Innovativ für eine bessere Welt:
Toolbox „PICI“ misst, wie Privatpersonen online gemeinsam Innovationen entwickeln
- Wie können Innovationen für sozialen und ökologischen Wandel sichtbar werden, die abseits von klassischen Forschungs- und Entwicklungsprozessen im privaten Bereich entstehen?
- Forschungsprojekt „Peer Innovation" entwickelt Open-Source-Toolbox „Peer Innovation Community Indicators" (PICI), mit deren Code Online-Foren ausgewertet werden können, um Innovationsaktivitäten von Peer-Communities zu untersuchen.
- Innovationsforscher*innen und Betreiber*innen von Foren können das Tool nutzen und anpassen. Interaktive Infografik erläutert, wie PICI funktioniert.
Für den sozialen und ökologischen Wandel braucht es viele Lösungsansätze. Jenseits klassischer Forschungs- und Entwicklungsprozesse können Online-Communities hierbei ein Innovationstreiber sein: In Internet-Foren tauschen sich Privatpersonen weltweit über technische Lösungen und deren gesellschaftliche Umsetzung aus. Dabei kommt eine große Menge an Informationen und Lösungsansätzen zusammen. Die Zusammenarbeit in solchen „Peer-Communities" hat Innovationsprozesse geöffnet, aber auch unübersichtlicher gemacht. Forschende aus dem Projekt „Peer Innovation" vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der Technischen Universität Berlin wollen dazu beitragen, solche Innovationen sichtbarer zu machen. Hierfür entwickelten sie eine Open-Source-Toolbox, die dabei hilft, Innovationsaktivitäten von Online-Communities einzuschätzen.
Die Toolbox kann ausgewählte Indikatoren, die mit maschinellem Lernen evaluiert wurden, auf relevante Inhalte aus Online-Foren anwenden. Das Tool öffnet neue Möglichkeiten dafür, Innovation zu messen und kreative Online-Netzwerke für die Innovationsforschung greifbar zu machen.
Peer Innovation für eine sozial-ökologische Transformation
Das Projekt „Peer Innovation" untersuchte in den drei Handlungsfeldern Energie, Verkehr und Stadtentwicklung die Beiträge von Online-Communities zu Innovation und Nachhaltigkeit. Mit Interviews, Fokusgruppen und Analysen sozialer Netzwerke wurden Akteure und Innovationsprojekte kartiert und relevante Interaktionsplattformen identifiziert. Mitglieder der Plattformen OpenStreetMap, OpenEnergyMonitor und Precious Plastic wurden befragt, um zu verstehen, wie diese Peer-Communities nachhaltige Technologien voranbringen. Ihr Beitrag zu grüner Mobilität, Energiewende und Kreislaufwirtschaft geht weit über die reine Entwicklung technischer Lösungsansätze hinaus. Sie tragen auch zu sozial-ökologischem Wandel bei, indem sie die praktische Erprobung, die Legitimierung und gesellschaftliche Einbettung dieser Innovationen unterstützen.
„Mit dem Projekt wurde Pionierarbeit geleistet, denn die empirische Forschung zu Peer Innovation steht noch ganz am Anfang. Bisher wurde der Privatbereich in offiziellen Innovationsstatistiken vollkommen ausgeblendet", so Jan Peuckert, Leiter des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projektes.
Infografik zeigt Funktionen der Open-Source-Toolbox PICI
Die Forschenden entwickelten eine digitale Toolbox, die Innovationsaktivitäten erfasst und auswertet. „Es ist nicht ganz einfach, Peer Innovation zu messen", sagt Philipp Heß von der TU Berlin. „Wir haben verschiedene Online-Foren als Datenquellen genutzt, aus der Literatur geeignete Indikatoren identifiziert und Machine-Learning-Algorithmen mit den Daten gefüttert. Sie messen Innovationsaktivitäten in den Communities und beurteilen dabei auch deren Qualität." Indikatoren helfen bei der Kategorisierung der Beiträge: Werden darin Ideen vorgestellt, bewertet, abgewandelt, verbessert oder gar praktisch umgesetzt? Der für die Analyse der Peer-Communities programmierte (Python-)Code ist als Open-Source-Toolbox auf GitHub verfügbar. Der Name PICI steht für „Peer Innovation Community Indicators". Eine interaktive Grafik auf der Projektwebseite stellt die Prozessschritte von PICI dar.
Die Toolbox soll Wissenschaftler*innen aus der Innovationsforschung, Politiker*innen aus der Innovationspolitik und Betreibenden von Online-Foren helfen, Innovationspotenziale von Communities zu erkennen, zu beforschen und gezielt zu fördern. So können Forschende mit Hilfe der PICI-Indikatoren Inhalte schneller klassifizieren und Innovationsaktivitäten der Communities erfassen. Dies trägt zu einer höheren Sichtbarkeit von Innovationen bei, die sich abseits von klassischen Forschungs- und Entwicklungsprozessen befinden.
PICI kann weiterentwickelt werden
„Wir hoffen, dass unsere Methoden von anderen Forschenden aufgegriffen und weiterentwickelt werden", sagt Philipp Heß. Florian Kern, Innovations- und Transformationsforscher am IÖW, sieht die Forschung des Projektteams als einen Auftakt für eine intensivere Auseinandersetzung mit alternativen Innovationsmodi: „Die Projektergebnisse liefern die Grundlagen dafür, Dynamiken der offenen Zusammenarbeit für Innovation wissenschaftlich zu untersuchen und besser zu verstehen, wie solche Innovationsmodi zu Transformationsprozessen beitragen können."
Fallstudien des Projekts zeigen, wie vielfältig Peer Innovationen zum soziotechnischen Wandel beitragen. Technische Lösungen zu entwickeln und zu verbreiten, ist dabei nur ein Aspekt, mit dem diese Netzwerke zur Entstehung und gesellschaftlichen Verankerung nachhaltiger Innovationen beitragen. Das Spektrum der untersuchten Communities reicht von technikfokussierten anonymen Netzwerken bis zu breit angelegten gemeinschaftsorientierten Communities, die neben der Wissensentwicklung auch den politischen Diskurs, die öffentliche Akzeptanz und die gesellschaftliche Einbettung neuer Technologien beeinflussen.
Mehr zur Toolbox PICI:
Kontakt: Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Dr. Florian Kern | florian.kern@ioew.de | www.ioew.de
Technik | Innovation, 12.01.2023
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