So geht’s: Strategieentwicklung für Nachhaltigkeit im Hochbau

Herausforderungen, Konzepte und praxisnahe Strategien für eine klimafreundliche Zukunft

Nachhaltigkeit im Hochbau ist entscheidend für die Zukunft der Branche. Wir zeigen, wie Bauherren, Investorinnen und Planer jetzt den Wandel meistern können und welche Tools dabei unterstützen. 

 Bau, Betrieb und Abriss von Gebäuden sind gegenwärtig für rund 40 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich und haben, relativ gesehen, einen etwa gleich hohen Anteil am globalen Energieverbrauch. © AS Photography, pexels.comTransformation ist eines der wichtigsten Worte dieser Zeit. Angesichts des fortschreitenden Klimawandels müssen nahezu alle Wirtschaftsbereiche ihre Geschäftsmodelle und Strategien grundlegend überdenken. Das gilt besonders für die Bau- und Immobilienwirtschaft: Bau, Betrieb und Abriss von Gebäuden sind gegenwärtig für rund 40 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich und haben, relativ gesehen, einen etwa gleich hohen Anteil am globalen Energieverbrauch. Mit über 50 Prozent hat die Baubranche zudem einen hohen Anteil an der Gesamtmenge des nationalen Abfallaufkommens und setzt bei Baustoffen eher auf Downcycling statt echtem Recycling – obschon die politischen Rahmenbedingungen in der EU im Rahmen des European Green Deals mit klaren Zielen immer weiter ausdifferenziert werden. Gefordert wird nicht nur Klimaneutralität bis 2050, sondern auch der Übergang zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. Als wichtiger Hebel für die Erreichung der globalen Klimaschutzziele steht also gerade der Bausektor vor einer umfassenden Transformation.

Das Problem: Innovative Konzepte, die nicht umgesetzt werden
Geht es um Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche, fallen zwar stets innovativ klingende Schlagwörter, hinter denen sich jeweils komplexe Konzepte verbergen – ESG, CO2-Neutralität, „Stranding Risks", Cradle to Cradle etc. – in der Praxis fehlt bei vielen Projektbeteiligten jedoch notwendiges Fachwissen, um die guten Ideen und innovativen Denkansätze effizient in die Praxis zu überführen. Auch fehlen eine zentrale Instanz oder wenigstens einheitliche Standards für die konkrete Umsetzung, sodass viele Investoren, Bauherren und Projektentwickler aufgrund mangelnder Transparenz im Dschungel der Maßnahmen, Rahmenbedingungen und Begriffe eher auf „business as usual" setzen. 

Ein weiterer Stolperstein ist der Fakt, dass es beim Thema Nachhaltigkeit keinen Königsweg, keine „eierlegende Wollmilchsau" gibt. Jedes Projekt ist in seinen Rahmenbedingungen und Zielen einzigartig und braucht somit ein individuelles Nachhaltigkeitskonzept, das sich sinnvoll in alle gegebenen Projektparameter integrieren lässt und im besten Fall Synergieeffekte mit anderen Teilbereichen bietet. Strategisch betrachtet ist es also notwendig, aus den verschiedenen Faktoren des Projektes eine für sich bzw. das konkrete Projekt passende Herangehensweise zu entwickeln, um es erfolgreich und zukunftsfähig umsetzen zu können.

Gerade der Mangel an allgemein anerkannten Definitionen erschwert oder verhindert sogar die Realisierung von echter Nachhaltigkeit, indem er dazu beiträgt, dass durchaus sinnvolle Maßnahmen durch ihre Anwendung im falschen Kontext zu bloßen PR-Worthülsen werden. Eine allgemeingültige „Best Practice" kann und wird es im Bereich Nachhaltigkeit nicht geben. Was es vielmehr braucht, ist ein verlässlicher Leitfaden zum Entwickeln individuell zugeschnittener Nachhaltigkeitsstrategien anhand klar definierter zentraler Faktoren. 

Die Lösung: Einfach zur Nachhaltigkeitsstrategie
Um hier Orientierung zu geben, hat die KLV Group ein Nachhaltigkeitsstrategietool für die Entwicklung von Neubauten und Bestandsprojekten entwickelt. Hierbei werden die Faktoren Stakeholder, Grundstück und Business Case als Nachhaltigkeitsdreieck gedacht und bilden so die Matrix für ein flexibles Strategietool.

Innerhalb des Tools werden auf Basis mehrerer Kernfragen die relevanten Arbeitsschritte zur Entwicklung einer schlüssigen Nachhaltigkeitsstrategie definiert. So wird beispielsweise gefragt, in welcher Assetklasse man sich bewegt, ob es Käufer gibt, wann verkauft werden soll etc. Die Fragen bauen systematisch aufeinander auf und ermöglichen so die Erstellung eines kompakten Leitfadens, welche konkreten Maßnahmen notwendig sind – strukturiert nach Kategorien wie Ökonomie, Energie, Lebenszyklus, technische Gebäudeausstattung oder Wassernutzungseffizienz. Der Leitfaden macht transparent, welche Regularien aufgrund der Finanzierung des Projekts berücksichtigt werden müssen, welche Nachhaltigkeitsaspekte in Abhängigkeit von der Leistungsphase, in der sich das Projekt bereits befindet, zu beachten sind und was hinsichtlich Nachhaltigkeit bei zukünftiger Vermietung oder dem Verkauf entscheidend ist. Wird dieser Anforderungskatalog dann frühzeitig in die Projektentwicklung eingebracht, legt man damit den besten Grundstein, um geradlinig und störungsfrei ein tatsächlich nachhaltiges Gebäude zu realisieren. 

Was grundsätzlich für Bauprojekte gilt, gilt also auch für Nachhaltigkeit: Die Weichen für den Erfolg werden in den frühen Leistungsphasen gestellt. Mögliche Änderungen bestimmter Parameter des Projektes können zu dieser Zeit ohne großen Aufwand aber mit teils großen Effekten für das Gesamtprojekt umgesetzt werden. Wenn die Bedarfsplanung vor allem in Bezug auf die Nachhaltigkeit zum Start des Vorhabens gut fundiert steht, können zeit- und kostenaufwändige Nachträge und Anpassungen vermieden werden. 

Der dafür am besten geeignete Partner für die Bauherrn ist dabei das Projektmanagement. Denn hier wird der Gesamtzusammenhang gesehen und es können Schnittstellenprobleme schnell identifiziert und verhindert werden. Zu Beginn eines Projektes bedeutet dies bei der Bedarfsermittlung und für die Schulung des Teams zwar einen Mehraufwand. Doch auf den gesamten Projektablauf betrachtet ist er sehr gering. Dies führt zu der Schlussfolgerung: Nachhaltigkeit muss zu einem Projektziel neben anderen, Teil der Bedarfsplanung und integraler Bestandteil des Projektmanagements werden.

Das Konzept: Ansätze der echten Nachhaltigkeit
Die wesentliche Grundlage für Nachhaltigkeit ist ein möglichst sparsamer Umgang mit Ressourcen, ganz gleich, ob es dabei um Materialien, Energie oder das Emittieren von Treibhausgasen geht. Zudem sind Langfristigkeit und Flexibilität entscheidend, weshalb zum Beispiel ein Übermaß an Technik vermieden werden sollte. Bei einer Strategieentwicklung schon in den frühen Leistungsphasen des Projektes können derartige Schwerpunkte festgelegt und im Verlauf des Projektes effizient gemanagt werden. 

Meist erfordern Konzepte abseits von den Standardlösungen einen interdisziplinären Entwurfsansatz der Planer:innen und bergen gegebenenfalls Risiken für die Auftraggeber:innen. Wird beispielsweise ein Low-Tech-Ansatz verfolgt, müssen Architektur, Bauphysik und Gebäudetechnik eng zusammenarbeiten, um ein robustes und funktionierendes Energiekonzept zu entwickeln. Risiken bei derartigen Konzepten können etwa entstehen, wenn von geltenden DIN Normen abgewichen wird, weil dies Transaktionen negativ beeinflussen kann. Es gibt jedoch vielversprechende Ansätze im Hinblick auf den begrenzten Ressourcenbestand: demontierbare Bauweisen, Produktionsprozesse bei denen Sekundärmaterialien wieder aufbereitet werden, Urban Mining oder gesamte Gebäude nach dem Cradle-to-Cradle Ansatz.

Für den bewussten Umgang mit Baustoffen und Bauteilen haben sich in den vergangenen Jahren mit Madaster und Concular bereits mehrere Unternehmen am Markt mit wichtigen und vielversprechenden Konzepten etabliert. Bei Madaster handelt es sich um ein Material-Kataster, das für jedes Bauwerk erstellt wird und genau verzeichnet, welche Materialien wo im Baukörper zu finden sind, sodass sie bei einem späteren Rückbau eindeutig identifiziert, ausgebaut und einer Wiederverwendung zugeführt werden können. Gleichzeitig ist es möglich, über Börsenwerte das Restmaterial aus ökonomischer Perspektive zu bewerten und den Restwert des Gebäudes zu bestimmen. Das Konzept von Concular setzt ebenfalls im Bereich der Ressourceneffizienz an, stellt aber die Wiederverwendung alter, bereits gebrauchter Bauteile im Vordergrund. Concular hilft dabei, Bestandsgebäude aufzunehmen und wertvolle Materialen in Bestandsgebäuden zu identifizieren, den Wert zu bestimmen und weiterzuvermitteln. Mit dem Kerngedanken, dass Abfall nur wertvolles Material an der falschen Baustelle ist, möchte das Unternehmen helfen, Materialkreisläufe zu schließen und sowohl CO2-Emissionen als auch Abfall in Planung, Umbau und Rückbau zu reduzieren.

Der zweite Ansatz ist Flexibilität: Intelligente Grundrisse, ausreichend dimensionierte und leicht zugängliche Technikschächte, offene Decken, Systemtrennwände etc. sind in der Planung problemlos zu berücksichtigen. Ein flexibel entwickeltes und geplantes Gebäude kann auch bei einer Nutzungsänderung einfach umgerüstet und umgenutzt werden. Sofern der Aufwand der Umbauten gering gehalten werden kann, wird die Weiternutzung oder Revitalisierung des Bestandes immer attraktiver als die Errichtung eines Ersatzneubaus sein.  Daher gilt: Je flexibler ein Gebäude, desto besser. Insbesondere in Zeiten sich verändernder Ansprüche an Arbeitswelten müssen Gebäude Raumkonzepte bieten, die anpassungsfähig sind, um möglichst ohne Nachrüstungen oder umfängliches Umbauen dauerhaft nutzbar zu sein und zu bleiben. 

Der Benefit: Wieso sich Investitionen in nachhaltige Gebäude rentieren
In nachhaltige Gebäude zu investieren ist mithin auch wirtschaftlich sinnvoll, denn nachhaltige Immobilien erzielen dauerhaft höhere Renditen, Verkaufs- und Mietpreise. Darüber hinaus besteht bei lang- und mittelfristigen Anlagehorizonten ein geringeres Risiko, da nachhaltige Gebäude besser für die Zukunft gerüstet sind. Im Gegensatz dazu drohen ökologisch untaugliche Gebäude aufgrund der wachsenden Anforderungen durch ihren hohen CO2-Ausstoß so weit abgewertet zu werden, dass sie am Immobilienmarkt nicht mehr handelbar sind oder vermietet werden können und dadurch „stranden". 

Der ökonomische Vorteil für Bauherrn und Investoren liegt also auf der Hand: Mit einer vorausschauenden und umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie werden „Stranded Assets" vermieden. Nachhaltiger Neubau ist indes nur eine Seite der Medaille.  Da das „stranding risk" für ältere Gebäude ungleich höher ist, wird es zugleich notwendig sein, Nachhaltigkeitsstrategien für die Weiterentwicklung der Bestände zu konzipieren. Die entsprechende Erweiterung des KVL-Tools ist jüngst erfolgt. Das Tool ist für alle kostenlos und frei auf der Website der KVL Group verfügbar.

Luana Cortis ist Managing Partner bei KVL Projektentwicklung Plus GmbH. 
Benjamin Slosharek ist Sustainable Expert & Project Manager bei der KVL Group. 

Kontakt: Stöbe.Kommunikation, Martin Hoffmann | hoffmann@stk-berlin.com | stk-berlin.com



     
        
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