Meditation und Moneten
Bullen, Bären und Finanz-Haie beim „Mindful Finance Walk“
Die Beschreibung der allgemeinen Lage in der Finanzwirtschaft startet am Bärengehege: „Vieles ist schiefgelaufen im Banking. Nachhaltigkeit und Verantwortlichkeit gehörten lange Zeit nicht gerade zum Führungscredo der Bankmanager." Friedhelm Boschert beginnt mit diesen Worten seinen ungewöhnlichen „Mindful Finance Walk" nicht ohne Zufall hier. Bulle und Bär, die weltweit benutzten Symbole der Börsen, lassen grüßen. Sie sind Symbole einer Branche, die mit ihrem Gebaren die Welt an den Rand des Abgrundes zu manövrieren droht. Doch Friedhelm Boschert, Gründer des „Mindful Finance Institute", hält ein Zauberwort dagegen: Achtsamkeit. Diese ist aus seiner Sicht einer der wirksamste Transformationsansätze – im Finanzbereich und generell in der Wirtschaft.
„Mit Achtsamkeit lernen Sie, Ihre Aufmerksamkeit zu lenken, schaffen es damit aus alten Denkmustern und gewohnten Emotionen herauszutreten. Erst so sind Sie in der Lage, tief zu reflektieren, Werte zu erkennen und Veränderungen anzugehen." Genau darauf baue sein Mindful-Finance-Ansatz.
Ob denn der Finanzbereich für solche Veränderungen überhaupt offen und bereit sei, fragt eine Teilnehmerin kritisch. Boschert sagt, er sehe bei den Banken einen hohen Leidensdruck, hervorgerufen durch schlechtes Image, Ängste, hohe Mitarbeiterunzufriedenheit und Perspektivlosigkeit. Dieser Leidensdruck sei groß genug, dass sich auch die Banken an neue Lösungsansätze heranwagen.|
Achtsamkeit in Wirtschaft und Finanzen
Die Wirkungen von Achtsamkeit wurden bislang in mehr als 4.000 wissenschaftlichen Studien untersucht. Hier findet sich unter anderem der wissenschaftliche Nachweis, dass sich Achtsamkeitspraktiken auf Hirnregionen auswirken, die mit Wahrnehmung, Körperbewusstsein, Schmerztoleranz, Emotionsregulation, Introspektion, komplexen Denkprozessen und Selbstgefühl zusammenhängen. Dies bestätigt auch eine Auswertung von über 20 Studien, die von einem Team von Wissenschaftlern der University of British Columbia und der Technischen Universität Chemnitz im Februar 2015 im Harvard Business Manager veröffentlicht wurde.
Große Unternehmen wie BOSCH, AUDI, SAP, Thyssen u.a. haben inzwischen das Training von Achtsamkeit nicht nur in die Gesundheitsprogramme, sondern auch in die Personal- und Führungsentwicklung integriert. Nach einer Schulung von über 5.000 Mitarbeitern berichtete ein Unternehmen im Januar 2018: „Für SAP bringen achtsame Mitarbeiter konkrete Vorteile: Teamfähigkeit und Mitarbeiterzufriedenheit steigen, die Fehlzeiten sind zurückgegangen."
Die meisten Achtsamkeitsprogramme in Unternehmen basieren auf dem MBSR-Ansatz des Harvard-Molekular-Biologen Jon Kabat-Zinn. International führend in der arbeitsplatzbezogenen Achtsamkeitsforschung ist unter anderem das Oxford Mindfulness Center mit Prof. Mark Williams. In Deutschland forschen u.a. die Neurowissenschaftler Tanja Singer, Niko Kohls und Ulrich Ott an Meditation und deren Wirkungen auf Gehirn und Verhalten.
Einer der führenden europäischen Anbieter in unternehmensbezogenen Achtsamkeitsprogrammen ist die Kalapa Leadership Academy Köln/London, die die Wirkungen ihrer Programme in Unternehmen auch wissenschaftlich untersucht (u.a. in „Frontiers in Psychology", Februar 2018).
Beachtung findet inzwischen die Verbindung von Achtsamkeit und Entscheidungsfindung von Managern, vor allem in Hinblick auf CSR und verantwortliches Verhalten. Eine von der Europäischen Union in Auftrag gegebene Studie fand schon vor zehn Jahren, dass Meditation einen wesentlichen Einfluss auf ethisches Verhalten hat (siehe hierzu die sog. RESPONSE-Studie unter Führung der renommierten INSEAD Business School: „Auf Introspektion beruhende Lernmethoden veränderten das verantwortliche Verhalten gravierender als herkömmliche Lernmethoden, vor allem die Reflektion von Werten"). Die Neurowissenschaften beschäftigen sich auch mit der Verbindung von Geld und Gehirn. Siehe hierzu Studien, unter anderen des Zukunftsinstituts Frankfurt und Wien.
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von Fritz Lietsch
Friedhelm Boschert hat für genossenschaftliche Banken gearbeitet, zuletzt als Vorstandsvorsitzender eines Banken-Netzwerks in Osteuropa. Als ausgebildeter Lehrer in Achtsamkeit und Meditation gründete er gemeinsam mit Kollegen aus Deutschland und Amerika in Oxford das „Mindful Finance Institute". Heute versucht er, diese beiden unterschiedlichen Welten zu verbinden.
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2019 - Time to eat the dog erschienen.
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