Alexander Holst
Wirtschaft | Führung & Personal, 01.01.2019
Was bedeutet New Work für den deutschen Mittelstand?
Die Zukunft ist geprägt von ökologischer und sozialer Verantwortung
Diesen Beitrag von Alexander Holst, Rouven Fuchs, Dr. Yasemin Yazar und Patrick Specht, Accenture Strategy, finden Sie im B.A.U.M.-Jahrbuch 2019 - New Work.
Mit dem technologischen Wandel verändert sich unsere Arbeitswelt auf vielfältige Weise: Industrien konvergieren, Arbeitsabläufe werden von Grund auf neu gedacht und das Wettbewerbsumfeld verändert sich teilweise disruptiv. Digitale Technologien wie Künstliche Intelligenz ermöglichen und erfordern ein neues Modell der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine, was dazu führt, dass sich die Anforderungen an und gleichzeitig die Erwartungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an die Arbeit ändern. In einer aktuellen Accenture-Studie gaben 84 Prozent der befragten Arbeitnehmer an, von den Auswirkungen digitaler Technologien auf ihren Job begeistert zu sein; 66 Prozent zeigten sich überzeugt, dass digitale Technologien die Qualität ihrer Arbeit verbessern werden. Dieser positive Ausblick auf die neue Arbeitswelt stimmt optimistisch; eine chancenreiche zukünftige Arbeitswelt erfordert aber, insbesondere für den deutschen Mittelstand, Anpassungsfähigkeit an schnelle Entwicklungen.Diskrepanz zwischen geforderten und vorhandenen Kompetenzen der Mitarbeitenden
Neue Technologien in Kombination mit sich verändernden Kundenerwartungen führen zu Verschiebungen innerhalb der Wertschöpfungskette, vor allem in produzierenden Industrien: Indem die Automatisierung kontinuierlich fortschreitet, gibt es immer mehr Bereiche, in denen neue Technologien umfassende Produkt- und Prozessinnovation ermöglichen. Diese Veränderungen in Kombination mit anderen ökonomischen Trends verschieben die geografische Nachfrage nach Arbeitsplätzen: Ursprünglich aus Kostengründen ausgelagerte Produktionsarbeit in Niedriglohnländer wird zurückverlagert. Laut einer Studie von Accenture in Zusammenarbeit mit dem Weltwirtschaftsforum in Davos könnte sich die Nachfrage nach Arbeitskräften wegen des Fokus auf maßgeschneiderte, kundenorientierte Produkte und ein steigendes Serviceniveau in einigen Bereichen der Wertschöpfungskette um bis zu 39 Prozent erhöhen. Viele Unternehmen in den hoch entwickelten Ländern können bereits heute den Bedarf an Facharbeitskräften nicht decken. Während im Zuge der Automatisierung weiterhin punktuell Arbeitsplätze verloren gehen werden und die Angst vor einer technologiegetriebenen Arbeitslosigkeit steigt, entstehen vor allem in den Bereichen Innovation und Design neue Arbeitsplätze. Somit besteht für Unternehmen in Zukunft die Herausforderung darin, notwendige Veränderungen in der Belegschaftsstruktur zu antizipieren, um der Diskrepanz zwischen heutigen und künftig erforderlichen Fähigkeiten proaktiv und rechtzeitig über Personalentwicklungsmaßnahmen zu begegnen.
Was bedeuten die globalen Trends für den deutschen Mittelstand?
Digitale Entwicklungen beeinflussen die heutigen und zukünftigen Berufsbilder, von denen rund 60 bis 80 Prozent durch die Digitalisierung verändert werden. Ein Mangel an Facharbeitern sowie eine Arbeitnehmerschaft, die teilweise um ihre Jobs fürchtet (28 Prozent der Arbeitnehmer ohne Bildungsabschluss), verleitet in einigen Industrien dazu, Jobs zu sichern, anstatt sich mit gezielten Maßnahmen auf die grundsätzliche Beschäftigungsfähigkeit und -relevanz („employability") der Mitarbeitenden zu fokussieren. Accenture identifizierte in einer groß angelegten Studie sechs Kompetenzfamilien, die für die Arbeitswelt der Zukunft am wichtigsten sind: Beschäftigungsfähigkeit, technologische Fertigkeiten, Kooperation, Kreativität und Problemlösung, Wachstumsdenken sowie fachliche Qualifikation und Spezialisierung für die Jobs der Zukunft. Diese Herausforderungen betreffen den Mittelstand in gleichem Maße wie Großunternehmen. Ein einzelnes Unternehmen des deutschen Mittelstands kann diese Herausforderungen jedoch nicht alleine meistern. Vielmehr bedarf es eines Zusammenspiels aus Wirtschaft, Staat und Zivilgesellschaft, um Lösungen zu entwickeln, die bereits durch die Schulbildung vorbereitet werden müssen. In diesem Zusammenhang fällt in Diskussionen mit Vertretern von Gewerkschaften, Universitäten und Unternehmen sowie mit Regierungsvertretern immer wieder der Begriff des lebenslangen Lernens. Das heutige föderale, staatliche Schulsystem in Deutschland ist teilweise immer noch nicht darauf ausgelegt, der nächsten Generation die Fähigkeit des kontinuierlichen Lernens zu vermitteln. Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen, wenn man bedenkt, dass diejenigen, die heute in den Arbeitsmarkt eintreten, im Verlauf ihres Arbeitslebens voraussichtlich bis zu fünf neue Jobs erlernen müssen.
Die Zukunft ist geprägt von ökologischer und sozialer Verantwortung
Die digitale Veränderung bereitet den Unternehmen nicht nur Probleme, sondern bietet auch neue Möglichkeiten, die kommenden Herausforderungen zu meistern. So können Unternehmen computergestützt prognostizieren, welche Fähigkeiten sie wann und wo benötigen und in der Mitarbeiterentwicklung moderne Lernformate erproben. Dabei gilt es nicht nur, neue Fähigkeiten zu entwickeln, sondern auch, die Mitarbeiter zu binden. Dies geschieht, indem man Herausforderungen bietet und die Kommunikation und Führung an die veränderten „Empfänger” anpasst. Insbesondere gut qualifizierte Millennials brauchen Herausforderungen und ein neues Arbeitsumfeld. Hier spielt auch der Begriff „Purpose" eine Rolle. Mitarbeiter, aber auch Kunden und Lieferanten, wollen einen sinnstiftenden, motivierenden „Purpose" in einem Unternehmen, einer Marke oder einem Produkt erkennen, der hilft, relevante menschliche Herausforderungen zu meistern – oft verbunden mit ökologischen oder sozialen Aspekten wie dem Klimawandel, Ressourceneffizienz oder der Verbesserung der menschlichen Gesundheit. Accenture Strategy hatte die DAX 30 Unternehmen zu ihrem „Daseinszweck" (Purpose) untersucht und dies festgestellt.
Aber für die gut qualifizierten Millennials geht es auch ganz konkret darum, kundenzentrierte Methoden wie zum Beispiel Design Thinking anzuwenden. Dieser iterative Ansatz ist beim Start von Initiativen viel entscheidender, als nach Perfektion zu streben, denn man übt dabei zu testen, zu lernen, schnell zu scheitern und daraus schrittweise Erkenntnisgewinne für den gesamten Innovationsprozess zu ziehen.
Zukunftsfähige Führungskompetenzen sind gefragt
Die digitalen Veränderungen stellen aber nicht nur neue Anforderungen an die Mitarbeitenden, sondern viel mehr noch an die Führungskräfte und die Personalabteilung. Die Fähigkeit, eine Organisation durch andauernde Veränderungen zu steuern, die Individualisierung der Mitarbeiterführung, das Führen multidisziplinärer Teams, datenbasierte Entscheidungsfindung, die Einbindung der Belegschaft in Innovation – all dies sind Themen, mit denen sich Führungskräfte künftig verstärkt beschäftigen müssen. Die bestehende Belegschaft kann durch den Aufbau von Ressourcennetzwerken zur schnellen Skalierung und Umsetzung von Projekten unterstützt werden – beispielsweise durch ein Netzwerk von freien Mitarbeitern, durch strategische Partnerschaften oder die Kooperation mit Partnerunternehmen und Forschungsinstituten. Auch gilt es für die Personalabteilungen, sich im Kontext von „Purpose" stärker mit den Aspekten der unternehmenseigenen Corporate Responsibility oder Nachhaltigkeitsstrategie auseinanderzusetzen.
Zusammenfassend bedeutet New Work für den deutschen Mittelstand: die Ausbildung agiler und anpassungsfähiger Mitarbeitender, eine auf Fakten basierende Planung für eine unsichere Zukunft, die Förderung der Mitarbeiterentwicklung sowie eine stärkere Verbindung zwischen Personal- und CR-/Nachhaltigkeitsabteilung. Während diese Maßnahmen unmittelbar die aktive Arbeitnehmerschaft betreffen, beinhaltet eine umfassende Lösung die Umsetzung von zukunftssicheren Bildungssystemen und die Übernahme einer gemeinsamen sozialen Verantwortung.
Alexander Holst leitet den Bereich Strategy & Sustainability und unterstützt Klienten bei der Entwicklung und Umsetzung von innovativen und zukunftsorientierten Geschäftsmodellen an den Schnittstellen Strategie, Technologie, Mobilität, Energie und Stadt.
Rouven Fuchs leitet den Bereich Human Capital Strategy & Organization Transformation. Er ist spezialisiert auf strategische Personal- und Organisationsentwicklungsthemen und leitet eine von Accenture‘s globalen „Workforce of the Future"-Initiativen mit dem Weltwirtschaftsforum.
Dr. Yasemin Yazar und Patrick Specht arbeiten im Bereich Personal und Organisationsentwicklung zu den Themen agile und digitale Organisationsformen und Bewertung der Unternehmensagilität.
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