Technik | Mobilität & Transport, 01.06.2019
Kein Rad ab beim rad°hub
BMW-Vorstand Peter Schwarzenbauer im Interview
Die Autoindustrie sucht nach einem neuen Selbstverständnis und neuen Geschäftsmodellen. Verwöhnt von fetten Jahren und erschüttert von Abgasskandalen ringt man um eine neue Identität. Eine wegweisende Initiative der BMW Group zeigt den Versuch, den fälligen Kulturwandel einer Branche im Umbruch proaktiv zu gestalten. forum besuchte den rad°hub in Rotterdam und sprach mit dem Initiator, BMW-Vorstand Peter Schwarzenbauer.
Herr Schwarzenbauer, man sagt über Sie, Sie hätten den coolsten Job in der Autobranche – warum?
Ja, das stimmt. Mein Job ist deswegen so spannend, weil er eine enorme Bandbreite an sehr unterschiedlichen Themen abdeckt. MINI als holistische Lifestyle-Marke gehört ebenso zu meinem Ressort wie die absolute Luxusklasse von Rolls-Royce sowie BMW Motorrad mit der pursten Form der Freude am Fahren. Neben dem klassischen Geschäft beschäftige ich mich aber auch mit neuen Geschäftsmodellen, wie Mobilitätsdienstleistungen, Digitalen Services oder Innovationen an der Schnittstelle zu unseren Kunden. Mein Job vereint also das Beste aus mehreren Welten.
Wie kamen Sie auf die Idee zu einem rad°hub?
Wir wollten einen intensiveren Dialog mit unterschiedlichen Meinungsbildnern führen und uns auch als Unternehmen stärker öffnen. Deshalb haben wir zu unserem 100-jährigen Firmenjubiläum das Format des rad°hub aufgesetzt. Wir nutzen diesen kreativen und durchaus manchmal auch kritischen Austausch, um neue Perspektiven zu gewinnen und unsere innovativen und zukunftsweisenden Produkte und Services zu optimieren.
Was bedeutet der Name rad°hub?
Der Name rad°hub besteht aus drei Teilen und symbolisiert für uns den Charakter des Formats. Es geht uns generell um Mobilität. Und dafür steht natürlich wie nichts anderes das Rad, und mit dem Radians (°) auch die Geschwindigkeit, genauer gesagt die aus dem All gemessene Winkelgeschwindigkeit der Erde. Mit Hub ist ein Knotenpunkt gemeint, an dem Menschen für eine bestimmte Zeit zusammenkommen, um sich auszutauschen.
Was waren für Sie bisher die wichtigsten Lessons Learned? Und wie geht es weiter?
Mich hat auf den rad°hub-Veranstaltungen am meisten beeindruckt, wie viel dabei herauskommt, wenn man ganz unterschiedliche Influencer mit individuellen Schwerpunkten und Perspektiven zusammenbringt.
Indem wir uns gemeinsam Gedanken über wichtige Fragestellungen der Mobilität und Gesellschaft von morgen machen, entsteht ein breites Bild mit ganz unterschiedlichen Facetten, das wir gemeinsam weiterentwickeln. Diesen Austausch wollen wir künftig noch stärker in unser Unternehmen tragen.
In Rotterdam haben Sie ein Manifest unterzeichnet, das ungewöhnlich für einen Autokonzern ist. Wie werden sich die Lessons Learned und das Manifest auf Ihr Handeln und Ihre Projekte im Konzern auswirken? Was sind die nächsten Schritte?
Mit dem Angebot von nachhaltigen und nahtlos integrierten Mobilitätsdienstleistungen wollen wir das Mobilitätsverhalten im urbanen Raum verändern und für mehr Lebensqualität in den Städten sorgen. Das gelingt nur im Schulterschluss mit den Metropolen. Die Stadt Rotterdam hat eine ausgeprägte Zukunftsorientierung. Wir freuen uns daher darauf, gemeinsam im Makers District unsere Vorstellungen für einen holistischen Ansatz der Mobilität von morgen zu testen.
Können Sie dafür auch das Board, die Vorstandskollegen und die Mitarbeiter sowie die Owner / Shareholder begeistern? Wo sehen Sie hier die größte Herausforderung?
Ja natürlich – wir sind uns alle bewusst, dass sich unsere Branche gerade im wohl größten Umbruch ihrer Geschichte befindet. Unsere Kunden erwarten von uns heute viel mehr als nur ein Premium Fahrzeug. Sie wollen Mobilität, die leicht zugänglich und nachhaltig ist. Und sie erwarten eine optimale Einbindung ihrer digitalen Lebenswelt in ihr Fahrzeug. Daher beschäftigen wir uns mit Themen wie Elektromobilität, dem autonomen Fahren, aber auch mit der Digitalisierung in all ihren Facetten.
Ist dazu aus Ihrer Sicht ein „cultural shift" im Unternehmen nötig?
Für uns ist ein kultureller Wandel maßgeblich, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig und für unsere Kunden relevant zu bleiben. Gemeinsam mit unseren Mitarbeitern haben wir dazu Ziele definiert, unsere Werte geschärft und verschiedene Initiativen ins Leben gerufen. Sie erlauben uns teamorientiertes, unternehmerisches und rasches Handeln in einer zunehmend digitalen und schnellen Zeit, in der Flexibilität und ein hohes Maß an Wettbewerbsfähigkeit gefragt sind.
Wie schwer ist für einen Konzern dieser cultural shift und wie könnte dieser erfolgen / organisiert werden?
Ein erfolgreicher cultural shift lebt davon, dass er von den Mitarbeitern unterstützt und getragen wird. Daher ermutigen wir unsere Mannschaft dazu, Vorschläge zu machen und Initiativen ins Leben zu rufen, wie sie sich diesen Wandel vorstellen und wie sie ihn leben wollen. Ich bin beeindruckt davon, wie tatkräftig und begeistert unsere Mitarbeiter diesen Wandel unterstützen. Dieses Engagement zeigt mir, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Aber ein solcher Wandel braucht Zeit. Die Initialzündung ist erfolgt, jetzt gilt es, das Thema durch das gesamte Unternehmen zu tragen.
Was ist die Existenzberechtigung / der Wertebeitrag der BMW Group in der Gesellschaft von morgen?
Mobilität ist ein Grundbedürfnis der Menschen, dessen Bedeutung in Zukunft eher noch wachsen wird. Unser Ziel war und ist es, unseren Kunden ein optimales, individuelles, nachhaltiges Mobilitätsangebot zu machen. Das gilt heute nicht mehr nur für unsere Produkte, sondern auch für unsere Dienstleistungen und Services.
Entstehen daraus neue, zukünftige Geschäftsfelder für einen Mobilitätskonzern?
Ja, definitiv. Die Menschen haben heute ein ganz anderes Mobilitätsverhalten. Heute kauft nicht mehr jeder ein eigenes Fahrzeug. Viele Menschen, gerade im urbanen Bereich, nutzen Sharingangebote oder kombinieren verschiedene Verkehrsmittel. Hier spielt weniger der Fahrzeugbesitz eine Rolle, als vielmehr der Zugang zu Mobilitätsangeboten. Die intelligente Verbindung von Mobilität und Energiewirtschaft schafft ebenfalls Raum für neue, vernetzte Geschäftsmodelle. Schaut man noch ein wenig weiter in die Zukunft, werden autonome Flotten den nächsten Impuls setzen.
Wie hat sich der rad°hub auf Ihr persönliches Verhalten / Engagement ausgewirkt?
Der Austausch mit kreativen, innovativen Menschen, wie es die rad°hub-Teilnehmer sind, bestärkt mich darin, Themen immer wieder aufs Neue weiterzudenken, out of the box an Problemstellungen heranzugehen und ungewöhnliche, neue Wege zu gehen.
Die Szenarios in Rotterdam waren sehr hoffnungsfroh. Teilen Sie den positiven Blick nach vorn bzw. welchen Wunsch haben Sie an die Zukunft?
Ich persönlich blicke zuversichtlich in die Zukunft. Nur mit einer positiven Grundeinstellung kann man Dinge auch angehen und verändern. Und wir können an vielen Themen ansetzen, um für mehr Lebensqualität zu sorgen. Jeder auf seine Weise. Das spornt mich an.
Peter Schwarzenbauer hat mehr als 30 Jahre Erfahrung mit internationalen Premium Automobilmarken. Er ist als Mitglied des Vorstands der BMW AG verantwortlich für die Themen MINI, Rolls-Royce, BMW Motorrad sowie die Bereiche Kundenerlebnis und Digital Business Innovation BMW Group. Schwarzenbauer genießt die Herausforderung seines breiten Verantwortungsbereichs.
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2019 - Afrika – Kontinent der Entscheidung erschienen.
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