Klimaschutz in der Wertschöpfungskette: Welches Potential Verbraucherkampagnen zur Verhaltensänderung haben

Die Kampagne #WirDrehenRunter motiviert zu kälterem Waschen

Kälter Waschen schont das Klima © Engin_Akyurt, pixabay.com
Wie lässt sich der Fußabdruck eines Unternehmens umfassend bestimmen? Insbesondere die Scope-3-Emissionen sind mitunter schwierig zu messen. Scope-3-Emissionen entstehen durch Aktivitäten, die nicht direkt im Geschäftsbetrieb anfallen, sondern indirekt in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette. Dazu zählen etwa eingekaufte Waren und Dienstleistungen, Geschäftsreisen, das Abfallmanagement oder auch die Nutzungsphase von Produkten. Nachdem Unternehmen sich bislang vor allem auf die Reduktion von Scope-1- und Scope-2-Emissionen fokussiert haben, sind die Scope-3-Emissionen erst jüngst stärker ins Blickfeld von Unternehmen gerückt. Die Erstellung eines Scope-3-Inventars stärkt zum einen das Verständnis der Unternehmen für ihre Treibhausgasemissionen in der Wertschöpfungskette und ist zum anderen ein Schritt hin zu einem effektiven Management emissionsbezogener Risiken und Chancen – sowie letztlich zur Reduzierung der Emissionen in der Wertschöpfungskette. Bislang liegt der Fokus auf den Emissionen aus der Lieferkette. Dass sich Unternehmen darüber hinaus mit den Scope-3-Emissionen aus der Nutzungsphase ihrer Produkte befassen, ist neu. Entsprechend gering sind die Erfahrungen mit hierfür geeigneten Instrumenten. Die Kampagne #WirDrehenRunter zur Verhaltensänderung von Verbraucher*innen beschreitet hier neue Wege.

Die Nachhaltigkeitsinitiative wird von der Waschmittelmarke Ariel von Procter & Gamble (P&G) und dem WWF Deutschland umgesetzt und durch das Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP) wissenschaftlich begleitet. Sie zielt auf eine Änderung des Verbraucherverhaltens ab und ist ein neuartiger Ansatz zur Reduktion jener Emissionen, die im Zusammenhang mit der Nutzungsphase verkaufter Produkte, also Scope-3-Emissionen, stehen. Die Kampagne wurde so konzipiert, dass sie sich nicht nur der Herausforderung stellt, diese Emissionen zu reduzieren, sondern auch von einer fortlaufenden wissenschaftlichen Evaluierung begleitet wird, um die Ergebnisse im Laufe der Zeit zu messen.

Verhalten als Hebel zur Reduktion von Emissionen in der Nutzungsphase
P&G verfügt mit seinem Climate Transition Action Plan über einen umfassenden Plan zur Reduktion seiner Scope-1-3 Emissionen auf Netto Null bis 2040. Darüber hinaus adressiert P&G die indirekten Emissionen in der Nutzungsphase seiner Produkte, die mehr als 80 Prozent des gesamten (indirekten) Fußabdrucks ausmachen. Ein Großteil dieser Emissionen stammt aus dem Waschmittelbereich.
 
Die Deutschen waschen ihre Wäsche durchschnittlich bei einer Temperatur von etwa 43 Grad Celsius. Der Großteil des CO2-Fußabdrucks des Wäschewaschens – in Europa sind das etwa 60 Prozent - geht auf den eigentlichen Waschzyklus in der Waschmaschine zurück, insbesondere auf das Erhitzen des Wassers. Eine Änderung im Verhalten der Verbraucher*innen – also das Herunterdrehen der Waschtemperatur - hat hier entsprechend ein enormes Potenzial.

Eine Behaviour-Change-Kampagne als geeignetes Instrument
Vor diesem Hintergrund wurde eine Kampagne zur Verhaltensänderung designt, die das Ziel hat, die durchschnittliche Waschtemperatur in Deutschland um mindestens ein Grad Celsius pro Jahr zu reduzieren. Die Kampagne besteht aus verschiedensten Kommunikationselementen wie TV-Spots, Social-Media-Aktivitäten, Pressearbeit, Kommunikation am Point of Sale und Aktionen wie ein Pop-up-Kaltwaschsalon, die allein zwischen Oktober 2022 und März 2023 mehr als zwei Milliarden Bruttokontakte generieren konnten. Die Kampagne zielt konkret darauf ab, im Vorfeld identifizierte Barrieren für kälteres Waschen abzubauen und die Motivation für das neue Verhalten zu fördern.

Evaluation der Effektivität der Kampagne und Kalkulation der tatsächlichen Einsparungen
Die Evaluation der Auswirkungen der Kampagne wird vom CSCP wissenschaftlich begleitet, um diesen auch methodisch neuartigen Ansatz stärker zu kommunizieren und in die Öffentlichkeit zu tragen. Auf der Grundlage eines umfassenden Evaluierungskonzepts wurde es möglich, die Auswirkungen der Kampagne auf die durchschnittlichen Waschtemperaturen und ihre Wirksamkeit für Verhaltensänderung zu bewerten. Zu diesem Zweck wurden die Waschtemperaturen einer repräsentativen Gruppe von tausend Verbraucher*innen in Deutschland erhoben und mit einer Kontrollgruppe in Österreich verglichen. Dazu mussten die Teilnehmenden vor Kampagnenstart und genau ein Jahr später Fotos von ihrer Waschmaschine und der eingestellten Waschtemperatur machen. Die Auswertung zeigt, dass die Kampagne höchstwahrscheinlich Auswirkungen auf das Verhalten der Verbraucher*innen hatte und zu einer Senkung der Waschtemperatur in Deutschland um 1,25 Grad Celsius im ersten Jahr beigetragen hat. Dies entspricht einer Einsparung von bis zu 100.000 Tonnen CO2 pro Jahr.

Zusätzliche monatliche Befragungen von Verbraucher*innen zu Barrieren und Motivationen für eine Änderung der Waschtemperatur gaben zudem Aufschluss über die Kampagnenelemente, die in der Zukunft schrittweise angepasst werden sollten. Auf dieser Basis wird der inhaltliche Fokus der Kampagne derzeit weiter zugespitzt.

Diskussion und Einschränkungen
Mit der Kampagne beschreiten die Partner methodisches Neuland zur Reduktion von Emissionen in der Nutzungsphase von Produkten. Nach dem ersten Jahr zeichnet sich vorsichtig ab, dass eine Kampagne zur Veränderung des Verhaltens von Verbraucher*innen unter bestimmten Voraussetzungen ein effektives Instrument sein kann. Diese Voraussetzungen umfassen ein Verhalten, welches mit hohen CO2-Emissionen einhergeht, leicht zu verändern und im Idealfall zu keinem oder wenig Komfortverlust führt.

Darüber hinaus gilt es folgende Einschränkungen zu beachten: Zunächst müssen die längerfristigen Ergebnisse der Verhaltensänderung abgewartet und ausgewertet werden. Auch wenn das aktuelle Evaluationsdesign bereits umfangreich ist, gibt es noch nicht ausreichend Aufschluss über zielgruppenspezifische Barrieren oder gezielt auf bestimmte Zielgruppen zugeschnittene Kommunikation. Während das Vergleichsland Österreich grundsätzlich eine geeignete Kontrollgruppe bieten konnte, ist es nicht möglich, Effekte beispielsweise anderer Kampagnen zum Thema Energiesparen auf die Ergebnisse vollständig auszuschließen. Eine zukünftige Evaluation könnte außerdem mögliche Rebound-Effekte, sowie einen möglichen Rückfall in alte Verhaltensweisen über längere Zeiträume berücksichtigen.
 
Alle Partner haben das erklärte Ziel, die Ergebnisse der Evaluation transparent zu teilen und damit auch eine Ausweitung des Ansatzes jenseits der Wasch-Thematik zu ermöglichen. Denkbar wären hier andere energieintensive Tätigkeiten wie Heizen, Autofahren oder Duschen. Die Partner laden alle Akteure, für die diese Emissionskategorie relevant ist, ein über die Nutzung eines solchen Instruments nachzudenken und sich von den Überlegungen und Limitationen dabei leiten zu lassen.

Kontakt: Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production, Rosa Strube | rosa.strube@cscp.org | www.wirdrehenrunter.de


Lifestyle | LOHAS & Ethischer Konsum, 05.12.2023

     
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