Geht unter die Haut - Die Geschichte des Leders ...

... vom Umweltsünder zum nachhaltigen Klassiker und die Entwicklung von alternativen Materialien

Beim Oktoberfest in München sind alte Trachtenlederhosen angesagt: Wer eine "Hirschlederne" seines Opas trägt, verkörpert Tradition und modernen Style. Auch schon vor 5.000 Jahren benutzten Menschen Leder als Kleidungsstücke, wie wir vom "Ötzi" wissen – der weltbekannten Mumie mit Ledergürtel. Auch moderne Luxushersteller verstehen Leder als hochwertiges Produkt – etwa für edle Handtaschen oder Sitzbezüge für Sportwagen. Trotzdem gerät es seit einigen Jahren zunehmend in Kritik: Für viele gilt Leder als klima- und umweltschädigend sowie unethisch, andere sind überzeugt: Gerade Leder ist ästhetisch, langlebig und als Naturmaterial nachhaltig.

Begleiten Sie uns auf eine spannende Reise von Ötzi bis zum Kunstleder, von der Chromgerbung bis hin zu neuen 'Next-Gen'-Materialien aus Pilzen, Holz und Äpfeln. © Getty Images für Unsplash+Leder ist Tierhaut, die von Fleisch und Haaren befreit und mit dem chemischen Prozess der Gerbung haltbar gemacht wird. Es entsteht aus der Dermis, der mittleren Hautschicht. Diese besteht aus der feinen Papillarschicht und der robusten Retikularschicht. Die Papillarschicht bildet die Narbenseite des Leders, die sich durch die komplexe Faserstruktur auszeichnet, deren Haptik so viele Menschen schätzen. Je nach Art des Tieres hat diese ihre ganz eigene Beschaffenheit.

Kein Leder ohne Gerbung
Der Begriff Gerbung beschreibt das Konservieren mit Gerbstoffen. Diese gehen eine chemische Verbindung mit den Fasern der Haut ein. Im Falle der alten Trachtenhose waren es natürliche Öle und Trane, die eingewalkt wurden. Dadurch bleibt das Material weich und verwest nicht. Gleichzeitig stabilisiert das Gerben die Tierhaut und schützt sie davor, zu oxidieren. Zudem erhöht es die Temperaturbeständigkeit und verhindert, dass nasses Leder aufquillt. Die Kunst des Gerbens entstand vermutlich durch zufällige Entdeckungen, die weiterentwickelt wurden. Steinzeitliche Methoden waren zum Beispiel das Kauen der Tierhaut und das anschließende Einfetten, wobei diese Technik heute noch von einigen Inuit verwendet wird. Andere Methoden waren das Aufhängen der Häute in den Höhleneingängen und das langsame Gerben durch den austretenden Rauch der Lagerfeuer. Noch früher machten Menschen Tierhäute haltbar, indem sie das Material mit Baumrinden und Alaunstein bearbeiteten. Wobei historische Gerbereien auch heute noch Baumrinden bei pflanzlicher Gerbung verwenden.

Im Mittelalter bearbeiteten Gerber das Leder oft mit Urin und tierischen Innereien. Die Gerbereien befanden sich häufig außerhalb der Städte an Bächen und Flüssen, um den strengen Geruch von den Menschen fernzuhalten, und um genügend Wasser für den Waschprozess zur Verfügung zu haben. Vor allem in Marokko arbeiten historische Gerbereien auch heute noch mit ähnlichen Methoden und setzen dabei auch zunehmend Chemikalien wie Chrom ein.

Chromgerbung als Standard
Die Chromgerbung ist das heute am weitesten verbreitete Verfahren zur Lederherstellung. Dabei verwenden Gerber Chrom (III)-Salze, um die Haut dauerhaft haltbar, weich und wasserfest zu machen. Diese Methode ermöglicht eine intensive Farbgebung und wird häufig in der Mode- und Automobilindustrie eingesetzt. Die Chromgerbung ist zwar sehr effizient, wird aber kritisiert. Denn sie belastet die Umwelt durch Chromrückstände und kann die Gesundheit gefährden, wenn sie unsachgemäß ausgeübt wird. Moderne Gerbereien arbeiten jedoch so effizient, dass der Chromanteil im Abwasser geringer ist als zum Beispiel die Konzentration in einem Apfel. Außerdem ist das Prinzip der Mischgerbung auf dem Vormarsch. Dabei werden verschiedene Methoden kombiniert und meistens nur ein geringer Anteil an Chrom genutzt. Durch diese Technik vereint das fertige Leder die Weichheit und Biegsamkeit der Chromgerbung mit der Festigkeit und Struktur, die durch die pflanzliche Gerbung erreicht wird.

Der Beruf des Gerbers gilt damals wie heute wegen des ständigen Geruchs von Tierhaut und Gerbmitteln sowie den kraftaufwändigen Arbeitsprozessen als besonders hart. In den Industrieländern wird Leder inzwischen hochindustriell gefertigt – mit Spezialmaschinen und Robotern in den Produktionsstraßen riesiger Fabriken.

Leder im Wandel der Zeit
Seit Jahrtausenden verwenden Menschen Leder. Es ist langlebig, atmungsaktiv, flexibel, natürlich schön, haptisch ansprechend, und es ist leicht zu reparieren und zu pflegen.

In Armenien wurde 2008 ein mehr als 5.000 Jahre alter Lederschuh gefunden. Auch schon die römischen Legionäre trugen Ledersandalen und -röcke. Die amerikanischen Ureinwohner setzten auf Leder bei ihren Tipis, ihrer Kleidung und Taschen. Im Mittelalter band man die ersten Bücher in Leder ein, und seit der frühen Neuzeit ist fast jeder Sattel aus Leder. Piloten flogen ihre Pionierflüge Anfang des letzten Jahrhunderts in Lederoveralls. Und auch 2024 gilt Leder unter anderem bei Luxustaschen, Möbelstücken und bei der Innenausstattung neuer Autos als das Material Nummer Eins. Doch vor allem bei dem Bezug von Autositzen haben sich in den letzten Jahren Firmen wie Alcantara mit ihren fließartigen Leder-Ersatzprodukten profiliert. Wenn man den edel aufgemachten Internetseiten einiger Luxusautomarken glauben kann, sind diese Produkte dabei, dem klassischen Leder den Rang abzulaufen.

Diese kleine Geschichtsstunde und Einführung in das Thema Leder wirft zum Schluss drei Fragen auf:
  • Was sind die Licht- und Schattenseiten von Leder?
  • Was sind sogenannte „Next-Gen Materials"?
  • Und: Muss Leder ersetzt werden oder ist es sogar das Gebot der Stunde, Tierhäute noch besser zu nutzen statt durch „Plastik" zu ersetzen?
Von David Quirchmayr 

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Lifestyle | Mode & Kosmetik, 16.11.2024
Dieser Artikel ist in forum 01/2025 ist erschienen - Pioniere der Hoffnung erschienen.
     
        
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