Mittelstand und Smart Cities

Schlüssel für eine digitale und nachhaltige Zukunft

Diesen Beitrag von Prof. Dr. Henning Vöpel, Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut, finden sie im B.A.U.M.-Jahrbuch 2020 - Nachhaltige Stadt. Unternehmen als Akteure im urbanen Raum.

Die Wirtschaft in Deutschland ist stark mittelständisch geprägt. Kleine und mittlere Unternehmen sorgen für rund 90 Prozent der Wertschöpfung und der Beschäftigung. Und der Mittelstand ist auch für die Mehrzahl der Innovationen verantwortlich. Zugleich wohnen immer mehr Menschen in Städten und urbanen Agglomerationen. Dort findet der Großteil der ökonomischen Aktivität statt und es werden die höchsten CO2-Emissionen pro Kopf verursacht, vor allem im Verkehr und in der Bauwirtschaft. Wenn es heute um eine digitale und klimaneutrale Transformation geht, spielen Mittelstand und Städte folglich eine Schlüsselrolle. Doch bei vielen Unternehmen und Städten sind die Abhängigkeiten sehr hoch. Der Status quo kann nicht einfach und schnell transformiert werden, denn der bevorstehende Strukturwandel ist so umfassend, dass er eine systemische Dimension hat. Es geht um die grundlegende Umstellung der Produktions- und Lebensweisen: vom fossilen zum klimaneutralen, vom industriellen in das digitale Paradigma. Daher braucht es Anreize für Innovationen und Verhaltensänderungen. Nur so lässt sich die systemische Ausrichtung ändern. Die Koinzidenz von Digitalisierung und Klimawandel ist dann im besten Fall keine doppelte Belastung, sondern eine große technologische und gesellschaftliche Chance.
 
Digitalisierung schafft neue Ressourceneffizienz
Jenseits aller Diskussionen um eine effiziente Regulierung und Bepreisung von CO2-Emissionen gelingt eine Dekarbonisierung nur durch eine grundsätzliche Umstellung von fossilen zu sauberen Technologien. Eine klimaneutrale Produktion sollte dabei zukünftig nicht teurer, sondern günstiger sein und so eine Wettbewerbschance für Unternehmen bedeuten. Derzeit existieren aber kaum ausreichende Substitutionsmöglichkeiten für Produzenten und Konsumenten. Viele Haushalte, zum Beispiel Pendler, werden durch den CO2-Preis zunächst einfach höhere Kosten tragen. Doch digitale Innovationen versprechen in diesem Zusammenhang schnelle Klimagewinne, in vielen Fällen sind sie sogar der technologische Schlüssel zum Paradigmenwechsel. 
Ein Teil der Nachfrage könnte in einem smart grid so gesteuert werden, dass Waschmaschinen, Herde oder Kühlgeräte im Haushalt genau dann automatisch gestartet werden, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint und der Strom nicht nur am klimafreundlichsten, sondern zudem am preisgünstigsten ist. © iStockphoto / Vesna Andjic

Digitalisierung bedeutet im Kern, dass technologisch große Mengen an Daten erhoben und über den Einsatz von Algorithmen in Beziehung möglich werden, können die Klimaauswirkungen des Verkehrs begünstigen. zueinander gesetzt werden. Dies ermöglicht die Vernetzung von Menschen und Maschinen und damit die Koordination und Synchronisation von Prozessen und Transaktionen weltweit in Echtzeit. Das ist eine immense Chance für die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs und der Transportwege. Zwei einfache Beispiele zeigen, wie Digitalisierung zu einer deutlich höheren Ressourceneffizienz führen kann.
Das erste Beispiel bezieht sich auf die smarte Steuerung der Energienachfrage. Erneuerbare Energien aus Wind und Sonne sind heute nur schwer zu speichern. Damit sind sie nicht grundlastfähig, das heißt sie können den Bedarf, der zu bestimmten Zeiten besteht, nicht sicher planbar decken. Ein gewisser Teil der Nachfrage könnte in einem smart grid jedoch so gesteuert werden, dass Waschmaschinen, Ladevorgänge von Elektroautos etc. dann automatisch gestartet werden, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint und der Strom nicht nur am klimafreundlichsten, sondern zudem am preisgünstigsten ist. Ein zweites Beispiel ist die datenbasierte Steuerung des Verkehrs durch Algorithmen und smarte Ampelschaltungen. Diese können durch die Auflösung und Vermeidung von Staus die Emissionen im Verkehr wesentlich reduzieren. Auch Sharing-Ansätze in der Mobilität, die durch Digitalisierung erst möglich werden, können die Klimaauswirkungen des Verkehrs begünstigen.

Wie Mittelstand und Städte gemeinsam die Transformation schaffen können 
Systemische Transformationen wie die Digitalisierung und die Dekarbonisierung erfordern eine übergeordnete Regulierung, um die Akteure und deren Innovationskraft auf bestimmte Ziele auszurichten. Zusätzlich können Wirtschaft und Regionen durch eine gemeinsame Strategie bedeutende Synergien realisieren. Gerade große technologische Transformationen benötigen ein Zusammenspiel zwischen privatwirtschaftlichen und öffentlichen Akteuren, denn es ist schwierig, systemische Strukturen im Alleingang zu verändern. Es beginnt mit der Bereitstellung der entsprechenden Infrastruktur als öffentliche Aufgabe. Das gilt für die digitale Infrastruktur als Voraussetzung für smarte Lösungen ebenso wie für die lokale und regionale Verkehrsinfrastruktur als Alternative zum Individualverkehr. Die Bedeutung von Substitutionsmöglichkeiten zeigt sich insbesondere in ländlichen Regionen oder bei der Anbindung der Peripherie an das Zentrum. Smarte und nachhaltige Lösungen können auf lokaler Ebene etabliert werden und angesichts einer anhaltenden Urbanisierung Entlastung auf den Wohnungsmärkten und für den Verkehr schaffen. Digitalisierung ermöglicht jedoch auch dezentrale Lösungen und stärkt somit die Autarkie von Regionen. Zur digitalen Infrastruktur gehört neben der Breitband- und Mobilfunkversorgung auch der Aufbau einer so genannten Urban Data Plattform. Erst die systematische Nutzung lokaler Daten und Informationen zieht eine effizientere und somit umweltschonendere Verwendung von Ressourcen nach sich, etwa in Form der Sharing Economy in der Mobilität.

Kulturwandel und Kollaboration fördern
Auch Ladevorgänge von Elektroautos und Sharing-Ansätze in der Mobilität, die durch Digitalisierung erst möglich werden, können die Klimaauswirkungen des Verkehrs begünstigen. © iStockphoto / wallix
Die Entwicklung von smarten Städten und Regionen eröffnet eine Fülle an neuen Geschäftsmodellen für die lokale Wirtschaft, die damit selbst zu einem Treiber von digitaler Transformation wird. SmartCity-Applikationen sind längst zu einem wichtigen Markt für Unternehmen geworden. „Digital und nachhaltig" ist somit keine Zukunftsvision mehr. Es ist bereits heute überall möglich, setzt indes voraus, dass die privatwirtschaftlichen Unternehmen und die öffentliche Verwaltung sich viel stärker jeweils untereinander, aber auch miteinander vernetzen. Zentral dafür ist die Schaffung eines urbanen Designs und einer komfortablen Nutzeroberfläche für den Digital Citizen. In Stockholm beispielsweise ist es möglich, durch die hohe Vernetzung der Stadt sehr komfortabel durch die Stadt zu navigieren. Eine wesentliche Voraussetzung aber stellen lokale Communities dar, die bereit sind, sich in einem gemeinsamen Innovationsökosystem zu vernetzen. Das setzt einen Kulturwandel voraus, den viele noch nicht geschafft haben. Dass es geht, zeigen insbesondere Beispiele von Städten und Regionen, die wenig zu verlieren hatten. Estland ist mittlerweile ein viel bewundertes Beispiel für eine gelungene Digitalisierung. In Lissabon hat sich wenige Jahre nach der Wirtschaftskrise eine der führenden Standorte für kreative Start-ups etabliert. Und in Ruanda, das sich „Land der Experimente" nennt, versorgen Drohnen die wenigen Krankenhäuser mit dringend benötigten Medikamenten. Städte waren schon immer die Experimentierräume der Gesellschaft. Der Mittelstand hat sich immer wieder durch seine Innovationsfähigkeit behauptet. Eine bewusste Zusammenführung dieser beiden Stärken kann eine digitale und nachhaltige Zukunft in greifbare Nähe bringen. Die Kraft des kreativen und innovativen Unternehmertums kann so zu einem wichtigen Treiber von Digitalisierung und Nachhaltigkeit werden.

Prof. Dr. Henning Vöpel ist seit 2014 Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI). Im Jahr 2010 wurde er als Professor für Volkswirtschaftslehre an die HSBA Hamburg School of Business Administration berufen. Seine Forschungs- und Themenschwerpunkte sind Konjunkturanalyse, Geld- und Währungspolitik, Finanzmärkte und Digitalökonomie.

Quelle: B.A.U.M. e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften

Gesellschaft | Green Cities, 01.12.2020

     
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