Gundula Hübner

Woran hapert’s?

Fördernde und hemmende Faktoren für einen nachhaltigeren Kleidungskonsum

Das Unglück von Rana Plaza, die Austrocknung des Aralsees, Mikroplastik in den Ozeanen – Wegsehen ist kaum mehr möglich; das Bewusstsein für die verheerenden Auswirkungen der Textilindustrie wächst. Doch der Konsumwandel bleibt bislang aus. Der Forschungsverbund InNaBe hat 2017 eine Repräsentativ­befragung durchgeführt, die aufzeigt, warum.

Wer seine Kleidung selbst nicht lange tragen will, kann diese über Secondhand-Läden an andere weitergeben. © LindaLioe, pixabay.comWelch ein Widerspruch: Knapp die Hälfte der deutschen Verbraucher legt Wert auf eine umwelt- und sozialverträgliche Herstellung ihrer Kleidung, so das Ergebnis unserer Befragung; aber nur ein knappes Drittel beabsichtigt, in Zukunft entsprechend produzierte Kleidung zu kaufen. Selbst Kunden, die für die ökologischen und sozialen Probleme der Kleidungsproduktion sensibilisiert sind, greifen nicht konsequent zu nachhaltigen Alternativen. Die Gründe für diesen Widerspruch sind vielfältig.

InNaBe
Innovationen für nachhaltige Bekleidung

Das Forschungsprojekt unterstützt die Entwicklung und Umsetzung von Innovationen, die zu mehr Nachhaltigkeit im Bekleidungsbereich beitragen. In dem vom Bundesministerium geförderten Projekt ‚Slow Fashion‘ wurde untersucht, ob und wie Innovationen in den Bereichen Modedesign und -entwurf, Textiltechnik, Kleidungsproduktion und Dienstleistungsangebote dazu beitragen können, die Nutzungsphase von Kleidung zu verlängern. Von zentraler Bedeutung war die Zusammenarbeit mit Praxisakteuren aus den Bereichen Herstellung, Handel und Verwertung von Bekleidung. 

Nachhaltigkeit scheint wenig attraktiv
Modeorientierung und der Spaß am Einkaufen haben zusammen mit dem Einkommen einen wesentlichen Einfluss auf die Anzahl der gekauften Kleidungsstücke. Das ist nicht sehr überraschend, aber es macht deutlich, dass Kleidung oftmals spontan gekauft wird und dies für einen nennenswerten Teil der Bevölkerung auch Ausdruck ihres Lebensstils ist. Es wird – sei es beim Einkaufsbummel in der Stadt oder im Internet – gekauft, was gefällt, ohne vorher lange Informationen darüber zu sammeln, unter welchen Bedingungen das jeweilige Kleidungsstück hergestellt wurde.

Hinzu kommt, dass viele Verbraucher unsicher sind, wie vertrauenswürdig Informationen zur Nachhaltigkeit der Produktionsbedingungen von Kleidung sind. Häufig ist ihnen nicht klar, woran sie erkennen können, ob Kleidung nachhaltig und menschenwürdig produziert wurde oder nicht. Es gibt zu viele Siegel und Label, die Nachhaltigkeit versprechen – unabhängige sowie von Herstellern für ihre eigenen Produkte eingeführte. Und meistens ist nicht klar, wofür sie stehen, beziehungsweise wie viel Nachhaltigkeit tatsächlich darin steckt. Doch selbst ein verlässliches Siegel wird nicht dazu führen, dass Kaufentscheidungen immer zugunsten nachhaltigerer Produkte ausfallen, denn im Fokus steht: Kleidung soll vor allem bequem, praktisch und zweckmäßig, sowie gut verarbeitet sein. Außerdem muss das Preis-Leistungsverhältnis stimmen. Für mehr als drei Viertel der Befragten sind das die wichtigsten Kaufkriterien. Darüber hinaus soll Kleidung frei von giftigen Chemikalien, pflegeleicht, gut kombinierbar und zeitlos sein. Nachhaltigkeit hat demnach keinen hohen Stellenwert beim Kleiderkauf. Im Gegenteil – viele haben sogar Vorbehalte: Nachhaltig produzierter Kleidung gilt häufig als nicht modisch genug und zu teuer.

Das Angebot wird als zu klein wahrgenommen
Dass dies tatsächlich ein Problem ist, zeigt sich beim Einkaufsbummel. Nur in wenigen Städten gibt es auf nachhaltige Mode spezialisierte Geschäfte mit einer breiten Produktvielfalt. In konventionellen Handelsgeschäften fehlen solche Angebote fast völlig. Wer vollständig auf nachhaltig produzierte Kleidung umstellen will, muss einen relativ hohen Aufwand betreiben und viele Hürden überwinden, auch bei Online-Bestellungen. In beiden Fällen bedeutet das: Eine vergleichsweise kleinere Auswahl und oftmals auch höhere Preise. Das hält viele, auch weniger konsum- und modeorientierte Menschen, davon ab, nachhaltig einzukaufen.

Selbst Personen, die wissen, dass sie nachhaltig und fair produzierte Kleidung kaufen sollten, behalten ihr nicht nachhaltiges Konsumverhalten häufig bei, weil dieses Verhalten in ihrem Umfeld vorherrscht. Es gibt noch keine starke soziale Norm für den Kauf nachhaltigerer Mode, sie ist noch kein Must-have.

Weniger wäre mehr
Der Verzicht auf den Kauf konventioneller zugunsten sozial- und umweltverträglich produzierter Kleidung wäre ein wichtiger Schritt hin zu einem nachhaltigeren Kleidungskonsum. Noch wichtiger wäre jedoch die Einschränkung des Kleidungs(neu)kaufs, verbunden mit einer möglichst langen Nutzungsdauer von Kleidung (Slow statt Fast Fashion). Das heißt, hochwertige und langlebige Kleidung zu kaufen, diese gut zu pflegen, wenn nötig zu reparieren und sie lange zu tragen oder an andere weiterzugeben, zum Beispiel in Tauschkreisen, über Secondhand-Läden oder Onlineportale. Die Bereitschaft, Kleidung länger zu tragen, ist, wenn man den Aussagen der Befragten glaubt, weit verbreitet. Nur relativ wenige beabsichtigen aber, in Zukunft Kleidung aus zweiter Hand zu kaufen oder gar zu tauschen. Am höchsten ist die Nachfrage nach diesen Konsumalternativen bei jungen Konsumenten. Ob dies bei ihnen zu einem geringeren Konsumniveau führt, ist allerdings fraglich.

Die nachhaltige Alternative muss zur einfacheren Wahl werden
Die Chancen dafür, den derzeitigen Trend zum Kauf von immer mehr Kleidung zu immer niedrigeren Preisen zu brechen, stehen nach Einschätzung von Experten derzeit schlecht. Die notwendige Trendumkehr zu erreichen würde erhebliche Anstrengungen erfordern. Günstiger sind die Aussichten, den Anteil sozial- und umweltverträglich produzierter Kleidung zu erhöhen. Prognosen zufolge wird dieser in den nächsten Jahren zunehmen. Besonders groß ist die Offenheit für nachhaltigere Mode im gut gebildeten und einkommensstarken sozialen Milieus.

Für eine größere Verbreitung ist zentral, dass die Kleidung modisch ist. Nachhaltigkeit sollte ein Zusatznutzen und nicht das Hauptmerkmal sein. Sie muss einfach zu erhalten sein, was bedeutet, dass sie auch dort angeboten werden muss, wo die Käufer sich befinden – nicht nur in spezialisierten Online-Shops und Geschäften, sondern im ‚normalen‘ Einzel- und Online-Handel. Nachhaltige Mode muss außerdem leicht als solche erkennbar sein. Wichtige Aspekte sind Transparenz der Produktionsbedingungen und glaubwürdige Informationen für die Konsumenten.

Wie wichtig ist Ihnen beim Kauf von Oberbekleidung...  1 2 3 4 5 6 w.n. k.A.
 dass sie dem aktuellen Modetrend entspricht 8 20 30 23 8 9 1 1
 dass das Preis-Leistungsverhältnis stimmt  45 34 16 2 0 0 1 1
 dass sie bequem ist und gut passt  55 29  10  2 1
 dass sie praktisch und zweckmäßig ist  35 40  19  1 1
 dass sie pflegeleicht ist  32 38  22  3 1
 dass sie aus hochwertigem Material besteht  18 35  31  2 1
 dass sie gut verarbeitet ist  38 40  16  2 0
 dass sie zeitlos ist und ich sie lange tragen kann  31 38  23  1 1
 dass sie sich gut mit anderen Kleidungsstücken kombinieren lässt  34 40  19  1 1
 dass sie keine giftigen Chemikalien enthält 45 28  16  1 1
 dass sie unter fairen Arbeitsbedingungen produziert wurde  19 28  32  11  2 1
 dass sie aus Naturfasern hergestellt ist  12 25  31  19  1 1
 dass sie umweltverträglich produziert wurde  16 29  33  11  2 1
1 (sehr wichtig), 2, 3, 4, 5, 6 (überhaupt nicht wichtig), weiß nicht (w.n.), keine Angabe (k.A.)
 
Prof. Dr. Gundula Hübner (MSH Medical School Hamburg; Martin-Luther-Universtität Halle-Wittenberg), Dr. Silke Kleinhückelkotten (ECOLOG-Institut für sozial-ökologische Forschung und Bildung) und Aneta Woznica (wissenschaftliche Mitarbeiterin) machen sich für ein nachhaltigeres Verhalten in der Gesellschaft stark. Der Kleidungskonsum nimmt hier einen wichtigen Platz ein.

Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2018 - Frauen bewegen die Welt erschienen.



     
        
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