Die Geschichte einer Agrarwende

Wie ein Bauer eine Region zum Blühen brachte

In Baden-Württemberg startete ein Bauer mit der Züchtung einer vom Aussterben bedrohten Schweinerasse. Daraus wurde eine Erfolgsgeschichte, die eine ganze Region veränderte und Kreise selbst bis zur UNO zog.
 
Rudolf Bühler. © lichtbildstudio.comEine schöne Landschaft mit Wäldern und saftig grünen Wiesen, auf denen friedlich Kühe und Schafe grasen, Schweine, die auf Weiden genüsslich den Boden durchwühlen, Bauern, die ein geregeltes Einkommen haben und gesunde Lebensmittel ohne Tierquälerei und Medikamenteneinsatz produzieren – in Hohenlohe in Baden-Württemberg ist es Realität. Die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (BESH) hat hier die längst fällige Agrarwende umgesetzt und entwickelt sie täglich weiter. Agrargifte, Massentierhaltung, Bienensterben und verunreinigte Gewässer gibt es hier dank der überdurchschnittlichen Rate an Biobetrieben nicht.
 
Ein Pionier bringt eine Region zum Blühen
Der Mann, der hinter all dem steckt, ist Rudolf Bühler, ein Hohenloher Bauernsohn in der 14. Generation. Er gründete 1988 die BESH und läutete damit eine Agrarwende in der gesamten Region ein. Sein erstes Verdienst war, dass er das Schwäbisch-Hällische Landschwein vor dem Aussterben bewahrte. Das klingt zunächst nicht spektakulär. Doch mit den damit verbundenen Ideen und deren gänzlich unkonventionellen aber konsequenten Umsetzung verhalf er der ganzen Region zu wirtschaftlichem und kulturellem Aufschwung und schuf ein Leuchtturmprojekt für den ländlichen Raum.

Grundlage des Erfolgs ist das schmackhafte Fleisch der Schwäbisch Hällischen Weideschweine, das profitablen Absatz fand und findet. Drum herum baute Rudolf Bühler eine Wertschöpfungskette vom Bauern bis zum Verbraucher auf. Vielen Kleinbauern, die kurz vor der Aufgabe ihres Hofes standen, hat er damit eine lukrative Lebensgrundlage ermöglicht und unzählige Arbeitsplätze geschaffen. Viele Metzger, Bäcker, Käser und Handwerker konnten am Erfolg des Schwäbisch-Hällischen Schweins teilhaben. Durch Direktvermarktung von den Bauern zum Verbraucher ohne Zwischenhandel ist es möglich, die Landwirte fair zu entlohnen.

Rudolf Bühler hat das Schwäbisch-Hällische Landschwein vor dem Aussterben bewahrt, die regionale Lebensmittelproduktion und -vermarktung gefördert und damit eine Wertschöpfungskette vom Bauern bis zum Verbraucher geschaffen. 

Dabei hat Rudolf Bühler auch die Anbaumethoden und die Tieraufzucht grundlegend verändert: Ganzjähriger Weidegang, keine Chemiedünger, keine Pestizide, keine Antibiotika sind der Grundsatz. Biodiversität im Stall und auf den Äckern sorgen auch für eine ländliche Kultur, die das Leben auf dem Land lebenswert macht.
 
Im Besitz der gesamten Wertschöpfungskette
Die Mitglieder der Erzeugergemeinschaft haben die gesamte Produktionskette in ihrer Hand: den Schlachthof, die Wurstmanufaktur, die Heumilchkäserei und die Regionalmärkte. © BESHAm Anfang waren es nur acht Züchterkollegen, welche die Ideen des Pioniers mutig mittrugen und ihm als Mitstreiter zur Seite standen. Und es gab Stolpersteine seitens der Politik, der Verwaltung und dem Bauernverband. Aber der Bühlersche Dickkopf kämpfte sich durch alle Widerstände und Gegenkräfte. Inzwischen zählt die BESH 1460 Bauern, die alles mögliche produzieren. Darunter zählt auch das Limpurger Rind, das sogar bis nach Paris bekannt ist – als „Boef de Hohenlohe".
 
Zusammen mit unterstützenden Bürgern haben die Mitglieder der Erzeugergemeinschaft die gesamte Produktionskette in ihrer Hand: den Schlachthof, die Wurstmanufaktur, die Heumilchkäserei und die Regionalmärkte, auf denen auch Obst und Gemüse verkauft wird. Möglich ist dies über Anteilscheine, sozusagen Aktien, die man in Höhe von 500 Euro erwerben kann. Dabei geht es bei der BESH absolut demokratische zu: Jeder hat eine Stimme, unabhängig von seinem Anteil oder der Größe seines Betriebs. Und die Mitglieder sind stolz darauf, freie Bauern zu sein, die nicht abhängig sind von der Agrar- und Lebensmittelindustrie.
 
Hohe Ideale, die ihre Kreise ziehen
Das Bewahren und die stetige Weiterentwicklung von altem Bauernwissen steht für die Erzeugergemeinschaft an erster Stelle. Man ist überzeugt, dass das jahrhundertealte Wissen, das durch den Einfluss der Agrarindustrie verloren zu gehen droht oder schon verloren ist, die Landwirtschaft in die Lage versetzten kann, mit den Folgen des Klimawandels umzugehen. Bühler nennt es „indigenes Wissen" und er glaubt, dass es wahrscheinlich bald unser Überleben auf dem Planeten retten wird.
 
Der Erfolg der hohen Ideale hat Kreise gezogen. Mittlerweile haben die Vereinten Nationen in New York der Erzeugergemeinschaft einen ständigen Sitz als Berater bei landwirtschaftlichen Problemen von Kleinbauern eingerichtet. Und Bühler selbst sieht über seinen Tellerrand zu Kleinbauern auf der ganzen Welt hinaus. So initiierte er Entwicklungshilfeprojekte in Indien, Afrika, Montenegro und Serbien, von denen er wiederum die Gewürze für seine Würste bezieht. Sein unermüdlicher Einsatz hat zweifellos die Landwirtschaft nicht nur in Schwäbisch Hall belebt, sondern Wege aufgezeigt, eine wirkliche Agrarwende zu vollziehen – zum Besseren für Mensch, Tier und Natur.
 
Von Alrun Vogt

Crowdfunding für einen Film
Seit fast 40 Jahren produziert Betram Verhaag Filme über sozial- und umweltpolitischen Themen, zuletzt den Film „Und es geht doch... Agrarwende jetzt" über Rudolf Bühler und seine Erzeugergemeinschaft. Der einfühlsame Film war fast fertig, da kam Corona und machte dem Projekt einen Strich durch die Rechnung. Nun sucht Verhaag über Crowdfunding Gelder, für letzte Drehs, den Feinschnitt, die Musik und vor allem für eine professionelle Endfertigung, damit der Film in die Kinos kommen kann. Den Trailer ansehen und spenden kann man hier: www.denkmal.film

Gesellschaft | Pioniere & Visionen, 01.07.2022
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2022 mit dem Schwerpunkt: Wirtschaft im Wandel - Habeck Superstar? erschienen.
     
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