Umwelt | Biodiversität, 01.03.2019
Stubentiger unter Verdacht
Katzen als Bedrohung für Salamander, Libelle und Rotkehlchen
Schnurrend sitzt sie auf dem Sofa, fast wie ein drapiertes Kuscheltier. Doch kaum geht die Terrassentür auf, wird sie zum schleichenden Killer... forum sprach mit Dr. Klaus Hackländer, wie gefährlich Katzen wirklich für die heimische Fauna und Artenvielfalt sind.
Herr Hackländer, wann und wie entwickelte sich die Katze vom Wild- zum Haustier?
Die in unseren Breiten vertretene Hauskatze stammt nicht von der europäischen Wildkatze ab, sondern wahrscheinlich von der libyschen Falbkatze aus Nordafrika. Sie hat, wie viele andere fleischfressende Arten auch, irgendwann Kontakt zu Menschen gesucht, sozusagen um als Mitesser Abfälle zu nutzen, die der Mensch nach Fleischverzehr übrig gelassen hat. Man hat sie auch freudig in den Dörfern aufgenommen, weil sie in Wohnräumlichkeiten und vor allem Lagerstätten für Lebensmittel Schädlinge wie Mäuse und Ratten kurz halten. Wann genau das war, weiß man nicht, aber man vermutet circa ein paar tausend Jahre vor Christus.Erst viel später wurde sie vom reinen Nutztier zum Haustier. Doch bereits aus dem späten Mittelalter und der Renaissance gibt es schöne Darstellungen von der neuen Beziehung zwischen Mensch und Tier. Diese gewann im Bürgertum des 19. Jahrhunderts weiter an Popularität. Heute ist die Katze weniger als Nutztier denn als Schmusetiger und Wohnungsgefährte gefragt.
Trotzdem soll die Hauskatze Auswirkungen auf unsere heimische Fauna haben?
Das wird in den letzten Jahren ziemlich stark diskutiert, weil viele der Katzen Freigänger sind. Sie sind also nicht den ganzen Tag im Haus oder in der Wohnung, sondern auch draußen unterwegs. Das bedeutet natürlich für so eine Art, die sich von Fleisch ernährt und einen Jagdtrieb hat, dass sie die Beute auch außerhalb des Futternapfes sucht. Selbst wenn sie satt ist, hat sie immer noch den Jagdtrieb und tötet Tiere, die in unmittelbarer Nähe dieser Wohnung oder des Hauses sind. Das sind sowohl Libellen, die sie aus der Luft fangen möchte, aber auch Vögel oder eben Kleinsäuger. Es gibt sehr viele Studien weltweit, die belegen, welchen Einfluss das haben kann. Das ist nicht nur ein Artenschutzproblem, sondern auch Tierschutzproblem, weil der Tötungsakt meist ein langer Prozess ist, der als Qual bezeichnet werden könnte. Wie viele Tiere durch die Hauskatze getötet werden, ist schwer zu beziffern. Nicht jede Beute landet auf der Fußmatte vor der Haustür. Kleinere Beute wird gleich verschluckt, zum Beispiel Insekten, andere vielleicht liegen gelassen, gerade wenn es ein Vogel ist.
Untersuchungen, für die Katzen ein Halsband mit installierter Kamera tragen, zeigen, wo sie tatsächlich unterwegs waren und was sie bei ihren Streifgängen gemacht haben. Diese belegen aber nur Einzelfälle und es ist schwierig, diese Zahlen hochzurechnen auf die gesamte Katzenanzahl im Land. Hinzu kommt, dass wir gar nicht wissen, wie viele Katzen wirklich draußen unterwegs sind. Denn neben den Freigänger, gibt es auch wirklich verwilderte Hauskatzen. Wir tappen hier zwar im Dunkeln, haben aber starken Grund zur Annahme, dass Katzen gerade in besiedelten Bereichen einen sehr großen Einfluss auf die ohnehin schon unter Druck stehende Tierwelt haben.
In den Medien wird die Katze als eine der hundert invasivsten Arten weltweit beschrieben, stimmt das?
Invasiv ist eine Art immer dann, wenn sie gebietsfremd ist und negativ auf ein Ökosystem wirkt. Durch den Menschen gelangte die Katze überallhin. Denken Sie an Inseln, auf denen flugunfähige Vögel leben. Neuseeland beispielsweise gibt Unmengen an Geld aus, um die Katze zu bekämpfen und damit die Biodiversität zu schützen.
Gibt es seitens des Gesetzgebers Bemühungen, um den Effekt zu regulieren?
Es gibt eine gesetzliche Einschränkung, und die ist in einigen Jagdgesetzen verankert. Wenn die Katze außerhalb einer Ortschaft angetroffen wird, dann muss der Jagdaufseher das Tier töten. Das wird aber aus verständlichen Gründen nicht rigoros durchgeführt. Eine andere Möglichkeit wäre, die Katze lebend zu fangen, dem Besitzer zurückzubringen und diesen aufzuklären. Aber durch die oft fehlende individuelle Markierung, wie zum Beispiel das Chippen, sind solche Katzen nicht zuzuordnen.
In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel wurde das Töten durch Novellierung des Jagdgesetzes verboten. Das heißt, die Jagdausübungsberechtigten fangen die Katzen mit Lebendfallen und bringen sie ins Fundamt. Diese quellen über, und es wird deutlich, wie relevant das Problem eigentlich ist.
Was in jedem Fall schwierig ist, ist die Freigänger nicht mehr rauszulassen. Ist die Katze einmal an den Freigang gewöhnt, wird sie jede Gelegenheit nutzen, rauszukommen und ihrem Trieb nachzugehen.
Eine andere Möglichkeit ist die Reduktion der Individuen insgesamt. Was man diskutiert, neben der Markierungspflicht, ist die Kastration der normalen Hauskatze, um eine weitere Vermehrung zu vermeiden. In Österreich gibt es diese Pflicht bereits, aber die Implementierung ist schwierig. Denn wo kein Kläger, da kein Richter.
Was ist Ihre Empfehlung für mögliche Maßnahmen, um die negativen Effekte der Katzenhaltung abzupuffern?
Es gibt zum Beispiel die Idee, dass man Katzen eine kleine Glocke umhängt, damit sie offensichtlicher für ihre Beute sind. Das ist die günstigste Lösung. Die Beutezahl wird auch reduziert und aber dafür löst sie bei den Beutetieren erhöhten Stress aus. Das wirkt sich direkt auf deren Wohlbefinden aus, somit aber auch indirekt auf die Krankheitsresistenz oder etwa die Reproduktionsrate dieser Tierarten.
Um das Jagdverhalten einzudämmen, hilft auch die Kastration. Die Tiere werden ein bisschen gemütlicher. Ansonsten kann man nicht viel machen.
Das Einzige was wirklich hilft, ist die Anzahl der Katzen zu reduzieren, das ist auch die Forderung von Tierschutzverbänden.
Dr. Klaus Hackländer ist Universitätsprofessor für Wildtierbiologie und Jagdwirtschaft an der Universität für Bodenkultur Wien. Er leitet dort das Department für Integrative Biologie und Biodiversitätsforschung. Sein Fachgebiet umfasst die Ökologie und das Management von Säugetieren.
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2019 - Time to eat the dog erschienen.
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