Banking on Climate Chaos

Trotz Net Zero-Rhetorik haben die größten Banken der Welt auch 2021 Milliarden in die fossile Industrie gesteckt

Lesen Sie mehr zum Thema im Artikel Monopoly oder: Wer regiert die Welt? in forum Nachhaltig Wirtschaften 1/2022
  • 60 größten Privatbanken der Welt seit Pariser Abkommen 4,6 Billionen US-Dollar in die fossile Industrie geleitet
  • 2021 flossen 742 Milliarden US-Dollar an Kohle-, Öl & Gas-Unternehmen
  • Deutsche Bank und Commerzbank mit von der Partie, müssen ebenfalls ihre fossilen Richtlinien nachbessern
Der heute veröffentlichte 13. „Banking on Climate Chaos"-Bericht vom Rain Forest Action Network (RAN) aus den USA, mitherausgegeben von urgewald, zeigt die alarmierende Diskrepanz zwischen den öffentlichen Klimaverpflichtungen der weltweit größten Banken und der de facto fortgesetzten Finanzierung der fossilen Industrie. 
 
So kommt der Bericht zu dem Ergebnis, dass die 60 größten Privatbanken der Welt in den sechs Jahren seit der Verabschiedung des Pariser Abkommens insgesamt 4,6 Billionen US-Dollar in Form von Krediten und im Rahmen von Underwriting-Mandaten [1] in die fossile Industrie geleitet haben. Allein 2021 flossen 742 Milliarden US-Dollar an Kohle-, Öl & Gas-Unternehmen, davon 185,5 Milliarden US-Dollar an die 100 größten Expansionisten des fossilen Sektors.[2]
 
Basierend auf den beiden urgewald-Datenbanken zur fossilen Industrie, der Global Coal Exit List und der Global Oil & Gas Exit List [3], zeigt „Banking on Climate Chaos": Insgesamt dominieren weiterhin vier US-Banken - JPMorgan Chase, gefolgt von Citi, Wells Fargo und Bank of America - die Finanzdienstleistungen für die fossile Industrie. Sie sind zusammen für ein Viertel aller in den letzten sechs Jahren ermittelten fossilen Finanzierungen verantwortlich.
 
Alison Kirsch, Research and Policy Manager beim Rainforest Action Network: „Jede weitere fossile Expansion birgt das Risiko, dass die Menschheit über Generationen hinweg in eine Klimakatastrophe hineingezogen wird. Doch die größten Banken der Welt überschütten die fossile Industrie weiterhin mit Milliarden US-Dollar. Diese Finanzinstitute – und an vorderster Front die Wall-Street-Banken – machen sich mitschuldig an der sich beschleunigenden Klimakatastrophe. Sie müssen ihre Unterstützung für die weitere fossile Expansion sofort einstellen."
 
Banking on Climate Chaos kommt auch zu dem Ergebnis: 63% der Finanzierung für die 20 größten Öl- und Gas-Unternehmen, die für mehr als die Hälfte der Expansion in der Branche verantwortlich sind, kommt von nur zehn Banken: JPMorgan Chase, Citi, Bank of America, BNP Paribas, HSBC, Barclays, Morgan Stanley, Goldman Sachs, Crédit Agricole, Société Générale. Jede dieser Großbanken ist Mitglied der Net Zero Banking Alliance und hat sich somit verpflichtet, bis 2050 netto-null CO2-Emissionen zu finanzieren.
 
Katrin Ganswindt, Leiterin Finanzresearch bei urgewald: „Trotz Netto-Null-Verpflichtungen haben die meisten Banken keine oder nur unzureichende Richtlinien für Fossile und speziell Öl und Gas. Unsere Global Oil & Gas Exit List zeigt, dass über 96% der Öl- und Gasunternehmen weiterhin expandieren – in krasser Missachtung der Wissenschaft, die hierdurch das 1,5-Gradziel gefährdet sieht. Solange Finanzinstitute keine klaren Ausschlüsse verabschieden, sind Net Zero- Verpflichtungen also absolutes Greenwashing." Sie ergänzt mit Blick auf deutsche Finanzinstitute: „Zwar schneiden Deutsche Bank und Commerzbank weniger schlecht in dem neuen Bericht ab als zum Beispiel die US-Konkurrenz. Die fortlaufende Finanzierung für Öl- und Gasunternehmen, die nicht auf dem 1,5-Grad-Kurs sind, zeigt aber, wie dringend beide deutschen Banken ebenfalls ihre Richtlinien verbessern müssen, wenn sie ihre Netto-Null- und Nachhaltigkeitsversprechen ernst meinen."
 
Von den 44 in dem „Banking on Climate Chaos"-Bericht aufgeführten Banken, die sich zu „Netto Null 2050" verpflichtet haben, besitzen 28 noch immer keine sinnvolle interne Richtlinie für den Öl & Gas-Ausstieg, wie der neue Oil & Gas Policy Tracker von urgewald-Partner Reclaim Finance zeigt. [4] 
 
2021-Trends in der Öl- & Gas-Finanzierung im Bereich unkonventionelle Fördermethoden 
  • Teersande: Alarmierend ist, dass die Finanzierung in diesem Bereich zwischen 2020 und 2021 um 51% auf 23,3 Mrd. USD angestiegen ist, wobei dieser große Sprung insbesondere auf die beiden kanadischen Banken RBC und TD zurückzuführen ist.
  • Fracking: Im vergangenen Jahr wurden 62,1 Mrd. USD für Fracking bereitgestellt, primär von nordamerikanischen Banken, angeführt von Wells Fargo.
  • Arktis: Insgesamt 8,2 Mrd. USD flossen 2021 in die Förderung von arktischem Öl und Gas, wobei JPMorgan Chase, SMBC Group und Intesa Sanpaolo die wichtigsten Geldgeber in diesem Bereich waren.
  • LNG/ Flüssiggas: Morgan Stanley, RBC und Goldman Sachs waren 2021 die größten Finanzierer im Bereich Flüssiggas. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 22,9 Mrd. USD für diesen Bereich an Finanzierung zur Verfügung gestellt.
  • Offshore-Öl und -Gas: Die im Bericht untersuchten Banken haben im vergangenen Jahr 52,9 Mrd. USD in Offshore-Öl und -Gas geleitet, angeführt von den US-Banken Citi und JPMorgan Chase. 
Unkonventionelle Öl- und Gasförderung wie Fracking, Förderung in der Arktis oder Flüssiggas (LNG) sind besonders schädlich für die Umwelt. So verschmutzen, verbrauchen oder gefährden sie Gewässer in einem noch höheren Maße als übliche Fördermethoden. Laut der Global Oil and Gas Exit List von urgewald handelt es sich dennoch bei 50% der aktuell geplanten Expansion um genau solch unkonventionelle Quellen bzw. Methoden.[5]
 

Deutsche Bank und Commerzbank im „Banking on Climate Chaos"-Bericht [6]

Deutsche Bank 
Die Deutsche Bank belegt im fossilen Gesamtranking des „Banking on Climate Chaos"-Berichtes Platz 22. Während der Trend grundsätzlich eine kontinuierliche Abnahme der fossilen Finanzierung für den Zeitraum 2016 bis 2021 zeigt, wurde 2020 und 2021 ein Plateau erreicht – trotz einer 2020 erweiterten Umwelt- und Sozialrichtlinie des Bankhauses.

Im Detail: Von 2016 bis 2021 unterstützte die Deutsche Bank Kohle-, Öl- & Gasunternehmen mit Finanzdienstleistungen in Höhe von 86 Mrd. USD. Das Finanzierungsvolumen sank allerdings kontinuierlich von 21 Mrd. USD in 2016 auf 9 Mrd. USD in 2021.

Für den untersuchten Gesamtzeitraum flossen 23 Mrd. USD an Kohle-, Öl- und Gasunternehmen mit Expansionsplänen. Während von 2016 bis 2019 eine Abnahme dieser Finanzierung zu verzeichnen war, ging der Trend für die Jahre 2020 und 2021 wieder hoch. 

22 Mrd. USD gingen im Gesamtuntersuchungszeitraum an fossile Unternehmen, die auf unkonventionelle Fördermethoden setzen. Knapp die Hälfte der Mittel (10,5 Mrd. USD) fiel auf Unternehmen mit Off-Shore-Aktivitäten. Dies sind unter anderem Exxon Mobil, Equinor und BP, allesamt auch in weiteren unkonventionellen Bereichen aktiv wie Fracking, Teersande und in der Arktis.

Vergangenes Jahr im April trat die Deutsche Bank der Net Zero Banking Alliance bei. Dies hat sie nicht daran gehindert, Öl- und Gasunternehmen zu finanzieren, die ihr klimaschädliches Geschäftsmodell weiter ausbauen. Im Februar beteiligte sich die Deutsche Bank an der Ausgabe einer 2 Mrd. USD-Firmenanleihe für BP; im Mai 2021 an einem Kredit über 6 Mrd. USD für Equinor; im Juni 2021 an der Ausgabe einer 12,5 Mrd. USD-Firmenanleihe für QatarEnergy; im August 2021 an einem 10 Mrd. USD-Kredit für ExxonMobil.
 
Katrin Ganswindt kommentiert: „Fossile Expansionisten zu finanzieren kann nicht mit dem 1,5° Ziel vereinbar sein. Am Beispiel der Deutschen Bank zeigt sich das ganze Dilemma der Net Zero Initiativen. Wenn nur entfernte Netto-Null-Ziele gesetzt werden, heißt es für die Gegenwart weiter „business as usual". Nur konkrete, kurzfristige Reduktionsziele und Ausschlüsse können den so dringend notwendigen, direkten Effekt erzielen."
  
Commerzbank
Die Commerzbank belegt im fossilen Gesamtranking des „Banking on Climate Chaos"-Berichtes Platz 46. Von 2016 bis 2021 unterstützte die Commerzbank Kohle-, Öl- & Gasunternehmen mit Finanzdienstleistungen in Höhe von rund 13 Mrd. USD. 2019 erreichte die Finanzierung den Hochstand mit 3,5 Mrd. USD. Auch 2021 lag das Volumen noch bei 1,1 Mrd. USD mit Finanzierung für unter anderem SUEK, EPH, Glencore, Wintershall Dea und KinderMorgan.
 
2021 flossen durch die Commerzbank noch 540 Mio. USD an Unternehmen mit unkonventionellen Fördermethoden (Phillips 66, BP, Repsol, Kinder Morgan, INEOS, Wintershall Dea). Im selben Jahr gingen noch 300 Mio. USD an fossile Unternehmen mit Expansionsplänen (Glencore, Repsol und BP [7]).
 
Katrin Ganswindt kommentiert: „Im letzten Jahr ist die Commerzbank der Net Zero Banking Alliance beigetreten, hat eine neue Kohlerichtlinie verabschiedet und eine erste Öl- und Gasrichtlinie veröffentlicht. Wie die Zahlen aus Banking on Climate Chaos belegen, werden fossile Expansion und unkonventionelle Fördermethoden nicht konsequent ausgeschlossen. Bestandskunden wird weiterhin erlaubt, ihr fossiles Geschäft auszubauen und die Finanzierung von unkonventioneller Öl- und Gasförderung wird bisher nur auf Projekteben ausgeschlossen. An diesen Stellen muss die Commerzbank umgehend nachbessern."
Über den Bericht „Banking on Climate Chaos” 

Banking on Climate Chaos wurde von Rainforest Action Network, BankTrack, Indigenous Environmental Network, Oil Change International, Reclaim Finance, Sierra Club und urgewald verfasst. Er wird zudem von über 500 Organisationen aus über 50 Ländern weltweit unterstützt.

Kontakt: Stefanie Jellestad, urgewald | stefanie.jellestad@urgewald.orgwww.urgewald.org

Anmerkungen
[1] Bei Underwriting unterstützen die Banken ihre Firmenkunden dabei, neues Kapital an den Finanzmärkten aufzunehmen, indem sie in ihrem Namen neue Anleihen oder Aktien auflegen und verkaufen.
[2] Für die Methodik siehe: http://bankingonclimatechaos.org
[3] www.coalexit.org und www.gogel.org
[4] Der Oil & Gas Policy Tracker bewertet die Öl- und Gasausschlussrichtlinien der weltweit führenden Finanzinstitute (60 Banken, 30 Versicherer und 60 Investoren). Derzeit hat weniger als die Hälfte der 150 Institutionen Strategien zum Ausschluss von Öl und Gas umgesetzt.
[5] www.gogel.org
[6] DZ Bank wird ebenfalls in dem Bericht erwähnt, spielt jedoch bei der fossilen Finanzierung eine geringere Rolle. 
[7] Im September 2021 beteiligte sich die Commerzbank an der Ausgabe einer 2,4 Mrd. USD- Anleihe von BP. 

Lifestyle | Geld & Investment, 28.03.2022

     
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