Stadtwerke finanzieren Gaslobby
Nach Recherchen von CORRECTIV geht es um Millionen.
Über 60 Stadtwerke aus ganz Deutschland finanzieren die Arbeit des einflussreichen Lobbyverbandes Zukunft Gas. Wie viel Geld sie an den Verband zahlen, wollen die kommunalen Unternehmen nicht offenlegen – nach Recherchen von CORRECTIV geht es um Millionen.

Stadtwerke machen etwa die Hälfte der 128 Mitglieder des Verbands aus. Ihr Mitgliedsbeitrag richtet sich nach ihrem Gas-Umsatz, was bei größeren Städten zu hohen Beiträgen führen kann. Eine „mittlere sechsstellige Summe" zahlte beispielsweise die „Enercity AG" mit Sitz in Hannover, einer der größten kommunalen Energiedienstleister Deutschlands, jährlich an den Lobbyverband. Enercity ist mittlerweile aus dem Verband ausgetreten.
Dass Stadtwerke und regionale Energieversorger als kommunale Unternehmen oder Unternehmen mit kommunaler Beteiligung die Tätigkeiten von Zukunft Gas finanzieren, wirft Fragen auf. Denn Stadtwerke haben den Auftrag, im öffentlichen Interesse zu handeln und eine nachhaltige Versorgung zu sichern. Stattdessen haben sie sich in einem Lobbyverband einseitig für Gas als Energiequelle eingesetzt und Werbekampagnen und Veranstaltungen im Sinne der großen Öl- und Gaskonzerne unterstützt. Zum Vergleich: Im Bundesverband Erneuerbare Energien sind nur zwei der 52 Mitglieder Stadtwerke.
Der Bundestagsabgeordnete Bernhard Herrman (Grüne) drängt die Stadtwerke dazu, sich von Gas abzuwenden: „In den Stadtwerken brauchen wir ein Umdenken." Die Verantwortlichen seien gut beraten, ihre Arbeit an die veränderten Rahmenbedingungen seit dem Ukraine-Krieg anzupassen. Nur so ließe sich die weitere Abhängigkeit von klimaschädlichen und teuren fossilen Energien minimieren.
Susanna Zapreva, Vorstandsvorsitzende von Enercity in Hannover, kündigte die Mitgliedschaft bei Zukunft Gas nach ihrem Amtsantritt. Als sie 2017 öffentlich angab, das Gasnetz langfristig zurückbauen zu wollen, wurde die Lobbyorganisation aktiv. „Ich bekam sieben Anrufe aus dem Verband, um mich davon zu überzeugen, doch bei Gas zu bleiben."
Kaum ein Stadtwerk will offenlegen, wie viel der Lobbyverband von ihnen erhält. Viele ließen die Fragen von CORRECTIV juristisch prüfen. Sowohl die Stadtwerke Haßfurt als auch Zweibrücken berufen sich – im exakt gleichen Wortlaut – auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, ihre eigenen und auch die von Zukunft Gas. Andere behaupten, sie seien gar nicht Mitglied, obwohl sie auf der Verbandsseite genannt werden.
„Viele Stadtwerke haben in der Vergangenheit auf Gas gesetzt und ihr Kapital in die Verteilnetze investiert", sagt Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer der Umweltschutzorganisation Deutsche Umwelthilfe gegenüber CORRECTIV. „Die werden jetzt einen Teufel tun, da auszusteigen. Denn die Netze sind ordentlich was wert." Für die Stadtwerke wäre es teuer, die einst für viel Geld gebauten Gaspipelines wieder zurückzubauen. Verband Zukunft Gas setzt sich dafür ein, die alten Leitungen weiter nutzen zu können, etwa mit Wasserstoff. Eine unter Forschenden höchst umstrittene Annahme.
Auch Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sieht es als ein großes Problem, dass die Stadtwerke bereits viel in die Gasnetze investiert haben. „Die Stadtwerke brauchen dringend Unterstützung beim Rückbau der Netze." Einige hätten bereits begonnen. „Im Großen und Ganzen sind wir aber noch auf einem völlig falschen Pfad."
Zukunft Gas gehört zu den größten Lobbyverbänden der Gasindustrie und ist eng mit der Politik verflochten. Neben den Stadtwerken sind Öl- und Gasunternehmen wie Shell, GASAG oder Wintershall Mitglied. Auch Gazprom zahlte Beiträge an den Verband.
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Gesellschaft | Politik, 20.02.2023

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