Wirtschaft | CSR & Strategie, 01.06.2019
Ressortübergreifender Weitblick
Susanne Bergius und Heike Janßen im Interview
forum Nachhaltig Wirtschaften fragt Susanne Bergius und Heike Janßen, Vorständinnen des gemeinnützigen Netzwerks Weitblick e.V., ob Nachhaltigkeit in den Medien ausreichend und vor allem auch kompetent repräsentiert ist.
Dürfen Medien und Journalisten Visionen unterstützen oder machen sie sich dadurch mit einer Sache gemein?
Heike Janßen: Journalisten sind nicht einfach „neutrale" Beobachter, sondern haben immer auch eine Haltung. Das heißt keinesfalls, dass sie eine Ideologie verfolgen oder sich mit einer Sache gemein machen, sondern, dass sie grundlegende Werte unserer Gesellschaft ernst nehmen und diese als Leitlinien bei ihrer Arbeit beachten. Einige Medienhäuser verlangen darum bei Festanstellung eine Unterschrift unter das Bekenntnis zur freiheitlichen Demokratie und sozialen Marktwirtschaft. Der Pressekodex als freiwillige Selbstverpflichtung enthält publizistische Grundsätze und ethische Richtlinien.Susanne Bergius: Die einzunehmende Haltung bezieht sich auf den Wertekanon aus Demokratie, Freiheit, Frieden, Gleichberechtigung und Menschenrechten. Nachhaltigkeit gehört zu diesem Wertekanon als eine von der Weltgemeinschaft getragene Wertvorstellung. Journalistische Aufgabe ist es, zu erhellen, was getan oder verhindert wird, um sie zu realisieren. Gerade ihre glaubwürdige Haltung zeichnet solche Medienmacher aus, die nicht wegschauen, wenn gegen Grundwerte unserer Gesellschaft verstoßen wird, sondern die hinschauen, dies ans Licht bringen und Lösungsansätze aufzeigen.
Müssen Medien mehr Lösungen statt Probleme präsentieren?
Janßen: Hochwertiger Journalismus muss einerseits erklären, dass ökologische Bedrohungen und soziale Herausforderungen Fakten schaffen, von denen viele bald oder schon jetzt nicht mehr revidierbar sind. Und dass es notwendig ist zu handeln angesichts von Klimawandel, Artensterben, Wassermangel und Ressourcenknappheit sowie von Armut, Menschenrechtsverstößen, unwürdigen Arbeitsbedingungen, Flüchtlingsströmen oder dem demografischen Wandel.
Andererseits verlangen diese globalen Herausforderungen von Journalistinnen und Journalisten nicht, Angst zu schüren und zu verunsichern, sondern eine dauerhaft Interesse weckende, gehaltvolle und zum Handeln motivierende Berichterstattung zu leisten.
Bergius: Ihre Aufgabe ist es, Ursachen und Folgen nicht-nachhaltigen Wirtschaftens aufzuzeigen, Alternativen zu analysieren und Potenziale nachhaltigen Handelns zu erklären. Für viele Probleme gibt es kluge Lösungsansätze, die bekannter gemacht werden müssten. Hier wartet viel spannende Arbeit für kritischen und zugleich lösungsorientierten Journalismus.
Was ist die Vision vom Netzwerk Weitblick?
Bergius: Wir wollen erstens, dass Qualität und Quantität in der journalistischen Berichterstattung zu nachhaltigen Themen und zur Zukunftsfähigkeit von Gesellschaften und Ökonomien steigen. Und zweitens, dass sich das Querschnittsthema Nachhaltigkeit in allen journalistischen Ressorts und Medien breiter etabliert, so dass diese den gesellschaftlichen Diskurs stärker voranbringen – zu allen Themen, die global, national oder regional mit Menschheitsherausforderungen und Zukunftsfähigkeit zusammenhängen.
Janßen: Auf dem Weg dorthin ersuchen wir Bildungseinrichtungen, ein oder mehrere Lehrmodule zu Nachhaltigkeit systematisch in ihre Ausbildungen zu integrieren und Journalistinnen und Journalisten für alle Ressorts zu befähigen, ihrer diesbezüglichen Informationsaufgabe besser gerecht zu werden. Auf dass sie Entwicklungen kritisch und sachgerecht begleiten und vermehrt zur Diskussion und Meinungsbildung in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft beitragen. Denn Nachhaltigkeit ist kein Zustand, sondern ein Such-, Lern- und Veränderungsprozess, bei dem mehrere Wege nach Rom führen.
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3. Forum Weitblick am 28.6.2019 in Berlin
Das diesjährige Forum Weitblick befasst sich in Diskussionsrunden und Vorträgen mit drei Schwerpunkten:
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Ist das Thema Nachhaltigkeit zu komplex für Journalisten, da es sich über sehr viele Fachbereiche erstreckt?
Bergius: Nachhaltigkeit ist kein Thema, sondern ein Querschnittsthema. Da es alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche betrifft, ist es komplex. Aber dass kann kein Ausrede sein, sich nicht damit zu befassen und nicht darüber zu berichten..
Janßen: Nachhaltigkeit ist komplex, weil die einzelnen Aspekte an sich komplex sind: vertikal, weil sie Wissenschaft berühren, und Journalisten sich tief in die Themen einarbeiten müssen. Horizontal, weil es zu den meisten Problemen mehrere Lösungsansätze und auch widerstreitende Interessen gibt. Das ist aber kein Grund, zurückzuschrecken, denn erstens kann man sich Hilfe bei Experten holen und zweitens ressortübergreifend mit anderen Journalisten zusammenarbeiten, die ihr Wissen dazu einbringen können. Die unterschiedlichen Sichtweisen, Interessen und Lösungsansätze machen Nachhaltigkeitsfragen spannend für die Berichterstattung, weil sie Diskussionen auslösen.
Ist es dann der Zeitdruck, der anständige Recherchen und eine saubere Aufbereitung verhindert?
Janßen: Zeitdruck und schlechte Bezahlung sind Faktoren, die Journalismus insgesamt schwächen und viele Berichte angreifbar machen. Es ist wichtig, dass sowohl Medienhäuser Recherche angemessen honorieren, auch wenn mal nichts dabei herauskommt, und dass die „Kunden" verstehen, dass gute Informationen Geld kosten, genauso wie gute Kleidung oder gutes Essen.
Bergius: Und einzelne Medien zeigen, dass sich die Investitionen in tiefgründige Recherche lohnt: Die Leser honorieren spannende Bericht und Analysten über Zielkonflikte und Lösungsansätze und erfolgreiches Überwinden von Hürden und Gegenwind – oder wie im Ausland Herausforderungen anders angegangen werden als hierzulande.
Ist Berichterstattung über Nachhaltigkeit etwa gar nicht gewünscht, weil es den wirtschaftlichen Interessen der Verlage entgegenläuft?
Janßen: Das kann man nicht verallgemeinern, genauso wie es gute und schlechte Journalisten gibt, existieren auch Verlage, denen es nicht um guten Journalismus und objektive Information sondern um Gewinn und/oder Propaganda geht. Darum sind mündige Mediennutzer wichtig.
Stellen die Verlage selbst sich dem Thema CSR und auch nachhaltig Wirtschaften?
Bergius: Es gibt einzelne Verlage und Medienhäuser im In- und Ausland, die sich schon länger und teils intensiv mit Betriebsökologie und vernünftigen Arbeitsbedingungen befassen. Aber es sind wenige. Manchmal scheint es so zu sein, dass Journalistinnen und Journalisten bei solchen Verlagen stärker Nachhaltigkeitsaspekte bei ihrer Berichterstattung berücksichtigen. Aber es gibt auch gegenteilige Beispiele.
Entsteht ein neuer Typus von Journalist/in?
Janßen: Über Nachhaltigkeit zu berichten, creiert keinen neuen Typus von Journalismus. Das ist auch nicht unser Thema. Wohl gibt es einen Trend zu kritisch-lösungsorientiertem Journalismus, der nicht nur kritisch über Fakten und Entwicklungen berichtet, sondern bei Problemen auch über Lösungsansätze, die tatsächlich existieren, über die aber vielfach nicht berichtet wird.
Frau Janßen, Frau Bergius, wir bedanken uns für das Gespräch und Ihr Engagement in Sachen Nachhaltigkeit in der journalistischen Berichterstattung.
Heike Janßen, Bildungsvorständin des Netzwerks Weitblick, ist Nachrichtenredakteurin und freie Journalistin, sowie zertifizierte Trainerin für Journalisten und Journalistinnen in Afrika und Osteuropa.
Susanne Bergius, ehrenamtlich geschäftsführende Vorstandsvorsitzende des Netzwerks Weitblick, ist selbständige Journalistin und Moderatorin für nachhaltiges Wirtschaften und Investieren.
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2019 - Afrika – Kontinent der Entscheidung erschienen.
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