Regreen Africa – was geht uns das an?

Empowerment am Äquator am Beispiel der erfolgreichen "Champion Farmers"

"Wenn in China ein Sack Reis umfällt…" sagt man nicht selten zu etwas, das uns vermeintlich bedeutungslos erscheint oder wenig Aufmerksamkeit verdient. Es ist zu weit weg, um sich dafür zu engagieren. Doch der "Sack Reis" hat im Kontext globaler Auswirkungen des Klimawandels eine neue Bedeutung bekommen: Die soziale und ökologische Verantwortung geht uns alle an, die Zusammenarbeit mit den Menschen im "globalen Süden" ist wichtiger denn je, wir sitzen alle im selben Boot. Daraus ergeben sich neue Chancen für internationale NGOs, die die Aufmerksamkeit in Deutschland und Europa gewinnen wollen. Hier ein erfolgreiches Beispiel aus Afrika.

'Justdiggit' verzeichnet mit seiner Wüstenbegrünung einen beachtlichen Erfolg. © JustdiggitFerne Projekte werden auch für uns relevant, wenn sie uns rational und emotional erreichen: Wenn uns ihre Mission, ihr Mut und ihre Wirksamkeit anspricht, werden sie zu einer Herzensangelegenheit. So kann auch das Ziel "Regreen Africa – cooling down the planet" in unseren Fokus als Deutsche rücken – das Ziel vieler privater Organisationen, die bis 2030 einen ganzen Kontinent nachhaltig wiederbegrünen und so den globalen Temperaturanstieg bremsen wollen. Ein Projekt aus Tansania der NGO Justdiggit soll hier einmal näher beleuchtet werden, denn es veranschaulicht, wie und warum ökologische und zugleich soziale Verbesserungen durch nicht-staatliche Programme erreicht werden können.

Wiederbegrünung in Ostafrika: Mindset Change für die Natur
Ein Ortsbesuch im Dorf Esilalei in der Region Arusha, nicht weit entfernt von Serengeti und Kilimandscharo. Hier leben 15.000 Massai und bewirtschaften Acker- und Weideland. Einige sind zu sogenannten "Champion Farmers" aufgestiegen. Sie kooperieren mit NGOs wie der tansanischen LEAD Foundation und deren internationalem Partner Justdiggit. Dort lernen sie alles Wichtige über nachhaltige Wiederbegrünung großer Landflächen und tragen diese Ideen und dieses Wissen in die Dorfgemeinschaften weiter. Zum Beispiel demonstrieren sie auf sogenannten Roadshows in den Dörfern die Baumschnitt-Methode "Kisiki Hai" (Swahili für "Lebender Baumstumpf"): Bäume wachsen wieder, degradiertes Land wird fruchtbarer, der Wassergehalt des Bodens verbessert sich, mehr Schatten entsteht und bessere Ernteerträge werden möglich.

So lernen die Massai durch Überzeugungsarbeit Methoden, von denen sie langfristig profitieren.  Nicht Geld, sondern Überzeugungskraft treibt die Projekte an. Nicht jeder Farmer oder jede Gemeinde ist sofort für die Idee zu gewinnen, aber immer mehr Dörfer schließen sich den Programmen an. Spendeneinnahmen werden bei Justdiggit ausschließlich für die Informationsarbeit in Afrika und die Ausbildung der Champion Farmer verwendet. Es geht um eine Mission – so funktionieren Graswurzel-Bewegungen und Empowerment.

Auch dem Gründer der LEAD Foundation geht es nicht um "Entwicklungshilfe" aus Europa, sondern um lokale Leadership-Qualitäten, um Überzeugung und das Lauffeuer, das dadurch erzeugt werden kann: Dr. Simon Chiwanga, ein charismatischer und weltgewandter ehemaliger Bischof und Minister, reist mit über 80 Lebensjahren und ungebrochener Leidenschaft bis in die kleinsten Massai-Dörfer, um die Menschen vom "Regreening" zu überzeugen und den Champion Farmern den Rücken zu stärken. LEAD steht für "Leadership, Environment and Action for Development". "Unsere Aufgabe ist es, die Beteiligten zu inspirieren und zu befähigen, die am besten geeigneten und effektivsten Prinzipien und Praktiken zur Transformation der Gemeinschaft anzuwenden, für die Natur, Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen sowie der Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel", sagt Chiwanga.

Impact motiviert – weltweites Netzwerk gibt Rückenwind
„Roadshow'Weit mehr als ein "Sack Reis" oder ein "Tropfen auf dem heißen Stein" – Justdiggit hat bislang viel bewegt: In den vier afrikanischen Ländern, in denen die unabhängige Organisation aktiv ist, wurde eine Fläche von mehr als 400.000 Hektar (das sind fast 600.000 Fußballfelder) begrünt und 300.000 Wassergruben angelegt. Dadurch sind 14 Millionen Bäume gewachsen und viel CO2 gebunden worden (siehe Justdiggit Impact Report 2022). So wurden allein im letzten Jahr rund 3,75 Milliarden Liter Wasser aufgefangen und genutzt.

Das Empowerment zeigt sich in der sozialen Wirkmächtigkeit: Jeder der aktuell 2.000 Champion Farmer aktiviert im Durchschnitt 110 Bauern und Hirten. 550 Dörfer sind in Tansania und Kenia beteiligt (33 Prozent mehr in 2022 als im Vorjahr). Und 272 Massai-Frauen betreiben und bewirtschaften 12 Anzuchtstationen für Grassamen, die auf lokalen Märkten verkauft werden und zusätzliche Einnahmequellen bieten.

Dieser "Eco and Social-Impact" ist auch die Triebfeder für die breite Unterstützung in Europa. Hier hat Justdiggit eine starke internationale Netzwerkstruktur aufgebaut und zahlreiche Unterstützer gewinnen können. Die NGO versteht sich als Bindeglied zwischen lokalen und globalen Organisationen, zwischen Afrika und den Unterstützern in Europa und Deutschland. Dazu zählen Kooperationen an staatlichen Schnittstellen, wie mit der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) oder verschiedenen UN-nahen Initiativen.

Lokale versus globale Initiativen – Im Fundraising-Wettbewerb Gehör finden
Jedes Thema muss sich heute im täglichen Fundraising-Wettbewerb der Konkurrenz stellen. Die Statistiken des Deutschen Spendenrats zeigen ein eher stagnierendes privates Spendenvolumen. Der Anteil von Geldspenden für Umwelt- und Naturschutz lag 2022 bei gerade einmal 3,4 Prozent. Auch wenn das Bewusstsein für die Unterstützung internationaler Umwelt- und Klimaschutz-Initiativen stärker wird, so stehen den Deutschen die heimischen Themen emotional näher. Blickt man jedoch auf die wachsende Bedeutung von Migration, Corporate Responsibility und ESG-Richtlinien von Unternehmen, haben globale Initiativen mit Social- und Eco-Return großes Wachstumspotenzial – aber nur wenn sie Gehör finden und ihre Relevanz verdeutlichen können. Justdiggit will deshalb ein starkes Bewusstsein für das Engagement in Afrika schärfen, mit der Devise "Cooling down the planet!".

Nicht Spendenaufrufe, sondern Shares von Social-Media-Beiträgen und viele andere Aktionen tragen die Botschaft in die Welt. Auch prominente Deutsche wie der Musiker Thomas D., Bestsellerautor Frank Schätzing oder Oscar-Gewinner Volker Schlöndorff unterstützen die NGO, sorgen für Aufmerksamkeit und wecken Emotionalität. Während also in Afrika die Teams per Roadshow in den Dörfern Bewusstsein bilden, solidarisieren sich Menschen in Europa für die Projekte.

Gleich ob als privater Spender oder als CSR-Verantwortlicher im Unternehmen – um etwas für den Klimaschutz zu tun, sind beide Perspektiven wichtig: Was man im eigenen Umfeld tun und zugleich im globalen Kontext leisten kann. Wenn es einer NGO gelingt, mehr emotionale Nähe in Europa für die Stärken und Möglichkeiten des globalen Südens zu schaffen, kann viel erreicht werden.
 

Oliver Sturz ist Kommunikationsberater und befasst sich mit werteorientierter Kommunikation, Corporate Social Responsibility, ESG Guidelines, Reputation, Markenbildung und Kundenvertrauen. Mit seiner Agentur "Harvard Engage! Communications" in München unterstützt er Justdiggit pro bono. Im Mai 2023 besuchte er im Rahmen einer Partner-Infotour von Justdiggit die Regreening-Projekte im Norden Tansanias.

Gesellschaft | Pioniere & Visionen, 17.08.2023

     
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