In 5 konkreten Schritten persönlich klimaneutral werden. Schritt 5: Kompensation!

Hermann Hofstetter im forum-Interview

Erfahren Sie hier im Interview mit Hermann Hofstetter Interessantes rund um die alles entscheidende Klima-Frage, den CO2-Fußabdruck, sowie am Beispiel fünf konkreter Schritte, wie jede/r im Sinne des Pariser Klimaschutz-Abkommens klimaneutral werden kann. 
 
Hermann Hofstetter ist Referent für Schöpfungsverantwortung der Erzdiözese München und Freising und Umweltmanagementbeauftragter des Ordinariats. Er ist im Vorstand vom TAGWERK Förderverein „Unsere Bio Nachbarn" und Mitglied im Spezialist*innen-Team von Klimafreundlich Leben
 
Hermann, bevor wir darüber reden wollen, wie wir persönlich „Klimaneutral" oder sogar „Klimapositiv" werden können wo stehen wir denn allgemein in Bezug auf die wirklich notwendigen Klimaziele?
Hermann Hofstetter © Dr. Gabriele RiffertDa muss ich eingangs gleich auf eine gewaltige Fehleinschätzung hinweisen!Die große Mehrheit der Politiker und Wirtschaftsfunktionäre redet gerne von einer Emissionsneutralität, die unter Bezugnahme auf die Pariser Beschlüsse von 2015 angeblich erst in mehreren Jahrzehnten erreicht werden muss. Das ist wissenschaftlich völlig falsch, unverantwortlich und tlw. bewusst irreführend.
 
Das Ergebnis daraus ist, dass sich viele Menschen bei uns „zurücklehnen", da wir ja noch so viel Zeit zu haben scheinen. Die kolportierten Ziele „2050", „2045" aber auch „2040" gehen vollkommen an den tatsächlich für Deutschland notwendigen Klimaschutzzielen vorbei.

Tatsächlich ist nicht eine Jahreszahl entscheidend um die Erwärmung auf höchstens 1,5° zu begrenzen, sondern das weltweit noch maximal zur Verfügung stehende Treibhausgas (THG)-Budget und damit verbunden, die noch möglichen Emissionen in die Atmosphäre. Dieser Zusammenhang, den die Wissenschaftsgemeinschaft in den letzten Jahren in vielen Publikationen ausreichend erläutert hat, führt konsequent auf Deutschland heruntergebrochen dazu, dass wir unser CO2-Budget de facto bereits so gut wie aufgebraucht haben.

Sicher, andere Länder haben definitiv noch Jahrzehnte Zeit ihre „Treibhausgasneutralität" zu erreichen, da sie halt umgerechnet bisher vielleicht nur halb so viel CO2 freigesetzt haben, wie wir in Deutschland. Allein aus Gerechtigkeitsgründen scheitert’s also hier für mich schon mal an der richtigen Zielsetzung. Wir müssen endlich damit aufhören, uns etwas vorzumachen, dann hören auch die Politiker damit auf, den Tatsachen auszuweichen.
Wir haben nämlich kein Recht anteilig je Einwohner des Landes mehr Treibhausgasemissionen zu beanspruchen, wie andere Nationen – ganz im Gegenteil, da die Industriestaaten mit großem Abstand zu den führenden „Klimasündern" gehören; damit verbleibt uns – je nach Ambition beim Reduktionspfad (linear oder progressiv) in den nächsten Jahren – ein Treibhausgas-Restbudget für einen Zeitraum von nicht mal bis 2030. Das ist die ungeschminkte Wahrheit.

In 4 Schritten haben wir den C02-Fußabdruck des/r durchschnittlichen Deutschen von 11,6 to um ca. 70 % auf 3,5 to reduziert. Persönlich auf „0" zu kommen, das ist derzeit nicht möglich – warum nicht und was heißt das im Hinblick auf das große Ziel rechtzeitig in Deutschland und weltweit auf „0" zu kommen?
Es stimmt, auch wenn wir alle Lebensbereiche auf klimafreundlich umstellen, kommen wir bei unserer persönlichen CO2-Bilanz nicht auf „0", da die für jeden Bürger anteiligen Treibhausgasemissionen aus dem öffentlichen Bereich immer noch verbleiben. Allerdings kann unsere Selbstwirksamkeit nicht hoch genug eingeschätzt werden. Nicht nur, weil wir individuell – wie gezeigt – den eigenen Emissionswert rasch um mehrere to CO2 senken können, sondern weil jede/r von uns die Mitmenschen positiv beeinflussen und „mitreißen" kann. Und das ist die gute Nachricht: In beiden Bereichen können wir sofort damit beginnen.

Daran arbeiten heißt, sich intensiv für eine politische und gesellschaftliche Transformation in eine enkeltaugliche Zukunft zu engagieren, dann werden sich die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen auch schnell in Richtung Klimafreundlichkeit ändern – das gilt für alle Handlungsfelder und Sektoren. Da wir allerdings zur grundlegenden Neuausrichtung nicht mehr viel Zeit haben, sollten wir nicht auf die Entscheidungen von „oben" warten, sondern JETZT möglichst viele Mitmenschen dazu bringen, sich schon ab morgen massiv für ein baldiges klimataugliches Leben einzusetzen.
Langfristig macht das für unseren CO2-Fußabdruck nochmal 2-3 to Reduktion pro Jahr für jede/n von uns aus.

Du sprachst das letzte Mal von „sinnvollen Kompensations-Maßnahmen" für den verbleibenden Rest der persönlichen Treibhausgas-Emissionen und dass man darüber hinaus sogar „klimapositiv" wirken könne. Ich weiß, dass du „Kompensation" sehr kritisch siehst und du bist damit nicht alleine. Manche sprechen bei „Kompensation" von modernem Ablass-Handel und dem Wunsch der „westlichen Welt", sich mit ihrem Geld von der Verantwortung „freikaufen und wie bisher weiterleben zu wollen". Wo siehst du diese Kritik an „Kompensation" berechtigt bzw. welche Gefahren siehst du durch „nicht sinnvolle" Kompensation und wie kann „Kompensation" richtig eingesetzt durchaus positiv – oder wie du sagtest „sinnvoll" – wirken?
Ich bring’s mal provokant auf eine ganz einfache Gleichung: Zur Aufrechterhaltung unseres egoistischen Lebensmodells vernichten wir weiterhin in großem Stil die Lebensgrundlagen der nächsten Generationen, überweisen dafür dann den lächerlichen Kompensationsbetrag von EUR 30 je t CO2 – sind somit „klimaneutral" – und baden uns in satter Selbstzufriedenheit. Geht’s noch!?

Was ich damit sagen möchte: Einfache Ausgleichzahlungen mangels eigenen Willens und Einsehens bzw. mangels ambitionierter Ziele lösen mitnichten das Problem. Ich spüre jedoch seit einiger Zeit von allen Seiten, dass versucht wird, die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft und unseres Konsums mit Kompensationsmaßnahmen schön zu rechnen und das „Endprodukt" scheinheilig als klimaneutral zu etikettieren. Die einzige ehrliche und richtige Zielsetzung ist für mich, ein je eigenes „klimafreundliches Leben" herzustellen und die konventionelle Kompensation (d.h. Kompensation ohne nachhaltige Bildung von CO2-Senken lokal / regional in Höhe der THG-Emissionen in t) als einen „Zusatz" zu benutzen.

Wir dürfen es uns auf Kosten der nächsten Generationen nicht so einfach machen. Vermeidbare THG-Emissionen kann man nicht kompensieren, indem man mit billigem Geld auf einem anderen Kontinent zweifelhafte Aufforstungen unterstützt, die im besten Fall wirklich durchgeführt werden. Falls aber die betreffenden Bäume nicht abgefackelt werden (wir haben in der großen räumlichen Entfernung bspw. keinerlei Eingriffsmöglichkeiten auf sich ändernde politische Rahmenbedingungen), wird doch erst über Jahrzehnte wieder die entsprechende CO2-Menge der Atmosphäre entzogen – in der Zwischenzeit ist die Bilanz dauerhaft negativ und führt zu weiterer Erderwärmung.

Vielen ist gar nicht bewusst, dass die üblichen Kompensationsbeträge [in EUR je t CO2] Schleuderpreisen gleichen und nicht die echten Umweltkosten widerspiegeln. Das Öko-Institut errechnet wegen der Umweltschäden für die t CO2 einen notwendigen Kompensationsbetrag von 600 EUR! Nach Adam Riese kostet dann der Billigflug nach Malle statt 100 EUR gerechterweise 700 EUR pro Nase. In Kenntnis der Zusammenhänge kann man doch mit dieser Art von „fauler Kompensation" keinen Frieden finden.

Die Gefahr ist einfach, dass sich der Problemfokus verschiebt. Im Zweifel kann man die tatsächlichen Schäden, die durch das eigene Handeln oder Nichthandeln entstehen, ausblenden oder verdrängen, da man ja kompensiert. Nüchtern betrachtet ist es halt doch ein „Loskaufen", dann hat die liebe Seele ihre Ruhe und alles geht wieder seinen geordneten Gang.

Das Kursformat Klimafreundlich Leben bietet die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen, seinen CO2-Fußabdruck dauerhaft zu senken. Damit uns unsere Mitmenschen und Nachkommen als echte Vorbilder erleben, dürfen wir keine Bilanzierungstricks unterstützen. Vielmehr müssen wir aus der Anonymität heraustreten und durch Mitarbeit und mit finanzieller Beteiligung bspw. zu „Baumpaten", „Gemüsebeetpaten", „Gewächshauspaten" oder Anteilseigner beim Biobauern werden. Dadurch können wir nachhaltig sogar eine deutlich positive THG-Bilanz herstellen, ganz nebenbei dem Artenschutz dienen und einen großen Lustgewinn bei der Schaffung von Biodiversität und gesunder Lebensräume generieren.
 
Es geht noch weiter... hier finden Sie das gesamte Interview mit Hermann Hofstetter.  Verpassen Sie auch nicht die Interviews zu den ersten vier Schritten: Schritt 1: Analyse zur „Klima-Katastrophe"Schritt 2: Effizienz!Schritt 3: Subsistenz!, Schritt 4: Suffizienz
 
Die Fragen stellte Franz Galler, Projektleiter und Ausbilder für das Kursformat Klimafreundlich Leben. 
 
Kontakt: Franz Galler, Büro für nachhaltige Regionalentwicklung | info@nachhaltige-region.de | www.nachhaltige-region.de

Lifestyle | LOHAS & Ethischer Konsum, 27.07.2021

     
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