Pedro Morazán
Lifestyle | Geld & Investment, 01.09.2019
Mobile Money in Africa
Chancen für Heimatüberweisungen und nachhaltige Entwicklung
Migranten, die Geld an ihre im Herkunftsland lebenden Angehörigen schicken, haben in den letzten Jahren mit steigenden Kosten und Verzögerungen zu kämpfen. Das Geld wird von ihrer Familie aber meist zum Überleben benötigt, da es oft bis zu 60 Prozent des Haushaltseinkommens ausmacht.
Die sogenannten Heimatüberweisungen sind für die Wirtschaft vieler Länder im globalen Süden essenziell. Deshalb haben die Vereinten Nationen sich in der Agenda 2030 mit dem Ziel 10c darauf geeinigt, die Kosten für Heimatüberweisungen auf 3 Prozent zu verringern.Bisher sind Finanztransfer-Dienstleister, sogenannte Money Transfer Operators (MTO) wie MoneyGram, Ria oder Western Union neben dem Hawala-Finanzsystem die am häufigsten genutzte Möglichkeit, um Heimatüberweisungen zu tätigen. Überweisungen über das normale Bankensystem spielen in diesem Kontext keine große Rolle, da sie meist mit Verzögerungen oder hohen Kosten verbunden sind. Darüber hinaus haben die Angehörigen im Herkunftsland oftmals keinen Zugang zu Banken.
In den letzten Jahren entstanden jedoch auch bei den MTO gravierende Nachteile. Staatliche Regularien wegen Geldwäsche oder Terrorismus-Finanzierung führten dazu, dass die Kosten für private internationale Transaktionen anstiegen und sich Dienstleister aus dem Geschäft zurückzogen. Migranten leiden folglich unter dem mangelnden Wettbewerb und entsprechend hohen Kosten für die Heimatüberweisungen. Es ist also dringend notwendig, dass internationale Heimatüberweisungen sicherer, schneller und günstiger werden.
Das Zauberwort: Mobile Money
Mobile Money, also Zahlungstransaktionen mit Hilfe des Handys sind die Lösung. Es wird inzwischen in mehr als 90 Ländern angeboten und pro Tag werden Transaktionen über 1,3 Milliarden US-Dollar mit Hilfe von Mobile Money-Anwendungen durchgeführt. In mehr als drei Viertel der Niedrig- und Mitteleinkommensländer wird Mobile Money bereits als Zahlungsmodalität eingesetzt. So nutzen 54 Prozent der Bevölkerung Ghanas, der Elfenbeinküste, Benins und des Senegal diese Technologie. Weltweit ist der Anteil von Netzbetreibern, die Mobile Money via Smartphones anbieten, von 56 Prozent im Jahr 2015 auf 73 Prozent im Jahr 2017 angestiegen. Insbesondere in Subsahara-Afrika läuft die Entwicklung rasant.M-Pesa
Der enorme Erfolg von Mobile Money-Diensten lässt sich anhand von M-Pesa – gebildet aus dem Kürzel „M" für „mobil" und dem Swahili-Wort für Bargeld „Pesa" – zeigen. Das Projekt wurde von der kenianischen Mobilfunkfirma Safaricom in Kooperation mit Vodafone entwickelt. 2007 in Kenia eingeführt, ist es mittlerweile auch in Mosambik, Tansania, Südafrika, Lesotho, der DR Kongo und sechs weiteren Ländern verbreitet.
Mit M-Pesa können über Mobiltelefone beispielsweise Überweisungen getätigt und bargeldlos bezahlt werden, ohne dass dafür ein reguläres Bankkonto, was sehr viele Menschen in der Anwendungsregion nicht haben, benötigt würde. Insbesondere dann, wenn der Zugang zu Bargeld nicht gesichert ist, beispielsweise in ländlichen Gebieten oder auf Reisen, ist dies eine praktische und sichere Lösung, die inzwischen sogar genutzt wird, um Löhne auszuzahlen. Nutzer berichten zudem, dass die Angst, wegen Bargeld beraubt zu werden, deutlich zurückgegangen ist und sich z.B. das Überweisen ihrer Strom- und Wasserrechnungen vereinfacht hat.
Heimatüberweisungen: Die Erfolgsgeschichte von Mobile Money
Die wachsende Anzahl von Mobile Money-Anwendungen birgt neben dem praktischen Nutzen vor Ort auch entwicklungspolitische Potenziale, die wir positiv beeinflussen können. Denn auch von Deutschland aus kann man Geld bei spielsweise auf das M-Pesa-Konto eines kenianischen Handys versenden. Dies ist für Menschen mit Migrationsgeschichte relevant, die von hier aus Geld an ihre in Kenia lebenden Verwandten schicken, oder für jeden von uns, der seine Spende einfach direkt dem Empfänger zukommen lassen will. Mobile Money kann also ein großer Schritt in Richtung gerechterer Bedingungen für Heimatüberweisungen sein.Aktuelleren Studien zur Folge sind die Gebühren für Überweisungen seit 2016 um 40 Prozent zurückgegangen und liegen derzeit bei ca. 1,7 Prozent. Meist sparen die Migranten somit mehr als 50 Prozent gegenüber den traditionellen MTO. Dass 2018 bereits Heimatüberweisungen in Höhe von 4,3 Milliarden US-Dollar nicht über traditionelle Wege, sondern über Mobile Money-Anwendungen getätigt wurden, verdeutlicht das große Potenzial der Technologie. Nichtdestotrotz nehmen Heimatüberweisungen bisher einen sehr geringen Teil der Mobile Money-Transaktionen ein, da dessen Anwendungen wegen Regularien oft noch nicht ausreichend verbreitet sind.
Unsere Verantwortung
Bedeutend ist auch die Rolle, die Mobiltelefone und Mobile Money für den Zugang von Menschen zu Finanzsystemen spielen: Weltweit haben 2,5 Mrd. Menschen keinen Kontozugang. Nur jeder fünfte erwachsene Mensch mit einem Einkommen von weniger als 2 US$ pro Tag hat Zugang zu einem Bankkonto. Das bedeutet, dass beinahe 80 Prozent ärmere Menschen von finanziellen Dienstleistungen ausgeschlossen sind. Mobiles Bezahlen via SMS oder auch mobile Sparkonten können die finanzielle Inklusion verbessern. Wird dieser Prozess verantwortungsvoll gestaltet, eröffnen sich für viele Menschen neue Chancen, insbesondere für die betroffene ländliche Bevölkerung.
Trotz der großen Chance, die Mobile Money entwicklungspolitisch und hinsichtlich finanzieller Inklusion in Ländern des globalen Südens bietet, zeigt sich die deutsche staatliche und insbesondere die nichtstaatliche Entwicklungszusammenarbeit derzeit überwiegend passiv. Auch in der Diskussion um Migration spielt das Thema kaum eine Rolle. Zum einen ist es daher von staatlicher Seite dringend notwendig, sich allgemein Gedanken über die Potenziale und Möglichkeiten zu machen und zu verhindern, dass Migranten weiter unter Regularien wegen Geldwäsche und Terror-Finanzierung leiden. Zum anderen kann jeder dazu beitragen, diese Perspektiven in die Debatten um Digitalisierung, Migration und Entwicklungszusammenarbeit einzubringen. Erst wenn alle Akteure sich für eine Verbesserung der Konditionen einsetzen, können Heimatüberweisungen zukünftig noch stärker zur nachhaltigen Entwicklung beitragen.
Dr. Pedro Morazán ist Volkswirt und arbeitet seit 1992 am SÜDWIND Institut. Als gebürtiger Honduraner ist er selbst von den Schwierigkeiten der Heimatüberweisungen betroffen.
Patrick Wulf studiert Geographie im Master an der Universität Bonn und ist seit 2019 Werksstudent am SÜDWIND Institut.
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2019 - Social Business beseitigt Plastik-Müll und schafft neue Jobs erschienen.
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