Gut für die Umwelt

Der Blick über den Tellerrand

Diesen Beitrag von Ulf Gehrckens und Christian Hein, Aurubis AG, finden sie im B.A.U.M.-Jahrbuch 2020 - Nachhaltige Stadt. Unternehmen als Akteure im urbanen Raum.
 
Sie ist Hamburgs ganzer Stolz und Europas größtes innerstädtisches Stadtentwicklungsprojekt: die HafenCity. Wo einst Hafengelände war, entsteht gerade Schritt für Schritt ein völlig neuer Stadtteil. Eines Tages – etwa 2030 – sollen dort 15.000 Menschen wohnen, mehr als 40.000 arbeiten und sich 80.000 Tagestouristen vergnügen.
 
Dies einzigartige Projekt, in dem ein ganzer Stadtteil mitten im Zentrum einer Großstadt neu erschaffen wird, ermöglicht ganz neue städtebauliche Ansätze. Dies betrifft nicht nur die Planung der räumlichen Struktur oder Rahmenvorgaben für architektonische Fragen – auch zeichnet sich die HafenCity durch ein modernes Verkehrskonzept und durch eine intelligente Energieversorgung aus.
 
Der 18 Meter hohe Kessel der Kontaktanlage mit einem Außendurchmesser von 6 Metern und einem Gewicht von 200 Tonnen ist die neue Heizung der HafenCity © Aurubis
Eine wichtige Rolle dabei spielt das nur wenige Kilometer entfernt gelegene Hamburger Hauptwerk des Multimetall-Anbieters Aurubis. Das Unternehmen stellt Metalle in höchster Qualität her – vor allem Kupfer, aber auch Edelmetalle oder Blei. Bei der Kupferraffination entsteht Schwefeldioxid, das in der so genannten Kontaktanlage zu Schwefelsäure weiterverarbeitet wird. Bei diesem Verfahren wird Wärme freigesetzt – man nennt dies eine exotherme chemische Reaktion. Seit Herbst 2018 koppelt Aurubis die Wärme aus und liefert sie an das Energieversorgungsunternehmen enercity, das damit die östliche HafenCity beheizt. Einen weiteren Teil der Wärme nutzt Aurubis für interne Zwecke im Werk. Insgesamt wird so der Ausstoß von 20.000 Tonnen CO2 jährlich vermieden – das entspricht in etwa dem Kohlendioxidausstoß von 10.000 Mittelklasse-PKWs mit einer Jahresfahrleistung von circa 13.000 Kilometern.
 
Eine einfache Idee, in der Umsetzung aber komplex
Es gehört in der energieintensiven Industrie inzwischen zum Standard, anfallende Prozesswärme an anderer Stelle im Werk zu nutzen und so den Energieverbrauch zu optimieren. Dieses Potenzial ist jedoch weitgehend ausgeschöpft. Da lag der Gedanke nicht fern, die Wärme aus der Schwefelsäureproduktion auch außerhalb des Werksgeländes nutzbar zu machen. Mit dem Neubaugebiet der östlichen HafenCity sowie enercity als Versorger des Gebiets standen die Partner bereit. Allerdings musste die chemische Reaktion in der Kontaktanlage bei höheren Temperaturen ablaufen, um die Wärme als Fernwärme nutzen zu können. Doch je heißer die Säure ist, desto aggressiver wird sie. Darum war es nötig, in der Kontaktanlage den Zwischenabsorber auszutauschen. Der neue, rund 18 Meter hohe Absorberkessel mit einem Außendurchmesser von sechs Metern und einem Gewicht von 200 Tonnen ist die neue „Heizung der HafenCity", denn genau dort findet nun die chemische Reaktion mit höheren Temperaturen statt. Um dieser gewachsen zu sein, ist der Kessel mit rund 50.000 speziellen, hitze- und säurebeständigen Keramiksteinen ausgemauert worden.
 
Zudem haben die Projektpartner eine 3,7 Kilometer lange Fernwärmetrasse vom Werksgelände zur östlichen HafenCity installiert. Die Leitung hat bereits jetzt die Kapazität, die dreifache der jetzigen Wärmemenge zu transportieren, denn die Kontaktanlage besteht aus insgesamt drei Produktionssträngen. Zur Versorgung der östlichen HafenCity reicht jedoch die Wärmemenge aus einem Strang aus. Die Wärme aus den weiteren Strängen könnte in das Hamburger Fernwärmenetz fließen. Da hier die Wärme noch vorwiegend aus den Brennstoffen Kohle und Erdgas erzeugt wird, wäre es möglich, insgesamt weitere 120.000 Tonnen CO2 jährlich zu vermeiden. Aurubis befindet sich dazu in aussichtsreichen Gesprächen mit der Stadt Hamburg.
 
Neben den technischen Herausforderungen gilt es in einem solchen Projekt auch, die finanziellen Aspekte zu klären: Aurubis hat über 20 Millionen Euro investiert, im Wesentlichen für den Bau der Leitung und den Neubau des Zwischenabsorbers. Nur durch die Förderung des Bundeswirtschaftsministeriums über die KfW-Bank und der Hamburger Behörde für Umwelt und Energie war es überhaupt möglich, das Projekt zu realisieren. 
 
Im Rahmen der Energiewende hin zu einer CO2-freien Energieversorgung liegt im Bereich der Wärme noch sehr viel Potenzial. Industrieunternehmen könnten mit vergleichbaren Projekten einen großen Beitrag dazu leisten: Berechnungen der deutschen Energieagentur (dena) schätzen das Potenzial auf 37 Millionen Tonnen CO2-Einsparungen. Jedes Jahr! Aktuell werden jedoch die CO2-Einsparungen, die Unternehmen wie in diesem Projekt außerhalb des Werksgeländes im privaten Sektor erreichen, nicht ausreichend im Rahmen des Emissionshandels anerkannt. Dies jedoch würde die Wirtschaftlichkeit solcher Projekte deutlich erhöhen. Die Politik ist gefragt, nach Lösungen zu suchen, damit das volle Potenzial für die Industriewärme gehoben werden kann. 

Bereits jetzt ist das Projekt „Industriewärme – ein Klimabündnis von Aurubis und enercity" vielfach ausgezeichnet worden und dient somit als Leuchtturm.
 
Ulf Gehrckens ist Senior Vice President Corporate Energy & Climate Affairs bei der Aurubis AG. Bereits seit 1984 für Aurubis tätig, verantwortet der Betriebswirt seit nunmehr elf Jahren die strategische Ausrichtung des Unternehmens in Fragen der Energieversorgung und ihrer klimatischen Auswirkungen.
 
Christian Hein ist seit 2011 Director Corporate Energy & Climate Affairs bei der Aurubis AG. Er koordiniert das Energiemanagement und die Energieeffizienz der Aurubis-Standorte und stellt den Erfahrungsaustausch sicher. Er ist Leiter des Industriewärmeprojekts.

Quelle: B.A.U.M. e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften

Gesellschaft | Green Cities, 01.02.2021
     
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