SDG und Profit – ein Widerspruch?
SDG-Umsetzung in Entwicklunsgsländern erfordert Engagement der Privatwirtschaft
Wer soll das bezahlen?
Für die Umsetzung einer solchen Agenda braucht es hohe Investitionen, beispielsweise für Kanalisation, Wasser- und Stromversorgung, Straßen, Bildung oder für die Anpassung an den Klimawandel. Zwischen 3,3 und 4,5 Billionen US-Dollar sind laut UN jährlich nötig, um den Finanzbedarf für die Umsetzung der SDG in Entwicklungsländern zu decken. Doch die öffentlichen Kassen sind klamm, und ohne den Einsatz von Unternehmen sind solche Investitionen kaum denkbar. Was also kann die Privatwirtschaft für die Umsetzung der Agenda 2030 in armen Ländern leisten?
Informationen für Unternehmen
Das Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit (BMZ) unterstützt das Engagement von Unternehmen in
Entwicklungs- und Schwellenländern durch eine Vielzahl von Programmen
und Initiativen.
Die Agentur für Wirtschaft und Entwicklung des BMZ berät zu Förderung und Kooperationsmöglichkeiten der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. EZ-Scouts sind Experten im Auftrag des BMZ. Als Ansprechpartner zu Themen der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) sind sie in Wirtschaftsverbänden, Ländervereinen, Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern tätig. Durchführungsorganisationen des BMZ sind jene Institutionen, die mit der konkreten Umsetzung von entwicklungspolitischen Vorhaben der Bundesregierung vom BMZ beauftragt werden. Die wichtigsten unter ihnen sind die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), zuständig für die Durchführung der technischen Zusammenarbeit, und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), zuständig für die Durchführung der finanziellen Zusammenarbeit. |
Risiken schrecken ab
Entwicklungsländer sind nicht immer attraktiv als Anlage für privates Kapital. Gerade in den ärmsten Ländern, wo Investitionen am dringendsten nötig wären, verprellen hohe Risiken und mangelnde Bildung oft private Investoren. Schon seit einigen Jahren versucht man deshalb mit öffentlichen Mitteln Anreize zu schaffen, um Innovation und Kapital auch in diese Länder zu tragen. Gleichzeitig werden Bildungsmaßnahmen unterstützt. Ein beliebtes Instrument hierfür sind die so genannten Public Private Partnerships (PPP). In diesen Entwicklungspartnerschaften zwischen dem öffentlichen Sektor und der Wirtschaft führen Unternehmen mit Durchführungsorganisationen der Entwicklungszusammenarbeit (siehe Kasten) gemeinsame Vorhaben durch. In der Theorie soll die Effizienz der Privatwirtschaft in den Bereich der öffentlichen Dienstleistungen übertragen werden. Leider zeigen zahlreiche Beispiele, dass dies nicht immer von Erfolg gekrönt ist. Insbesondere in den sozialen Sektoren wie Bildung oder Gesundheit haben Untersuchungen von verschiedenen PPP zum Teil sehr bescheidene Ergebnisse festgestellt.
Entwicklungshilfe oder Wirtschaftsförderung?
Ein zentraler Eckpfeiler solcher Entwicklungspartnerschaften mit der deutschen Privatwirtschaft ist das Programm develoPPP, mit dem gezielt die Umsetzung von Projekten in Entwicklungsländern gefördert wird. Grundidee des Programms ist, dass in allen Projekten neben einer finanziellen Beteiligung beider Seiten auch eine Beratung von Seiten der Durchführungsorganisationen stattfindet. So soll der entwicklungspolitische Mehrwert sichergestellt und maximiert werden. Kritisiert wird aber auch hier, dass klare Entwicklungsziele zugunsten der Armen oder aber auch die Rolle des Staates oft nicht ausreichend definiert sind. Vielmehr würden staatliche Entwicklungsgelder letztlich dafür verwendet, deutsche Unternehmen in ihrem Kerngeschäft zu unterstützen, um so ihren Wirkungsbereich auszudehnen. Das klingt mehr nach klassischer Wirtschaftsförderung als nach armutsorientierter Entwicklungsfinanzierung. Ein Konzern wie Bayer kann so mit Hilfe öffentlicher Mittel aus der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit den Einsatz seines eigenen Hybridsaatgutes und der Pestizide bewerben und Umsatzsteigerungen bei kleinbäuerlichen Betrieben zum Beispiel in Kenia erzielen. Ob das im Sinne der nachhaltigen Entwicklung ist?
Handelt die Wirtschaft mit Verantwortung?
Andererseits hat die deutsche Wirtschaftspolitik bislang kaum etwas unternommen, den entwicklungspolitischen Beitrag von deutschen Großkonzernen wie BASF, Bayer, VW oder Allianz gezielt zu fördern. Die Einhaltung von Menschenrechten bei Zulieferbetrieben muss gesetzlich eingefordert werden. Illegale Profittransfers sowohl in Steuerparadiese als auch in die Muttergesellschaften gilt es zu sanktionieren, damit alle Akteure einen fairen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung in den Ländern leisten, in denen sie ihre Gewinne erzielen. Deshalb geht es nicht nur um bessere Rahmenbedingungen für Privatinvestitionen, sondern vielmehr darum, Institutionen und Regulierungsinstanzen zu schaffen, die die Ungleichgewichte der Märkte korrigieren und vermeiden. Um Wachstum wirklich inklusiv zu gestalten, bedarf es eines starken und zudem aktiven öffentlichen Sektors. Es wird in der Entwicklungspolitik viel darüber nachgedacht, wie Rahmenbedingungen so gestaltet werden können, dass Privatinvestitionen angezogen werden. Wichtiger für nachhaltiges Wirtschaften ist aber, wie Privatwirtschaft so reguliert werden kann, dass die Ziele der Agenda 2030 erreicht werden können.
KMU und Nachhaltigkeit first!
Die zentrale Rolle, die der Privatsektor im Rahmen der Agenda 2030 einnehmen soll, steht in Verbindung mit den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit: der wirtschaftlichen, der sozialen und der ökologischen Dimension. Die wirtschaftliche Dimension der Nachhaltigkeit bezieht sich dabei auf die beiden Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit und darf nicht nur auf das Kapital reduziert werden. Die Schaffung von Arbeitsplätzen gerade auch für gering qualifizierte Arbeitskräfte ist von großer Bedeutung für die Entwicklung in den betroffenen Ländern. Aber auch die Ausgestaltung dieser Arbeitsplätze mit Arbeitsbedingungen und einer Bezahlung, die ein menschenwürdiges Leben ermöglichen, sind wichtig, um gerade den vielen jungen Menschen eine Perspektive zu geben.
Bei großen ausländischen Direktinvestitionen wie beispielsweise in der Rohstoffförderung sind die Beschäftigungseffekte sehr bescheiden und es werden kaum Impulse für die Entstehung von verarbeitenden Industrien geschaffen. Eine Vernetzung zwischen multinationalen Großunternehmen, einheimischen großen Unternehmen und kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im formellen und informellen Sektor bleibt oft aus. Es ist daher sinnvoll, die Entwicklung des Privatsektors stärker auf die dynamischen KMU zu konzentrieren und weniger auf Großbetriebe oder Großgrundbesitzer in Entwicklungsländern.
Unternehmen aus den Industrieländern sind derzeit der wichtigste Adressat beim Versuch der Entwicklungszusammenarbeit, Ressourcen für die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu mobilisieren. Dabei bietet die Agenda 2030 einen Referenzrahmen für eine Neuorientierung der Entwicklungspolitik, der weniger die großen Konzerne begünstigt als viel stärker einen innovativen und dynamischen Mittelstand. Hier sollten auch deutsche KMU ihr entwicklungspolitisches Potenzial für nachhaltige Entwicklung stärker nutzen. Sie könnten dafür Förderungen der Entwicklungszusammenarbeit in Anspruch nehmen, um KMU aus den Entwicklungsländern in ihre Lieferketten zu integrieren.
Dr. Pedro Morazán ist Volkswirt, gebürtiger Honduraner und arbeitet bei SÜDWIND seit 1992 als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Dort hat er zahlreiche Evaluierungen und Partnerberatungen geleitet sowie diverse Studien und Expertisen für verschiedene Auftraggeber (GIZ/BMZ, EU-Parlament, kirchliche Hilfswerke, politische Stiftungen, die Weltbank u.a.) verfasst. Themenschwerpunkte waren agrarische Wertschöpfungsketten, Ressourcenschutz, Wirtschaftsförderung, Dezentralisierung, Governance, MDG/SDG und Armutsbekämpfung.
Wirtschaft | CSR & Strategie, 01.12.2017
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2017 - Jetzt die SDG umsetzen erschienen.
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