Es reicht!!!
Offener Brief zur aktuellen Lage der Künstler*innen in Deutschland
Max Uthoff, Preisträger des Bayerischen Kabarettpreises 2020, hat es klar erkannt: Das
Virus agiert völlig unsinnig. In einem gefüllten Bus, in der Bahn erwischt es kaum jemanden,
aber in einem halbleeren Wirtshaus schon. Seltsames Virus!
So seltsam erscheinen auch einige der nun für nächsten vier Wochen geplanten
Regelungen:
Physio nein, aber Fußpflege ja,
Nagelstudio nein, aber Frisör ja,
Theater, Opernhäuser und Restaurants nein, aber Einrichtungshäuser und Baumärkte ja,
Kirchen auch ja!
Wo liegt da der Sinn?
Gerade die Entscheidung, dass Kirchen geöffnet bleiben, Theater jedoch schließen müssen,
erscheint unsinnig und ist wohl nur mit politischem Kalkül erklärbar.
Vielleicht sollten wir die Kirchen um Hilfe bitten und unsere Veranstaltungen in Kirchen
verlegen, denn wenn sie als Gottesdienst deklariert werden, so steht der Öffnung nichts im
Wege.
Wir vom Paul Klinger Künstlersozialwerk, die wir seit mehr als 45 Jahren die Nöte der
Künstler kennen und mit unseren Beratungen und Hilfen zu lindern suchen, sind empört und
solidarisieren uns mit den vielfältigen Forderungen vieler Künstlerorganisationen,
insbesondere der Allianz der Freien Künste, in der wir ebenfalls Mitglied sind.
Sicher ist es nicht zielführend, zurück zu blicken, wie denn in den letzten Monaten seit März
für Soloselbständige, freie Künstler, kleine und große Theater die Zeit des Lockdowns
dramatisch verlaufen ist. Versprechungen, in jedem Bundesland anders, heftige Auflagen,
die mit viel finanziellem Aufwand weitgehend erfüllt wurden, haben Künstler und Theater an
ihre finanziellen Grenzen gebracht.
Ca. 2 Millionen Menschen sind in der Veranstaltungsbranche beschäftigt und generieren
etwa 130 Milliarden Umsatz.
Ein gewichtiger Teil unserer Bevölkerung ist also hier beschäftigt. Aber, freie Künstler,
Beleuchter, Bühnenarbeiter können leider kaum Betriebskosten in Anrechnung setzen. Ein
Problem, das bereits beim ersten Lockdown sichtbar war, dem aber von den Regierungen
keinerlei Rechnung getragen wurde. So sind viele Kollegen in Schulden geraten, bei ihnen
ging es schliesslich ums blanke Überleben.
Anrechnung setzen. Ein Problem, das bereits beim ersten Lockdown sichtbar war, dem aber
von den Regierungen keinerlei Rechnung getragen wurde. So sind viele Kollegen in
Schulden geraten, bei ihnen ging es schliesslich ums blanke Überleben.
Das soll ja nun im zweiten Lockdown, liebevoll Mini-Lockdown genannt,
geändert werden. Soloselbständige und freie Künstler sollen 75 Prozent Ihres Umsatzes
eines vergleichbaren Monats in 2019 für den Monat November erhalten. Und dann?
Und das ist die neuerliche, entscheidende Frage: Werden die Zusagen der Regierungen vom
28. Oktober, die eigentlich viel zu spät kommen, nun greifen und unsere Branche retten?
Unsere Forderungen:
Denken Sie über weiterreichene Unterstützungen für die Kunstbranche nach.
Die gerad in Halle veröffentlichte Studie Restart 19 belegt, dass bei ausreichender Belüftung
durchaus auch in größeren Häusern Veranstaltungen organisiert werden können.
Ausreichend Abstand, gute Masken, auch während der Veranstaltung, gesunde Lüftung. Hier
sollten die Häuser ausreichend Förderungen vom Bund erhalten.
Setzen Sie sich mit einschlägigen Organisationen zusammen, wie z.B. den Partnern in der
Allianz der Freien Künste, um deren Forderungen umzusetzen.
Schaffen Sie Finanzhilfen, die der gesamten Branche nützen, auch über den November
hinaus, denn selbständige Kulturschaffende müssen auch nach dem 1. Dezember noch
Miete zahlen.
Für die Kunstbrache besteht der im Gesetz verankerte Bildungsauftrag. So müssen dringend
Wege gefunden werden, den Kunstbetrieb nicht erlahmen zu lassen sondern die helfen, ihn
wieder in Gang zu setzen.
Kunst ist ein Lebensmittel, und viele Menschen sehnen sich danach.
Entwickeln Sie mit Sachverständigen Konzepte, die es möglich machen, s. Halle, dass auch
größere Veranstaltungen wieder durchführbar werden.
Helfen Sie uns, damit wir nicht in ein paar Monaten ein kulturell verarmtes Land geworden
sind, vieles würde dann unwiederbringlich verschwunden sein.
Das darf nicht geschehen.
Wir hoffen und bitten, dass einem wichtigen Wirtschaftszweig nicht die
Lebensgrundlage genommen wird.
Helfen Sie, dass die Sehnsucht vieler Menschen nach Kunst bald wieder erfüllt
werden kann. Ein Land ohne Kunst und Kultur geht langsam unter.
Renate Hausdorf
Paul Klinger Künstlersozialwerk, Mitglied in der Allianz der Freien Künste
Kontakt: Paul-Klinger-Künstlersozialwerk e. V. | presse@paul-klinger-ksw.de | www.paul-klinger-ksw.de
Gesellschaft | Politik, 09.11.2020
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