Siegel für nachhaltige und ethische Geldanlagen
Wirkung ist wichtiger als Inhalt
Diesen Beitrag von Jörg Weber, ECOreporter.de AG, finden Sie im B.A.U.M.-Jahrbuch 2018 – Nachhaltiges Investieren.
Springt ins Auge, ist leicht erfassbar, vermittelt Seriosität, hält jeder Nachprüfung stand und erleichtert den Menschen die Entscheidung – das sollte ein gutes Siegel leisten. Auch eines für nachhaltige Geldanlagen. Doch Investments sind Produkte eigener Art, und sobald es nicht nur um Zinsen und Laufzeiten geht, sondern um Sinn, Ethik, Ökologie und Soziales, wird es diffi zil. Auch für Siegel. Nachhaltiges oder ethisches Investment bietet die Möglichkeit, Rendite und (persönliche) inhaltliche Vorstellungen zu vereinbaren. Während man die Begriffe Investment oder Geldanlage nicht defi nieren muss, gibt es bei Nachhaltigkeit und Ethik Klärungsbedarf: Sind Investments in Autokonzerne pauschal nicht nachhaltig? Und Investments in Gentechnik nicht ethisch? Die Meinungen gehen hier auseinander. Nachhaltigkeit, Ökologie oder Corporate Social Responsibility lassen sich nicht präzise fassen, und das hat für Siegel vor allem eine Konsequenz: Es geht nicht darum, bei der Geldanlage eine bestimmte Nachhaltigkeit oder Ethik zu verteidigen. Nicht das Siegel darf bestimmen, ob Aktien von Unternehmen, die Tierversuche durchführen, nachhaltig oder ethisch sind – das sollte der Anleger für sich entscheiden. Vielmehr ist es Aufgabe eines Siegels, dem Nutzer zu zeigen, ob die Ethik oder Nachhaltigkeit, die ein Anbieter verspricht, auch eingehalten wird.
Wirkung ist wichtiger als Inhalt
Wer ethisch, ökologisch oder nachhaltig investiert, will in der Regel eine bestimmte Wirkung seiner Geldanlage hervorrufen. Bei Aktien, Anleihen oder Direktbeteiligungen können Anleger noch direkt entscheiden, in welche Unternehmen sie investieren. Bei ethischen bzw. ökologischen Sparbriefen, Sparkonten und Festgeldern sollen die eingezahlten Gelder als zweckbestimmte Kredite für umwelt- und sozialverträgliche Projekte vergeben werden. Nachhaltiges oder ethisches Investment legt also neben dem klassischen Anlagedreieck Sicherheit, Liquidität und Rendite Wert auf den Charakter bzw. die Wirkung der Geldanlage. So wird aus dem Dreieck ein Viereck – wobei an der vierten Ecke verschiedene Begriffe stehen können, von Ethik bis Nachhaltigkeit, von CSR bis ESG.
Wer nur nach der Rendite einer Geldanlage fragt, wird sich wenig dafür interessieren, wie sein Geld in der realen Welt wirkt. Baut jemand damit Kinderspielzeuge oder Handfeuerwaffen? Nimmt ein Unternehmen den Kredit in Anspruch, das Mitarbeiter und Kunden schlecht behandelt, oder bietet das Geld dem Gemüsebauern am Stadtrand neue Chancen? Die erfolgreiche Arbeit seiner Bank kann der Kunde vielleicht an der Höhe seiner Zinserträge messen, doch immer mehr Menschen reicht das inzwischen nicht mehr. Sie wollen wissen, was mit ihrem Kapital an Verwandlungsmöglichkeiten freigesetzt wird – und sie wollen darüber mitentscheiden. Ein Siegel muss daher die Wirkung der Geldanlage im Auge haben, nicht nur ihr fi nanzielles Ergebnis. „Wie" eine Rendite zustande kommt, ist für ethisch orientierte Anleger wichtig. Ein Siegel sollte also nicht nur belegen, was in einem Finanzprodukt steckt, sondern auch, welche nachhaltige oder ethische Wirkung – jenseits der Finanzen, beispielsweise beim Klimaschutz – das Geld der Anleger entfaltet.
Greenwashing ist nicht siegelwürdig
Ein wirksames Siegel sollte die Anleger vor eklatanten Widersprüchen zwischen der Produktbezeichnung und den Produktinhalten schützen. „Klimawandel-Fonds" z.B. suggerieren dem Verbraucher durch Produktnamen und Werbung, dass er durch sein Investment dazu beiträgt, den Klimawandel aktiv zu stoppen oder zu verlangsamen. In den Fonds sind in der Regel Aktien enthalten. die an der Börse gekauft und verkauft werden, es ist ein Geschäft zwischen Aktienverkäufer und Käufer. Außer bei den seltenen Fällen von Kapitalerhöhungen fl ießt kein Geld direkt in Unternehmen, die klimaschonende Produkte herstellen. Ein Siegel für nachhaltige oder ethische Geldanlagen sollte auch darauf hinweisen, wenn versprochener und tatsächlicher Inhalt eines Produkts voneinander abweichen. Wenn die Fondsunterlagen z.B. versprechen, keine Aktien von Unternehmen zu kaufen, die an Rüstung verdienen, dann sollte der Fonds das auch einhalten. Ob er das tut, kann der ethische Anleger in der Regel jedoch kaum nachvollziehen. Landminenproduzenten etwa sind häufi g Töchter von Tochtergesellschaften größerer Unternehmen. Siegelprüfer können hier aber so tief analysieren, dass sie etwaige Widersprüche entdecken werden.
Die Latte darf nicht so niedrig hängen, dass alle hinüberspringen
Letztlich geht es bei Siegeln auch darum, unseriöse Angebote aufzudecken. Gerade die schwarzen Schafe sind häufig diejenigen, die als allererste versuchen, Gütesiegel zu erhalten. Dank einer manchmal erstaunlichen Energie finden sie Wege, um sich mit dem Glanz der Siegel schmücken zu können. Hier gilt es, durch sorgfältige Recherche und ein kräftiges Rückgrat Position zu beziehen und lieber einmal zu viel „Nein" zur Siegelvergabe zu sagen als einmal zu wenig. Und last but not least: Ein Gütesiegel darf Entwicklungen nicht zementieren, sondern muss laufend aktualisiert werden. Standards vorzuschreiben, welche die Besten einer Branche bereits weit übertreffen, wenn ein Siegel herauskommt – das nutzt meist nur dem Siegelherausgeber und nicht dem Anleger. Alleine die Aufteilung in Kategorien wie „Gold", „Silber" oder „Bronze" lässt vermuten, dass es eher darum geht, möglichst viele Angebote mit einem Siegel auszuzeichnen als dem Anleger eine Hilfe zu sein.
Drei Siegel für nachhaltige Geldanlagen
In Deutschland gibt es drei Siegel für nachhaltige, ethische Geldanlagen: zum einen das Siegel des Forum nachhaltige Geldanlagen (FNG). Der Verband mit Sitz in Berlin, zu dem insbesondere Anbieter von Finanzprodukten gehören, zeichnet mit einer eigens gegründeten Verwertungsgesellschaft Publikumsfonds aus, deren Nachhaltigkeit er prüft. Zum anderen gibt es das Transparenzsiegel eines europaweiten Investmentverbands, das allerdings, wie der Name sagt, lediglich die Transparenz untersucht. Und schließlich das ECOreporter-Nachhaltigkeitssiegel der unabhängigen Publikation ECOreporter, zu der auch der Autor dieses Beitrags gehört. Es zeichnet Banken, institutionelle Investoren sowie nachhaltige Finanzprodukte, beispielsweise Fonds, aus. Die Besonderheit des ECOreporter-Siegels ist die Fokussierung auf das Kerngeschäft der Anbieter. Nur wer ganzheitlich Nachhaltigkeit nachweist, kann ausgezeichnet werden. Wenn beispielsweise eine Bank eine klimaschonend gebaute Hauptverwaltung oder einzelne, nachhaltige Anlageprodukte hat, ergibt das noch lange kein siegelwürdiges, nachhaltiges Kerngeschäft.
Für das ECOreporter-Siegel ist bei der Prüfung das Profil der Nachhaltigkeit ausschlaggebend, das der Anbieter für sich definiert hat. Dabei schert es die verschiedenen Nachhaltigkeitsansätze nicht über einen einzigen Kamm, sondern erfasst mittels mehrtägiger Prüfungen, auch vor Ort, das Nachhaltigkeitsversprechen des Anbieters und untersucht, ob es in der Praxis eingehalten wird.
Jörg Weber ist Volljurist und Chefredakteur des Magazins ECOreporter und der Internetplattform ECOreporter. de. Er ist Autor zahlreicher Bücher zum Thema Nachhaltigkeit, angefangen von „Die Erde ist nicht Untertan" (ausgezeichnet mit dem Deutschen Umweltpreis für Publizistik) bis zu „Rendite ohne Reue". Er hat den Fernlehrgang Ecoanlageberater mitentwickelt, der über 500 Anlageberater zu Fachberatern für nachhaltiges Investment ausgebildet hat.
Quelle: BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
Lifestyle | Geld & Investment, 01.01.2018
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