Werbung: Wahnsinn oder Werkzeug für den Wandel?

Claudia Langer sieht nachhaltige Kampagnen als wichtigen Hebel für ein Umdenken – es ist aber noch viel zu tun.

An der Frage, ob Werbung und Marketing auch und gerade für ökologische und soziale Nachhaltigkeits-Angebote sinnvoll sind, scheiden sich die Geister. Eine, die es wissen muss, ist Claudia Langer, Gründerin der Internetplattform Utopia, Gründerin und Geschäftsführerin der Generationenstiftung und vielfach preisgekrönte Werberin.
 
Das Interview führte Fritz Lietsch.
 
Claudia Langer ist Serienunternehmerin, politische Aktivistin und Autorin. Sie ist Gründerin der Internetplattform Utopia, Gründerin und Geschäftsführerin der Generationenstiftung und vielfach preisgekrönte Werberin. © Marketing For FutureClaudia, Werbung für nachhaltige Produkte hat oft ein Glaubwürdigkeitsproblem. Warum?
Weil damit viel Schindluder getrieben wurde und der Konsument nicht weiß, ob er den Versprechen, die gemacht werden, am Ende vertrauen kann. Stellen Sie sich mal vor, die Menschen hätten tatsächlich als Folge der „Clean Air" Diesel-Kampagne ihre Nase in den Auspuff ihres Volkswagens gesteckt... Hier haben die schwarzen Schafe tatsächlich viel kaputt gemacht.
 
Die Mechaniken des Kapitalismus und ein verantwortungsvoller Umgang mit unserem Planeten gehen für viele nicht zusammen. Sollten Unternehmen trotzdem darauf setzen?
Mit der Gründung von Utopia wollte ich diese beiden Welten zusammenbringen. Inzwischen erkenne ich resigniert: Der Kapitalismus heutiger Prägung und ein verantwortlicher Umgang mit unserem Planeten gehen tatsächlich nicht zusammen. Wir müssten weniger und sauberer konsumieren, um das Schlimmste zu verhindern. Aber: Unternehmen sollten natürlich trotzdem auf Nachhaltigkeit setzen, denn jede Kuh und jedes Schwein, das nicht leiden und jede Plastikflasche die nicht produziert werden muss, sind die Mühe wert.
 
Du sagtest mal in einem Interview, Nachhaltigkeit müsse zum smarten Geschäftsmodell werden. Was muss in konventionellen Unternehmen passieren, damit Nachhaltigkeit als Wirtschaftsfaktor ernst genommen wird?
Nachhaltigkeit kann nur dann zum smarten Geschäftsmodell werden, wenn die Politik endlich gleiche Rahmenbedingungen für alle Unternehmen setzt und nicht die guten Unternehmen ständig mit strukturellen Nachteilen, wie höheren Preisen und geringeren Absatz-Chancen, zu kämpfen haben. Sowohl Verbraucher wie auch die Wirtschaft brauchen klare Regeln. Diese wirken, das sieht man an der Anschnallpflicht oder dem Rauchverbot. Und die Unternehmen flehen die Bundesregierung ja regelrecht an, dass sie hier regulierend eingreift – doch ohne jeden Erfolg. Ich finde hier die Arbeit der Stiftung 2 Grad herausragend.

Viele Unternehmen haben begonnen, ihre Lieferketten und Rohstoffe umzustellen und sich auf den Weg hin zu nachhaltigeren Produkten gemacht. Weil sie oft noch nicht in allen Belangen perfekt aufgestellt sind, kommunizieren sie ihre Fortschritte aus Angst vor Shitstorms und Greenwashing-Vorwürfen nicht aktiv. Was würdest du diesen Unternehmen raten?
Shitstorms aushalten und darauf antworten. Angst ist kein guter Ratgeber und gerade solche Situationen sind herausragende Kommunikationschancen für Unternehmen. Häufig trauen sich diese werteorientierten Unternehmen nicht einzugestehen, dass etwas schiefgelaufen ist, und noch weniger trauen sie sich, ihre Kunden auch mal mit deren übertriebenen Erwartungen und der wirtschaftlichen Realität zu konfrontieren. Ich finde, hier muss man keine Angst haben, sondern kann offensiv zeigen, was man zu bieten hat und Fehler einfach immer sofort zugeben und an der Verbesserung laufend und engagiert arbeiten. Es ist genau dieser offene Dialog, den wir in Zukunft brauchen.
 
Nachhaltiger Konsum gilt noch immer als Eliten-Ding. Welche Hebel hat Werbung, um auch bei der breiten Masse Begehrlichkeiten für Nachhaltigkeit zu wecken und mit einer entsprechenden Aufpreis-Bereitschaft zu verknüpfen?
Gucken Sie sich die Turnschuh-Werbung an, dann ist die Antwort einfach. Gute Werbung hat alle Chancen, eine breite Masse anzusprechen und Aufpreis-Bereitschaften zu wecken. Aber: Kennen Sie eine einzige bahnbrechende Kampagne eines nachhaltigen Unternehmens? Ich nicht. Ich kenne ordentliche Kampagnen und ästhetische, aber keine, über die jemals alle gesprochen haben. Für viele Unternehmen, die sehr ernsthaft an der Zukunft arbeiten, ist der Sprung zu Humor und Leichtigkeit zu groß, um in der Kommunikation einen zukünftigen Werbeklassiker „rauszuhauen". Das bräuchten wir aber mal.
 
Wie erreicht man die Älteren, die Einkommensschwachen, den nicht so bewussten, „woken" Teil der Jugend?
Nicht auf klassischem Weg.
 
Hast du einen aktuellen Lieblings-Case, in dem die Werbung eine ernst gemeinte Nachhaltigkeitsinitiative richtig gut verkauft?
Ich habe zwei, die ich im Moment für echte Benchmarks halte, die aber nur am Rande mit Nachhaltigkeit zu tun haben: erstens die fantastische Kampagne der BVG in Berlin, die wirklich alle Menschen erreicht und zu Fans macht und mutig und wahrhaftig und liebevoll ist. Und mit krachendem Humor arbeitet. Und dann zweitens: die fantastische Kampagne von Oatly, die nur im weiteren Sinne nachhaltig ist, aber das sind die Kampagnen, die ich mir aus der nachhaltigen Szene wünsche.
 
Liebe Claudia, danke für das Gespräch und Dein unermüdliches Engagement.

Dieser Artikel ist in forum 03/2020 - Digitalisierung und Marketing 4 Future erschienen.



     
        
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