Hydrogen Dialogue 2024

Nachhaltigkeit im Retail-Bereich

Gerold Wolfarth hat mit seiner bk Group das Konzept für einen CO2-neutralen Retail-Store erarbeitet und umgesetzt.

Nachhaltigkeit wird im privaten wie im beruflichen Umfeld immer wichtiger. Das zeigt sich in verschiedensten Lebensbereichen, wie etwa bei nachhaltiger Mode. Ein absolutes Trendthema. Doch nicht nur was wir kaufen, sollte relevant sein, sondern auch wo wir es kaufen. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie hoch der CO2-Verbrauch des Stores ist, in dem Sie gerade einkaufen? Gerade im Bereich des Ladenbaus, beim Bau von Retail Stores oder Einzelhandelsfilialen, sind die Potenziale für mehr Nachhaltigkeit noch lange nicht ausgeschöpft.

Gerold Wolfarth ist CEO der bk Group – ein europaweit agierendes Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern aus 27 Ländern. © Gerold WolfarthMein Unternehmen ist seit über 20 Jahren im Objektausbau und dabei sehr stark im Retail-Bereich tätig. Das Thema Nachhaltigkeit kommt hier erst langsam an. Ich erhielt den Anstoß mich tiefergehend damit zu befassen vor fünf Jahren. In einem Kundengespräch fragte mich der Geschäftspartner: „Herr Wolfarth, wie sieht denn der 10-Punkte-Plan für mehr Nachhaltigkeit in Ihrem Unternehmen aus?" Darauf wusste ich keine Antwort. Das hat mich zunächst zum Nachdenken und dann zum Handeln gebracht.

Aller Anfang ist schwer.
Also was tut man, wenn man sein Unternehmen nachhaltiger machen möchte? Zunächst den Status quo definieren. Man lässt seinen CO2-Ausstoß berechnen. Ich persönlich war geschockt, als ich die Zahl unserer Berechnung hörte: 10.000 Tonnen CO2 verbrauchte mein Unternehmen pro Jahr! Spätestens hier war klar, wir müssen die Umsetzung unseres Maßnahmenkatalogs stark priorisieren. Dieser reichte von kleineren Maßnahmen, wie der Abschaffung von 50 % unserer Drucker über die Installation einer PV-Anlage bis hin zu einem Neubau, bei dem wir Erdwärme und Regenwasser nutzen. Nach vier Jahren konnten wir bei 40 % mehr Belegschaft eine Reduktion der Emissionen auf 925 Tonnen erreichen. Wachstumsbereinigt wären wir bei 420 Tonnen angelangt.
Die Restlast, die wir aktuell nicht weiter senken können, haben wir mit Klimaschutzzertifikaten nicht nur ausgeglichen, sondern sie sogar überkompensiert und gelten damit als klimapositiv.

Nicht auf dem Status „klimaneutral" ausruhen
Doch genau jetzt ist Vorsicht geboten. Denn es ist ein Leichtes, sich auf diesem Status auszuruhen. Dabei müssen wir alle uns stetig weiterentwickeln und ständig hinterfragen, wo wir noch weitere Stellschrauben drehen können. Das bedeutet, auch bei der Nachhaltigkeit unserer Produkte. Daher haben wir in der bk Group das Konzept für einen CO2-neutralen Retail-Store erarbeitet und umgesetzt.

Die Bestandsaufnahme war auch hier der erste Schritt, also die Berechnung des CO2-Fußabdrucks. Ein durchschnittlicher 250 m² großer Store erzeugt während Bau und einjährigem Betrieb 38 Tonnen CO2. Mit Hilfe einer Projektgruppe aus Architekten, Ingenieuren, Designern und Bautechnikern eruierten wir verschiedenste Maßnahmen, die diese Zahl deutlich verringern sollten. Und wir haben es geschafft.

Der Einsatz klimafreundlicher und CO2-bindender Materialien, die Überarbeitung des Projektablaufs, etwa bei Baustellenanfahrten oder Materiallieferungen, der Einsatz eines Energiemanagementsystems und zu guter Letzt auch die Integration einer PV-Anlage in die Gesamtberechnung haben dafür gesorgt, dass wir unser Ziel erreichen und sogar den Green Product Award 2021 mit diesem Konzept gewinnen konnten. 

Zurecht werden Sie nun sagen: nicht überall lassen sich CO2-Emissionen auf diese Art und Weise auf null Tonnen reduzieren.

Das Zauberwort Klimaschutzzertifikat
Es gibt einen einfachen Weg, Klimaneutralität zu erreichen. Und den gehen mittlerweile viele Unternehmen. Das Zauberwort heißt „Klimaschutzzertifikat". Ein Unternehmen kauft Zertifikate und unterstützt damit ein Klimaschutzprojekt an einem anderen Ort der Welt, vornehmlich in einem Entwicklungsgebiet. Dort wird CO2 eingespart und diese Last kann sich der Käufer der Zertifikate bei seinen eigenen Emissionen gegenrechnen lassen. Grundsätzlich eine gute Sache, so ist es auch im Kyoto-Protokoll vorgesehen. Und wie bereits erwähnt, hat auch mein Unternehmen solche Klimaschutzzertifikate erworben. 

Ein folgenschwerer Gedankenfehler
Doch ich möchte hier auf einen Gedankenfehler hinweisen, der leider häufig gemacht wird. Ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen kann problemlos mehrere Zertifikate erwerben. Doch bringt das allein etwas für den Umweltschutz? Nein. Was bei diesem Vorgang leider oft fehlt, ist der echte Wille selbst etwas zu tun. Und die Einsicht, dass Klimaschutz auch mit Konsequenzen verbunden ist. Dass es eben nicht reicht, eine Überweisung zu tätigen, um sich von „seinen Klimasünden reinzuwaschen", sondern dass auch eine Änderung der eigenen Verhaltensmuster notwendig ist.

Intensive Bemühungen 
Einem Zertifikatserwerb müssen intensive Bemühungen und klimabewusstes Handeln vorangehen. Jeder muss bei sich selbst anfangen. Also am eigenen Standort, im eigenen Projektablauf und im eigenen Alltag. Unternehmen sollten zunächst an den lokalen Emissionen arbeiten. Das heißt, auch wenn es zu Mehrkosten kommt oder vielleicht sogar etwas Komfort verloren geht – fangt bei euch selbst an. Ansonsten wird das Konzept eines „nachhaltigen Unternehmens" ad absurdum geführt.
 
Gerold Wolfarth ist CEO der bk Group – ein europaweit agierendes Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern aus 27 Ländern. Aufgewachsen auf dem elterlichen Bauernhof, ohne konkrete berufliche Perspektiven, hat er aus seinem Kinderzimmer heraus gegründet und in den Folgejahren sich und sein Unternehmen stetig weiterentwickelt. www.gerold-wolfarth.eu

Wirtschaft | Branchen & Verbände, 11.05.2021

     
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