Maßnehmen an der Weisheit des Lebens
Wenn weder Wissenschaft noch Kirche den Menschen in diesen Tagen Sinnperspektiven zu öffnen vermögen, dann ist die Zeit gekommen, etwas Sinnvolles zu tun: unsere Welt nachhaltig umzubauen.
Bis vor kurzem war es noch üblich, sich in diesen Tagen eine „besinnliche Weihnacht" zu wünschen. Statt der besinnlichen Weihnacht haben wir nun aber einen weihnachtlichen Lockdown. Ob das dazu führt, dass wir in diesen Tagen wirklich zur Besinnung kommen, wird sich erst erweisen müssen. Wir jedenfalls fangen damit schon mal an und legen uns und unserem Philosophen eine Frage vor, die uns angesichts des weihnachtlichen Lockdowns unter den Nägeln brennt:
Herr Quarch, woran glauben wir eigentlich noch?
Wir glauben an das, worauf wir unsere Hoffnung setzen – an das, was uns Mut verleiht. Um Ihre Frage zu beantworten, müssen wir uns darauf besinnen, was das sein könnte. Im Blick auf die Covid-Pandemie scheint mir die Antwort – zumindest im großen Maßstab der Gesellschaft – auf der Hand zu liegen: Wir glauben an Wissenschaft und Technik. Wir setzen unsere Hoffnung auf einen Impfstoff oder neue Medikamente. Und wir hoffen auf ökonomische Maßnahmen und Interventionen, die die große Maschine der Gesellschaft retten sollen. Gerade in diesen Tagen aber sehen wir, dass dieser Glauben nicht weit trägt. Umfragen zeigen, dass vor allem die Mitte der Gesellschaft Mut und Hoffnung verlieren.
Liegt das aber nicht einfach daran, dass Hilfsmaßnahmen nicht ankommen und noch immer kein Ende der Pandemie in Sicht ist.
Wenn Menschen ihren Mut verlieren hat das immer viele Gründe. Der entscheidende scheint mir zu sein, dass weder Wissenschaft, noch Technik, noch Ökonomie uns Menschen in einer solchen Krise irgendeine Sinnperspektive aufzeigen können. Die Wissenschaft kann erklären, was geschieht und ihre entsprechenden Prognosen aufstellen. Aber sie gibt uns keine Antwort auf das Warum. Technik oder Ökonomie bieten uns Instrumente der Krisenintervention, aber sie sagen nichts darüber, warum und wozu wir sie anwenden sollten. Die Warum-Frage bleibt in der Pandemie von den Wissenschaftlern unbeantwortet. Für Wissenschaftsgläubige ist das demoralisierend.
Aber vielleicht ist es auch gar nicht die Aufgabe der Wissenschaftler, Warum-Fragen zu beantworten.
Genau. Es ist definitiv nicht deren Aufgabe. Eigentlich wäre das die Aufgabe der Religion bzw. der Kirchen. Aber die versagen als Sinnstifter in dieser Krise komplett. Sie finden einfach keine Sprache, mit denen sie Menschen Mut zusprechen könnten. Stattdessen flankieren sie die Appelle der Politiker oder kreisen um die Frage, ob sie nun Weihnachtsgottesdienste halten können oder nicht. Eine Antwort auf die Warum-Frage sucht man hier vergeblich. Die Menschen hören aber nicht auf, nach dem Warum zu suchen – wenn auch oft nur unbewusst. Und so laufen sie denen in die Falle, deren esoterische Theorien in Aussicht stellen, sich einen Reim auf das Geschehen machen zu können. Eine Antwort aber scheint niemandem mehr einzufallen: Gott. Wenn Covid eines lehrt, dann, wie Recht Nietzsche hatte, als er sagte: „Gott ist tot". Das ist nämlich dann der Fall, wenn niemand mehr seine Hoffnung auf einen Gott setzt.
Hm, worauf können wir denn Ihrer Ansicht nach dann noch unsere Hoffnung setzen? Kirche, Wissenschaft, Politik und Verschwörungstheorien scheiden Ihrer Ansicht nach ja aus.
Für viele am naheliegendsten wäre wohl zu sagen: Auf uns selbst. Aber dann tappt man ganz schnell in die Selbstoptimierungsfalle und glaubt, sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf der Sinnlosigkeit ziehen zu können. Die Folge ist der totale Ego-Trip, der aber alles nur noch schlimmer macht. Dann haben wir ganz schnell ganz viele Donald Trumps. Nein, wenn wir Weihnachten zur Besinnung kommen wollen und uns fragen, woran wir noch glauben können, dann kommt eigentlich nur eines in Frage: an die große Weisheit des Lebens, die sich überall in der Natur zeigt, die unsere Immunabwehr steuert und deren Schönheit auch im tiefsten Winter sichtbar ist. Wenn wir uns darauf einlassen würden, könnten wir die Frage nach dem Warum beantworten: Warum die Pandemie? Damit wir endlich unsere Welt umbauen und im Einklang mit dem Leben leben. Das wäre sinnvoll. Und es ist das, woran ich glaube.
Der Bestseller-Autor Christoph Quarch ist Philosoph aus Leidenschaft. Seit ihm als junger Mann ein Büchlein mit »Platons Meisterdialogen« in die Hand fiel, beseelt ihn eine glühende Liebe (philia) zur Weisheit (sophia), die er als Weg zu einem erfüllten und lebendigen Leben versteht. Als Autor, Publizist, Berater und Seminarleiter greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophen zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen."
Hören Sie ihn persönlich im SWR-Podcast Frühstücks-Quarch. Lesen Sie mehr von ihm unter www.christophquarch.de
Als forum-Redakteur zeichnete Christoph Quarch verantwortlich für den Sonderteil „WIR - Menschen im Wandel".
Gesellschaft | Pioniere & Visionen, 17.12.2020
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