Sicherheit in der Freiheit
Eine Genossenschaft für Selbstständige
Viele Menschen möchten ihr eigener Chef
sein. Doch die großen Risiken, von Zahlungsausfällen bis Krankheiten
und hohe Kosten für die Sozialversicherung legen den Selbstständigen oft
Steine in den Weg. Die Genossenschaft SMartDe eG hat ein Modell
entwickelt, welches die autonom Arbeitenden in diesen Aspekten
unterstützt.

Ziemlich smart – die SMartDe eG
„Viele SMartDe-Mitarbeitende haben jahrelang
in der Kultur- und Kreativwirtschaft gearbeitet, in der Selbstständige
immer wieder vor den gleichen Herausforderungen und Schwierigkeiten
stehen", erklärt Magdalena Ziomek, Geschäftsführerin und Vorstand von
SMartDe. Um eine Lösung für die prekäre Situation von Kultur- und
Kreativschaffenden zu bieten, gründete das Team eine Genossenschaft.
Ganz neu war die Idee nicht: Bereits seit 1998 existiert das
Vorbildmodell in Belgien, welches mittlerweile über 26.000 Mitglieder
zählt.
Schnell wurde deutlich, dass das Modell von
SMartDe nicht nur für die Selbstständigen im Kulturbereich attraktiv
ist, sondern für fast alle Anbieter von zulassungsfreien
Dienstleistungen. Das Spektrum reicht hier von Selbstständigen in der
Plattform-Ökonomie (Gig-Worker) über freie PR-Berater bis hin zu
Pizzalieferanten und Kurierfahrern. Für diese Zielgruppen bietet die
Genossenschaft zahlreiche Dienstleistungen. Somit erwirtschaftete
SMartDe im letzten Jahr bereits einen Umsatz von knapp zwei Millionen
Euro.
Ein Konzept für Demokratie, Zusammengehörigkeit und Solidarität
SMartDe hat ein Modell entwickelt, wo die
Mitglieder ihre Aufträge über die Genossenschaft abwickeln: SMartDe
stellt die Rechnung an die Kunden der Selbstständigen und die Mitglieder
werden auf Basis ihrer Einnahmen von der Genossenschaft angestellt. „Als sozialversicherungspflichtige Angestellte der Genossenschaft haben
die Genossen einen viel größeren sozialen Schutz als Selbstständige",
erklärt Alicja Möltner, Vorstand und stellvertretende Geschäftsführerin,
„denn über uns zahlen sie automatisch in die gesetzlichen Kranken-,
Pflege-, Renten-, Arbeitslosen- und Unfallversicherungen ein." So
gesehen ist die Genossenschaft Arbeitgeber für seine Mitglieder. Die
Mitglieder erwirtschaften mit ihren Aufträgen Geld, welches ihnen als
Gehalt inklusive der Lohnnebenkosten ausgezahlt wird. Ein Teil des
erwirtschafteten Geldes wird als Puffer für Zeiten von
Auftragseinbrüchen angespart.
Während sich die Mitglieder somit
verpflichten, Aufträge zu akquirieren und abzuwickeln, übernimmt SMartDe
das wirtschaftliche Risiko. Die Mitglieder können sich durch die
soziale Absicherung voll und ganz auf die Arbeit konzentrieren und durch
die Verstetigung der Aufträge ihre Umsätze langfristig steigern.
Kein einfacher Weg
Trotz gründlicher Überlegungen und bereits
gesammelter Erfahrungen begegnet auch SMartDe immer wieder
Komplikationen. Zum Beispiel: Wie verhält es sich mit der Umsatzsteuer
bei grenzüberschreitenden Leistungen der Mitglieder? Oder: Welcher
Status von angestellt, selbstständig bis hin zur Absicherung über die
Künstlersozialkasse (KSK) ist in welchem Fall vorteilhaft? Im Vergleich
zur KSK bietet SMartDe das Gesamtpaket eines gemeinschaftlichen
Unternehmens und auch den Schutz des Arbeitgebers. Wenn sich jemand
bewusst für die KSK entscheidet, begleitet SMartDe seine Mitglieder auch
auf diesem Weg. So können die Selbstständigen selber entscheiden, wie
sie fürs Alter vorsorgen.
Neben internen Herausforderungen und
kritischen Stimmen gibt es aber auch Probleme auf der politischen Ebene.
Es mangelt in den Augen der SMartDe-Geschäftsführerin Magdalena Ziomek
noch an politischer Unterstützung für kooperative Geschäftsmodelle und
der Schaffung eines Bewusstseins für faire Auftragsbedingungen in der
Wirtschaft. „Leider fehlt es uns – ebenso wie vielen anderen
Genossenschaften – immer noch an Anerkennung", klagt Magdalena Ziomek.
„Gerade wenn es um Förderprogramme oder die Kreditvergabe bei Banken
geht."
Dass Genossenschaften dennoch immer mehr
Anerkennung und Zulauf finden, zeigen auch andere Beispiele wie
Energiegenossenschaften, Fairbnb (eine Alternative in der
Ferienwohnungsvermittlung) oder die Produktiv-Genossenschaft Mondragón.
Alle Genossenschaften setzen auf Solidarität, Partnerschaftlichkeit und
Kooperationen. Denn nur durch Zusammenarbeit kann die Welt von morgen
gestaltet werden.
Lennart Zech ist Journalist und setzt sich mit
seinem Einzelunternehmen „Einblick in Welten Kommunikation" sowie als
neuer Redaktionsmitarbeiter bei forum ganzheitlich und nachhaltig für den Wandel ein.
Gesellschaft | WIR - Menschen im Wandel, 01.03.2021
Dieser Artikel ist in forum 01/2021 - SOS – Rettet unsere Böden! erschienen.

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