Albrecht Hempel

Nachhaltig Wirtschaften hält gesund 

Wertschöpfung durch Wertschätzung

Immer schnellere Innovationszyklen, immer besser sein als die Konkurrenz, immer maximale Leistung und steigende Umsatzkurven – das war bisher das Credo der Wirtschaft. Wenn dabei die Gefühle auf der Strecke bleiben, kann es zum Crash kommen.
 
© Free-Photos, pixabayErfolgreich wirtschaften fußt auf mehrdimensionalen Voraussetzungen, wie auf einer guten Produkt- oder Dienstleistungsidee, einem durchdachten Businessplan, einer gelungenen Implementierung, einer motivierten Mannschaft, wirksamen Marketingmaßnahmen, Qualitätskontrollen und permanenten Optimierungen, um sich auch langfristig am Markt zu etablieren. Beim nachhaltigen Wirtschaften tritt der Faktor Mensch stärker in den Vordergrund – sein Wohlbefinden, seine Freude an der Arbeit und seine Gesundheit. Er ist derjenige, der alles umsetzt. Seine Ressourcen und Kräfte sind deswegen wertvoll und unverzichtbar. Aber sie sind auch endlich. Wenn wir versuchen, immer mehr Aufgaben zu bewältigen, gerät unser Kräftehaushalt in eine Schieflage – auch wenn uns die Aufgaben gefallen. Wir kommen in einen Dauerkampfmodus gegen das „Zuviel, das nicht zu bewältigen ist" und werden schließlich und logischerweise krank. Nachhaltig wirtschaften für sich selbst und seine Projekte bedeutet, gemäß seinen persönlichen Kräften und nicht auf Verschleiß zu arbeiten. Das ist gesund und kommt dem Einzelnen wie dem Unternehmen zugute.

Was genau aber ist es, was uns krank werden lässt?
Sind es Gefühle, wie Wut, Überforderung, Empörung und Verachtung? Und was ist mit den schönen Gefühlen? Beeinflussen Hoffnung, Zuversicht und Liebe unsere Gesundheit positiv? Dürfen wir uns bei der Arbeit überhaupt Gefühle leisten, geschweige denn uns von ihnen leiten lassen? Gefühle haben in der klassischen Schulmedizin keinen guten Ruf. Wissenschaftler sollten sich an Messwerte und präzise naturwissenschaftliche Erkenntnisse halten. Betrachte ich als Kardiologe aber den Alltag in meiner Praxis und spreche mit Menschen darüber, woran sie beruflich und privat leiden, komme ich zu völlig anderen Ergebnissen. Es sind vor allem die Gefühle, die darüber entscheiden, wie es uns geht und ob wir auf Dauer gesund und leistungsfähig bleiben oder krank werden. Wertschöpfung geschieht durch Wertschätzung! Das gilt für den privaten wie beruflichen Bereich.

Was bedeutet das im Wirtschaftsleben? Der Mensch hat grundsätzlich das Ziel, ein erfülltes Leben von wahrhaftiger Qualität zu führen. Beschränkt sich unser Tun und Streben lediglich auf das Anhäufen von Gewinn und materiellen Gütern, gerät dieses Ziel in Gefahr. Wenn Unternehmen nur die Gewinnmaximierung anstreben, gefährden sie die Zukunft ihrer Mitarbeiter und damit auch die eigene Zukunft. Prägnante Beispiele gibt es dafür im Bankensektor.
 
Energetischer Missbrauch im Unternehmen
Wenn nicht Wertschätzung die Grundlage allen Handelns gegenüber Partnern, Mitarbeitern und Vorgesetzten ist, haben wir unnötig viele ungute Gefühle. Dann schütten wir vermehrt Adrenalin aus und geraten in einen Kampf- oder Fluchtmodus. Das ist evolutionär ein sehr sinnvolles Programm: Im Kampf verteidigen wir unseren Lebensraum. Kämpfen wir jedoch gegen Unvermeidliches, wie gegen eine objektive berufliche Überforderung, stehen wir auf verlorenem Posten. Da Kampf, biologisch gesehen, immer Vorrang zum Erhalt des Lebensraumes hat, verhalten wir uns, als ob es bei jedem, auch dem kleinsten Kampf immer um das Ganze ginge. Wenn uns aber mehr als 50 Prozent schwierige Gefühle beherrschen, erschöpfen wir uns und werden krank. Das vermindert unsere Leistungsfähigkeit und unseren Leistungswillen. Die Folge sind oftmals innere Kündigungen, die in Unternehmen zu unschätzbar großen Verlusten führen.

Wir überfordern uns freiwillig – aber warum?
Das hat einen erstaunlichen Grund: Unsere Gefühle verhalten sich genauso, wie der elektrische Strom nach dem Ohmschen Gesetz: R = U / I. Empfinde ich inneren Widerstand (R), steigt die Spannung (U) und der Fluss (I) verringert sich. Scherzhaft bedeutet das: Wenn ich niemals wie mein Vater werden möchte, ist mein Scheitern vorprogrammiert und ich übernehme garantiert genau dessen ungeliebte Eigenschaften. Oder philosophisch ausgedrückt: „Was Du hast und nicht willst, das behältst Du".

Widerstand und negative Gefühle verursachen immer so viel und solange Stress, bis wir in einem daraus resultierenden Kampf oder einer Flucht eine Lösung finden. Die unangenehmen Gefühle bleiben solange bestehen, bis wir entweder den Sachverhalt verändern oder unsere Sicht auf die Dinge. Erst dann können wir mit angenehmeren Gefühlen eine günstigere Entwicklung einschlagen. Gelingt uns dies nicht, werden unsere Widerstandskräfte irgendwann aufgebraucht sein, mit der Konsequenz, dass wir an hohem Blutdruck und/oder Herz- und Hirninfarkten leiden.
 
Gibt es elementare Gefühle?
Insgesamt unterscheidet man „fünf + eins Grundgefühle", die in uns jeweils bestimmte, reproduzierbare Empfindungen hervorrufen. Das sind Trauer, Liebe, Glück, Wut und Eifersucht sowie als besonderes Gefühl die Angst. Letztere ist unangenehm, aber für unser Überleben unverzichtbar. Wie aus den einzelnen Farbpatronen des Tintenstrahldruckers lassen sich aus den Grundgefühlen alle Farben des Lebens mischen. Aus streng fachlicher Sicht gibt es weitere Einteilungen von Gefühlen. Aber die vorliegende, einfache Systematik hat sich für die Praxis bewährt.
 
Was sind Gefühle und wie werden sie wahrgenommen?
Gefühle können wir als physikalische, elektromagnetische Schwingungen verstehen, die wir aussenden und auch empfangen können. Dies geschieht zumeist unabhängig von unserer bewussten Wahrnehmung, vergleichbar mit unseren übrigen Sinnen wie Sehen, Riechen, Hören, Schmecken und Tasten. Diese Erkenntnis ist neu in der Medizin.
 
Um Gefühle wahrzunehmen, haben wir eine Art Antennen. Das sind großflächige Nervengeflechte, die sich vor allem im Bauch, aber auch in der Halsregion, im Brustkorb und vor dem Herzen sowie in den Eingeweiden und den Nierenregionen befinden. Sie funktionieren ähnlich wie Handys. Beim Handy werden die Schallwellen der Sprache in elektromagnetische Schwingungen umgewandelt und ausgesandt. Beim Empfänger werden diese in Schallwellen zurücktransformiert, was wir dann wieder als Sprache hören können. Beim Mensch wird das Nervengeflecht von einem bestimmten Gefühl erregt und dieses sendet entsprechende elektromagnetische Schwingungen aus. Vom Empfänger werden diese wieder in Empfindungen umgewandelt. Da es die gleichen Schwingungen sind, sind die Empfindungen auch beim Sender und Empfänger gleich. Die Nervengeflechte sind bis zu 1000-mal schneller als unsere Gehirnzellen! Rein praktisch wird so unser Bauch zu unserer eigentlichen Regierung und unserem Gehirn bleibt nur noch die Rolle des Regierungssprechers, der nach außen hin logisch erklären muss, was unser Bauch schon längst entschieden hat.
 
Können Gefühle krank machen?
Als Internist, Kardiologe und Energiemediziner behandle ich viele Patienten mit Herz- und Kreislaufkrankheiten. Für manche Beschwerden lassen sich keine organischen Ursachen finden. Obwohl wir wissen, dass solche Beschwerden bei 80 Prozent der Patienten nach 20 bis 30 Jahren zu „richtigen" Herzkrankheiten führen, gelten die Ursachen bis dato als unbekannt und werden nicht behandelt. Mein Interesse als Kardiologe gilt der Frage, ob und wie schwierige Gefühle zu Herzinfarkten, Depressionen und weiteren Krankheiten führen. Es gibt keinen eindeutigen Zusammenhang, woran genau der Einzelne leiden wird.
 
Auch eine Ehe ist keine schlichte Ursache-Wirkung-Beziehung – und scheitert in fast 50 Prozent der Fälle. Der amerikanische Eheforscher John Gottman sagt mit einer 95-prozentigen Sicherheit voraus, ob ein Paar zusammenbleiben wird. Aussehen oder Bankkonten sind bedeutungslos. Als entscheidend erwies sich der Umgang des Paares mit schwierigen Gefühlen. Dasselbe gilt im Beruf. Erleben wir überwiegend unangenehme Arbeitstage, verlieren wir die Freude an dem, was wir tun. Wir werden schließlich krank oder wir verlassen das für uns krankmachende Umfeld und kündigen.

Gefühle spielen sich somit nicht im Kopf, sondern im Körper ab. Häufig auftretende schwierige Gefühle führen zu immer stärkeren körperlichen Reaktionen mit gesundheitlichen Auswirkungen. Da bestimmte Gefühle bestimmte Körperregionen bevorzugen, können diese am ehesten krank werden. Trauer spielt sich beispielsweise im Halsbereich ab und führt häufig zu Schilddrüsenproblemen. Chronische Krankheiten sind somit ein Ausdruck für eine über lange Zeit überforderte und schließlich erschöpfte (Gegen-)Regulation einer Körperregion.

Was haben Gefühle in der Wirtschaft verloren?
Heutzutage hat man erkannt, dass sogenannte Soft Skills zu den fundamentalen Qualitätseigenschaften von Führungspersönlichkeiten gehören. Ein gutes Feingefühl gegenüber Mitarbeitern und ein von Fairness geprägter Umgang führen zu einem produktiven Arbeitsklima und halten den Krankenstand niedrig. Und ein gutes Bauchgefühl ist bei Führungskräften ebenfalls mit einer visionären und damit das Überleben des Unternehmens sichernden Gestaltungskraft verbunden. Eine visionäre Führungskraft hat gelernt, auf ihre Gefühle zu hören und sich (nach guten Trainings) auf sie verlassen zu können. Von Bedeutung ist dabei, dass die Gefühle nach bestimmten Prinzipien funktionieren und sich dank ihrer elektromagnetischen Eigenschaften auch nach den Gesetzen der Physik, wie eben dem Ohmschen Gesetz, richten. Deswegen sind Gefühle nicht nur „logisch verstehbar", sondern auch vorausschaubar und steuerbar.
 
Da Gefühle letztendlich innere Entscheidungen sind, können neue Erfahrungen auch zu neuen Beurteilungen führen. Ob wir richtig liegen, spüren wir an besseren Gefühlen. Und für die Bewertung jeder Situation gibt es immer mindestens eine Alternative. Damit birgt auch jede Situation die Chance zur Veränderung und dadurch auch zur Verbesserung. Der Umgang mit unseren Gefühlen ist entscheidend für unsere eigene Gesundheit. Das bedeutet, dass wir mit einem bewussten Umgang mit unseren Gefühlen selbst für ein kraftvolles, gesundes und glückliches Leben sorgen können. Und die Verantwortungsträger in der Wirtschaft können diese Zusammenhänge für ein sinnsteigerndes und somit gesundes Arbeitsleben nutzen. Sie entscheiden damit auch, ob ihr Unternehmen nachhaltig erfolgreich ist und bleibt und nicht zuletzt, ob sie selbst gesund bleiben.

Prof. Dr. Med. Albrecht Hempel ist Internist, Kardiologe und war lange Jahre Hochschullehrer an der Berliner Charité. 2013 wechselte er an die Steinbeis-Hochschule zu Berlin als Leiter des Bereichs „Integrative medizinische Wissenschaften" und gründete 2006 das Zentrum für Energie- und Umweltmedizin in Sachsen, wo er als Spezialist für Herz-Kreislauf-Erkrankungen schulmedizinisches Wissen mit ganzheitlichen Methoden verbindet. Prof. Hempel beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit der Bedeutung von Gefühlen für die Heilungsprozesse seiner Patienten.
 
Literaturhinweis

Vom Problem zur Lösung: Ein Praxisbeispiel
Ein förderlicher Umgang mit Gefühlen gelingt nur, wenn auch auf betrieblicher Leitungsebene ein Bewusstsein dafür vorhanden ist. Die Hochschulen in Jena, allen voran die Ernst-Abbe-Hochschule, das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft sowie die AOK Plus haben deshalb 2014 das Projekt „Gesundes Lehren und Lernen" initiiert. Seit Einführung hat es unabhängig von der Studienrichtung messbar und nachhaltig zu einer Verbesserung der Gesundheit bei Studierenden und Lehrenden geführt. Aufgrund des Erfolgs wird das Projekt seitens der AOK Plus weiter gefördert und an allen Hochschulen in Thüringen sowie Sachsen und zukünftig auch bundesweit angeboten. Das Konzept basiert im Wesentlichen auf dem Achtsamkeitsansatz von Prof. Dr. med. Jon Kabat-Zinn. Mit diesem Ansatz können schwierige Gefühle zu lösungsorientierten Wegweisern werden.
 
Achtsamkeit als Wegweiser
Schwierige Gefühle führen immer zu Kampf oder Flucht. Sie folgen dabei dem biologischen Gesetz, maximale Erfolge mit einem Minimum an Aufwand anzustreben. Ihre weitere Aufgabe ist es, uns wie rote Warnbojen im Meeressturm auf Gefahren hinzuweisen. Sie zu bekämpfen, hieße zu stranden. Vielmehr fordern uns schwierige Gefühle auf, nach den „grünen Bojen" Ausschau zu halten. Also nach positiven Möglichkeiten zu suchen, anstatt uns im Ärgern zu verschleißen. Auf diesem Weg können wir fast automatisch schwierige Gefühle in angenehme verwandeln und Fehlentwicklungen beeinflussen und oftmals sogar beenden. So gelangen wir dank unserer Gefühle zu einem sinnerfüllten und gesunden Leben.
 

Dieser Artikel ist in forum 04/2019 - Food for Future erschienen.



     
        
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