Bernd Draser

Das perfekte Paar

Nachhaltiges Wirtschaften und Nachhaltiges Design

Seit 1994 kann man an der ecosign/Akademie für Gestaltung in Köln Nachhaltiges Design studieren. Die Gründerin Karin-Simone Fuhs suchte damals nach dem besten Weg, ein Design auf den Weg zu bringen, das sich nicht als verkaufsfördernde „Aufhübschungsdisziplin" versteht und willfährig die Ideen des Marketings umsetzt, sondern ein Design, das reale Probleme löst und damit sein volles Potenzial ausschöpft.

© Ian Ehm, ecosign/Akademie für Gestaltung
Eines ist unbestreitbar und schon lange bekannt: Design kann viel Schaden anrichten, denn seine Haupttätigkeit ist es, Natur in Kultur zu verwandeln. Oder sachlicher gesagt: Ressourcen in Produkte und Services. Aber: Die Ressourcen sind begrenzt, die Leistungsfähigkeit des Planeten desgleichen und die Senken erschöpfen sich schneller als befürchtet. Das kann auf lange Frist nicht spurlos am Design vorbeigehen. Es kann nicht auf Dauer periphere Probleme des Augenblicks lösen, als gäbe es kein Morgen. Es muss auch in die Zukunft blicken, indem es die längerfristigen Folgen des Gestaltens sachlich abschätzt. Und warum? Weil wir es nicht nur heute gut haben wollen, sondern auch zukünftig, und unsere Kinder und Enkel auch.
 
Die Herausforderung: Wie kann man ein solches Nachhaltiges Design befördern? Die Antwort: die beherzte Gründung der ecosign/Akademie für Gestaltung bereits im Jahr 1994. Das Ziel: Probleme lösen durch Design.
 
Von Beginn an zeigte sich, dass Kooperationen und gemeinsame Projekte mit Stakeholder*innen der Nachhaltigkeit ein wichtiger Bestandteil der Arbeit sind: NGOs, Initiativen, aber auch immer wieder öffentliche Stellen und Unternehmen zeigten ein ernsthaftes Interesse daran, Herausforderungen der Nachhaltigkeit gestalterisch anzugehen, sei es nun als Kommunikationsdesign oder Produktdesign.
 
Die Wirkungskette hinterfragen
´Udo´ von Carina Frings – Coffee-To-Go Mehrwegdeckel, der auf eine Vielzahl von Tassen im Schrank passt. © Carina FringsEs ist unvermeidlich, dass jedes Geschäftsmodell einen gewissen Input und Output generiert. Genau darin besteht die Corporate Responsibility mit ihrer Triple Bottom Line von ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen. Ein nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen fragt deshalb gezielt nach den eigenen Impacts, evaluiert diese und wird überall dort anpassen, nachsteuern, verändern, experimentieren und entwickeln, wo es angezeigt ist. Das ist etwas ganz anderes und sehr viel Ernsthafteres, als sich mit beliebigen philanthropischen Wohltaten zu schmücken, die mit dem eigentlichen Kerngeschäft nichts zu tun haben.

Deshalb muss ein wirklich nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen bereits in der Produktentwicklung die möglichen Impacts seiner Produkte und Dienstleistungen von Beginn an, bereits in der Entwurfsphase, konsequent mitdenken. Und da hat das Nachhaltige Wirtschaften überraschend viel mit dem Nachhaltigen Design gemeinsam.
 
„Best practice" im Sinne der Nachhaltigkeit
Wir leben in einer Welt gestalteter Dinge und Prozesse: Das gilt nicht nur für Produkte, mit denen wir pausenlos in Kontakt sind, sondern auch für Dienstleistungen, Medien, Kommunikation. Hier gibt es nun, grob unterschieden, zwei Typen von Design. Erstens ein Design, das gefällig dekoriert, um die Vermarktung zu vereinfachen, weil ihr Nutzen für gute Marktchancen nicht hinreicht. Zweitens ein Design, das eine solide Problemlösung leistet und sich dabei stets fragt, ob es die bestmögliche verfügbare Lösung gewählt hat.
 
Dabei wird stets die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick genommen, die nicht etwa am Werkstor beginnt, sondern bei der Extraktion von Ressourcen irgendwo in der Welt, über die Produktion, den Transport, Handel, Gebrauch und schließlich bis zur Post-Use-Phase. In jede Phase sind ökologische, soziale und wirtschaftliche Fragen verstrickt. Und genau hierin liegt die spezielle Kompetenz des Nachhaltigen Designs: diese komplexen Verflechtungen kompetent zu beurteilen. Kurz gefasst könnte man sagen: Nachhaltiges Design unterscheidet sich von konventionellem Design dadurch, dass man weiß, was man tut — und warum.

Um beste Ergebnisse zu erzielen, muss in zwei Richtungen geblickt werden. Erstens in Richtung Input: Was stecken wir alles in unsere Gestaltung hinein? Das sind Ressourcen, die der Natur entzogen werden (sie sind endlich); das ist Energie, die wir verbrauchen (sie ist nur zum kleineren Teil erneuerbar); das sind beträchtliche Transportstrecken, die zurückgelegt werden; das sind die Fertigungsverfahren; das sind die Arbeits-, Gesundheits- und Wirtschaftsbedingungen in allen Produktions- und Transportabschnitten.

Und zweitens muss der Blick in Richtung Output gehen: Wie wirkt sich unsere Gestaltung in die Biosphäre und die Gesellschaft aus? Das sind nicht nur Abfälle, Schadstoffe und klimawirksame Emissionen, sondern auch Deponielasten, wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgeschäden, verursacht zum Beispiel durch prekäre oder gefährliche Arbeitsbedingungen, durch aggressive Geschäftsmodelle, Abhängigkeit oder Marktmachtmissbrauch.

Nachhaltiges Design schafft Wissen und wirkliche Innovation
Unterrichtsgeschehen an der ecosign/Akademie für Gestaltung – ein Ort an dem nachhaltige Ideen kreativ umgesetzt werden. © Ian Ehm, ecosign/Akademie für GestaltungEs liegt im ureigensten Interesse eines Unternehmens, ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell zu verfolgen und nicht nur vor sich hin zu wirtschaften. Wer also auch langfristig ein ernsthafter und wettbewerbsfähiger Marktteilnehmer*innen bleiben will, muss Antworten auf Fragen der Nachhaltigkeit finden. Dabei geht es nicht um oberflächliche Imagepflege, sondern um Marktchancen in Zeiten, da das Kriterium Nachhaltigkeit bei Kaufentscheidungen offenkundig immer wichtiger wird. Design ist, wie auch Nachhaltigkeit, per ­definitionem interdisziplinär. Designer sind die Meister der Schnittstellen, und damit ein großer Zugewinn, wenn sie frühzeitig in Entwicklungsprozesse einbezogen werden. Wenn man sie aber als willfährige Dekorateur*Innen am Ende der Produktionskette verramscht, verschwendet man bedeutende Potenziale. Denn Design ist ein mächtiger Innovationstreiber, wenn es richtig eingesetzt wird.
 
Durch seine kreativen und iterativen Prozesse sorgt das Design dafür, dass Innovationen zielgerichtet, kundenorientiert und methodisch abgesichert entstehen, denn gerade die Bedürfnisse der Nutzer*innen sind die entscheidenden Elemente dieser Prozesse. Es ist unternehmerisch stets lohnend, dieses Potenzial auszuschöpfen. Die zunehmende Bedeutung Nachhaltigen Designs in Deutschland beleuchten zwei inzwischen sehr renommierte Awards: der Bundespreis ecodesign und der Deutsche Nachhaltigkeitspreis Design. Wen wundert es, dass die Gründerin der ecosign/Akademie für Gestaltung oder nur ecosign auch hier eine wichtige Rolle spielt.
 
Ein Vierteljahrhundert Nachhaltiges Design
Hilfreiche Informationen für Bewerber

Die ecosign/Akademie für Gestaltung wurde 1994 von der Designerin Prof. Karin-Simone Fuhs in Köln gegründet und wird bis heute von ihr geleitet. Seit mehr als 25 Jahren können junge Menschen hier Nachhaltiges Design studieren. Der achtsemestrige Bachelor-Studiengang wird ergänzt durch einen zweisemestrigen Master, der im September 2021 startet. Das Studium an der ecosign/Akademie für Gestaltung oder nur ecosign zeichnet sich aus durch Interdisziplinarität und eine konsequente Projektorientierung mit zahlreichen Kooperationspartner*innen. Studierende können frei ihre Schwerpunkte in Produktdesign, Kommunikationsdesign, Fotografie und Illustration finden. Die verschiedenen Aspekte von Nachhaltigkeit und eine konsequente Wissenschaftlichkeit prägen das gesamte Studium.

Die ecosign/Akademie für Gestaltung oder nur ecosign möchte damit Designer*innen auf den Markt entlassen, die den komplexen Anforderungen gerecht werden, die an diese Berufsgruppe heutzutage gestellt werden. Der Studiengang ist sehr begehrt: Von den circa 300 Bewerber*innen pro Semester können nur 30 aufgenommen werden. Alle Details zu Aufnahmebedingungen, Studiengebühren, Prüfungen, Abschlüssen und Perspektiven finden Interessierte auf der mit dem red.dot award ausgezeichneten Internetseite der Akademie.



 

`Tipping Point` von Julia König – Ein satirisches Konsumspiel, das sich mit der Intention-Behavior-Gap beschäftigt.

Fazit
Das methodische in-den-Blick-Nehmen der gesamten Wertschöpfungskette mitsamt aller Impacts von der Ressourcenextraktion bis hin zur Kreislauffähigkeit ist genau das, was Nachhaltiges Design auszeichnet. Und es bedeutet in der unternehmerischen Realität eben nicht „Wettbewerbsfähigkeit minus moralische Kosten", sondern heißt, einen leistungsstarken Innovationstreiber in das eigene Geschäftsmodell zu implementieren. Die daraus sich ergebende unternehmerische Glaubwürdigkeit ist dann fast nur noch eine Nebenwirkung — freilich eine sehr wertvolle.

Bernd Draser ist Kulturwissenschaftler und lehrt seit 2004 an der ecosign/Akademie für Gestaltung in Köln. Als Hochschullehrer verantwortet er den Bereich „Nachhaltiges Design im Kontext von Kulturgeschichte und Ästhetik" und hat zahlreiche Vorträge und Publikationen zum Thema vorgelegt, unter anderem als Mitherausgeber der „Geschichte des Nachhaltigen Designs". 

Wichtige Hinweise
Design: In den kommenden Ausgaben von forum bringen wir Best Practice-Beispiele und lassen namhafte Designer zu Wort kommen. Freuen Sie sich unter anderem auf einen Beitrag über und mit dem Designer Stefan Dietz.
Aus- und Weiterbildung: Ab dieser Ausgabe stellt forum attrak­tive Studiengänge und Bildungsangebote vor. Wir freuen uns auf Ihre Tipps und Erfahrungen.

Dieser Artikel ist in forum 01/2021 - SOS – Rettet unsere Böden! erschienen.



     
        
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