland auf das BIP, die Staatshaushalte und private Haushalte der Wirtschaft hätte.
Die EWG konnte damit klar belegen, dass eine Verlangsamung oder gar Beendigung von Klimaschutzmaßnahmen, wie sie CDU/CSU/FDP/AFD/BSW in unterschiedlicher Form in ihren Wahlprogrammen fordern, der deutschen Wirtschaft sogar massiv schaden würde.
Die Kosten von Bürgern und Unternehmen sinken durch den Wechsel auf CO2-neutralen Strom, Wärme und Fahrzeuge um 50 Mrd. € pro Jahr. Das Einkommen der Bürger und die Wertschöpfung der Unternehmen steigen um 110 Mrd. € pro Jahr – und das BIP wächst während und nach der Transformation um 2,5 %. Das alles führt dazu, dass die Schuldenbremse eingehalten werden kann und Deutschlands internationale Wettbewerbsfähigkeit in der stark wachsenden Zukunftsbranche Clean Tech gestärkt wird.
Eine sehr gute, lesenswerte Zusammenfassung hat die Frankfurter Rundschau dazu veröffentlicht.
Die neue Studie der EWG finden Sie hier.
Sie wurde vom Geschäftsführer der EWG, Hartmut Fischer, erstellt und berechnet.
Und hier ein Interview bei Tagesschau 24 – Rubrik Update Wirtschaft vom 16.1.
Hier kann die Pressemitteilung der EWG zu ihrer neuen Studie nachgelesen werden.
Vertiefung
Die neue Studie „Roadmap CO2-neutrales Deutschland" rechnet technisch und wirtschaftlich durch, wie die Umstellung der Sektoren Energie, Gebäude, Verkehr und Industrie auf CO2-Neutralität gelingen kann und stützt sich dabei auf Daten von Bundesregierung, Branchenverbänden und Forschungsinstituten. Sie kann hier heruntergeladen werden.
„CO2-Neutralität ist in Deutschland rentabel und mit einem relevanten Konjunkturschub erreichbar. Die Roadmap zeigt einen Weg dazu auf, der Wirtschaft, Bürger und öffentliche Haushalte entlastet.
Dr. Hartmut Fischer, Autor der Studie
Eckpunkte der Roadmap sind:
- Die Verbrennung von Erdöl, Erdgas und Kohle wird beendet und v.a. durch Wind und PV, Bioenergie und Geothermie, grünen Wasserstoff und Batterien sowie Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge ersetzt. Atomstrom, Heizen mit grünem Wasserstoff und Straßenverkehr mit eFuels sind teurer und deshalb nicht vorgesehen.
- Mit den Maßnahmen der Roadmap ist die CO2-Neutralität für Bürger und Wirtschaft: sie sparen jährlich bei Strom 24 Mrd. €, Wechsel auf CO2-neutrale Heizung 5 Mrd. € und Wechsel auf Elektrofahrzeuge 26 Mrd. €. Beim verarbeitenden Gewerbe hält ein steuerfinanzierter Industriepreis für grünen Strom und Wasserstoff bei standortgefährdeten Unternehmen den Energiepreis auf heutigem Niveau. Nur bei anderen Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes steigen die Kosten um 5 Mrd. € pro Jahr oder um 0,2% des Umsatzes.
- Bei der öffentlichen Hand entfallen im CO2-neutralen Deutschland die Einnahmen aus Energiesteuer und CO2-Preis und zusätzlich sind Industrie- und Wärmepumpenstrom zu subventionieren. Dies wird durch eine sozial ausgewogene Steueranhebung kompensiert. Zusammen mit den o.a. Entlastungen ist der direkte Netto-Effekt für Bürger und Unternehmen die „schwarze Null".
- Die erforderlichen Zusatzinvestitionen der Energiewirtschaft und anderen von insgesamt 1.900 Mrd. € sind erheblich – entsprechen aber einer Erhöhung der heutigen jährlichen Investitionen um nur 5% und sind damit gut leistbar.
- Diese Investitionen gehen an Anlagenhersteller, Autohersteller und Handwerker. Dabei bleibt mehr Geld im Land als bei fossilen Importen. Das erzeugt
- einen Konjunkturschub mit einem finanziellen Plus für Bürger, Wirtschaft und die öffentliche Hand von 110 Mrd. € pro Jahr.
- mehrere 100.000 zusätzliche Arbeitsplätze. Die Autoindustrie kann Arbeitsplätze in derzeit schwach ausgelasteten Elektroauto-Werken halten.
Weitere Effekte dieses Weges zur CO2-Neutralität sind, dass er:
- warmmietenneutral ist und besonders untere Einkommen entlastet.
- haushaltsneutral ist und die Schuldenbremse einhält.
- Deutschland als Industriestandort für Clean Tech stärkt – ein Markt mit weltweit mindestens 20 Billionen Euro Umsatzwachstum in den kommenden 20 Jahren.
- die Energieversorgung sichert, die dann nicht mehr von autokratischen Risikostaaten abhängt. Stattdessen werden Strom und grüner Wasserstoff im Inland erzeugt.
- hohe Klimafolgekosten in der Welt vermeidet.

Hans-Josef Fell ist forum-Kurator und war von 1998 bis 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages für Bündnis 90/Die Grünen. Als Mitautor des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) in Deutschland hat er maßgeblich zur Entwicklung von Photovoltaik, Biogas, Windkraft, Wasserkraft und Geothermie beigetragen und die Grundlage für eine nachhaltige Energiepolitik in über 60 Nationen gelegt. Heute ist er Initiator und Präsident der Energy Watch Group, einem Think Tank für Klimaschutz.
Aufruf an alle politischen Parteien, die zur Bundestagswahl 2025 antreten:
Wir laden Sie ein, uns Ihr Statement zu den Themen „nationale Wirtschaft, erneuerbare Energien und Klimaschutz" zukommen zu lassen. Ihre Perspektiven und Positionen tragen zu einem vielfältigen und informierten öffentlichen Diskurs bei. Wir prüfen alle Einsendungen sorgfältig und freuen uns darauf, von Ihnen zu hören!
Umwelt | Klima, 17.01.2025

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